Optischer Messensor mit Lasertriangulation von Hexagon im Einsatz

Optische Messsensoren erfassen große Flächen schnell und genau. Hier ein Laser-Triangulationssensor für die Erfassung großer Werkstücke in der Automobilindustrie von Hexagon. - (Bild: Hexagon)

Was ist optische Messtechnik?

Im Gegensatz zur taktilen Messtechnik wird bei der optischen Messtechnik das Messobjekt berührungslos mittels Licht abgetastet. Basierend auf der physikalischen Grundlage von Reflexion und Absorption lassen sich somit ganze Flächen erfassen. Verfahren der optischen Messtechnik werden sowohl zur Qualitätskontrolle eingesetzt als auch zur Erfassung von Formen für den 3D-Druck.

Noch vor fünfzehn Jahren war die Vermessung einer kompletten Fahrzeugkarosserie eine extrem zeitaufwendige Angelegenheit. Tausende von Punkten mussten taktil mit dem Koordinatenmessgerät (KMG) erfasst werden. Heute ist dies eine Angelegenheit von wenigen Minuten. Möglich gemacht hat diesen Fortschritt die optische Messtechnik, die blitzschnelle Vermessungen berührungslos erlaubt.

Klassische taktile Koordinatenmessgeräte wirken im Vergleich dazu eher wie Dinosaurier. Dennoch: „Die optische Messtechnik wird die taktile auch in Zukunft nicht ersetzen können“, berichtet Norbert Steffens, Forschungs- und Entwicklungsleiter bei der Hexagon GmbH in Wetzlar.

Vielmehr habe jedes der beiden Verfahren mit Blick auf die Oberfläche des Bauteils und die geforderte Messgenauigkeit seine Berechtigung. Grundsätzlich zeichne sich die taktile Vermessung auf stationären KMG durch eine höhere Genauigkeit und eine bessere Eignung unmittelbar im Fertigungsumfeld aus. „Die Störeinflüsse beispielsweise durch verschmutzte Bauteile sind bei der taktilen Messung geringer“, so Steffens. Optische Messverfahren seien dabei empfindlicher, weil deren Optik bei Verschmutzungen einwandfreie Messergebnisse erschwere.

Abbildung Norbert Steffens, Hexagon GmbH, dunkler Anzug, weißes Hemd, dunkelrote Krawatte
Norbert Steffens ist Leiter Forschung und Entwicklung bei der Hexagon GmbH. - (Bild: Hexagon)

Diese Vorteile haben optische Messsysteme

Dennoch gehe der Trend hin zu optischen Messsystemen: „Die Erfassung der funktionellen Maße reicht heute in vielen Fällen nicht mehr aus. Vielmehr muss die gesamte Oberfläche erfasst werden. Insbesondere bei größeren und flächigen Bauteilen sind dafür die optischen Verfahren prädestiniert, da sie eine dramatisch höhere Messgeschwindigkeit ermöglichen“, erklärt Steffens.

Dabei werde dann auch häufig direkt gegen ein CAD-Modell gemessen und die Abweichungen können in nahezu Echtzeit flächig angezeigt werden. Dies lasse dann schnelle Rückschlüsse auf den Fertigungsprozess zu und ermögliche kurze Reaktionszeiten. Hinsichtlich der Messunsicherheit können die optischen Messverfahren laut Steffens durchaus mit den taktilen konkurrieren, jedoch in Abhängigkeit von der Einsatzumgebung, Messprinzip und Oberflächeneigenschaften des Werkstückes.

Das sind die Grenzen optischer Messverfahren

„Generell begrenzt die Wellenlänge des verwendeten Lichtes die Genauigkeit optischer Systeme. Hier sind dann auch die Grenzen im Vergleich zu der taktilen Messtechnik zu sehen“, so Steffens. Er stellt allerdings auch klar, dass ein direkter Vergleich von optischen und taktilen Messmethoden mitunter schwierig sei: „Gerade bei rauen Oberflächen lassen sich die Messergebnisse nur eingeschränkt vergleichen. Prinzipbedingt interagiert die Oberfläche unterschiedlich mit optischen und taktilen Sensoren.“

Taktile Messverfahren, taktiles Tastersystem, Leitz
Wenn es um höchste Genauigkeiten geht, sind taktile Koordinatenmessgeräte im Vorteil. Hier ein taktiles Tastersystem von Leitz. - (Bild: Hexagon)

Einen kleinen Nachteil haben die optischen Verfahren, weil sie sich auf manchen Oberflächen nicht anwenden lassen. So benötigen auf der Triangulation basierende Verfahren eine diffuse Oberfläche und funktionieren bei spiegelnden Oberflächen nur mit spezieller Beschichtung.

Als Alternative bieten sich dann andere Verfahren an, die eine direkte Reflektion des Messstrahls benötigen, wie zum Beispiel die Interferometrie oder Deflektrometrie.

Messtechnik rückt näher an die Fertigung

Hinsichtlich des Marktpotenzials für klassische, rein taktile KMG berichtet Steffens, dass der Markt der wirtschaftlichen Entwicklung folgt: „Weiteres Wachstum wird es nur bei einem allgemeinen Wachstum des Marktes geben.“ Er beobachtet zudem, dass die Messtechnik immer näher an die Fertigung rücke und immer häufiger zur direkten Steuerung des Produktionsprozesses genutzt werde.

Bei den klassischen Koordinatenmessgeräten wachsen zudem taktile und optische Messtechnik weiter zusammen. Es kommen dabei sowohl taktile als auch optische Messsensoren zum Einsatz. „Die automatisierte Kombination mehrerer Sensoren in einem Gerät hilft, Rüstzeiten zu minimieren und erhöht den Durchsatz und damit die Effizienz des Messgerätes“, so Steffens.

Dieses Potenzial haben optischen Messverfahren

Ein Fan der optischen Messsysteme ist auch Dr. Dirk Berndt vom Fraunhofer Institut für Fabrikbetrieb und Automatisierung (IFF): „Mit optischer Messtechnik arbeitende Sensoren haben grundsätzlich das Potenzial, die Genauigkeit taktiler Messköpfe zu erreichen“, lautet seine Einschätzung. Es sei neben dem Sensor aber immer wesentlich, welche Genauigkeit mit dem gesamten System möglich sei.

Vorteile haben optische Messverfahren, weil sie berührungslos und damit vollkommen verschleißfrei arbeite. Beim Einsatz taktiler Messtaster könne es durch die Berührung zu Schäden an der Oberfläche des Bauteils kommen beziehungsweise der Messtaster unterliegt einem gewissen Verschleiß.

„Trotzdem würde ich nicht sagen, dass die optische Messtechnik die taktile Messtechnik ablösen wird. Es wird auch in Zukunft hochpräzise taktile Messtechnik in einem klimatisierten und schwingungsentkoppelten Messraum geben. Die Genauigkeiten werden dabei immer höher sein, als die Messergebnisse einer Atline- oder Inlinelösung“, so sein Urteil.

Portrait von Dirk Berndt vom Fraunhofer IFF
Dirk Berndt forscht am Fraunhofer-Institut für Fabrikbetrieb und Automatisierung (IFF). - (Bild: Fraunhofer IFF)

Zudem berichtet auch er von gewissen Restriktionen bei optischen Messverfahren: „Triangulationsbasierte Verfahren funktionieren nicht bei allen Oberflächen. Sie brauchen eine gewisse Rauigkeit der Oberfläche. Es muss möglich sein, eine diffuse Reflexion auf der Objektoberfläche über ein optisch abbildendes System zu betrachten.“ Deshalb seien lackierte und insbesondere spiegelnde Oberflächen höchst anspruchsvoll. Allerdings seien bei laserbasierten Verfahren auch auf stark reflektierenden Oberflächen durchaus gute Ergebnisse möglich.

Es lasse sich also nicht pauschal sagen, dass stark reflektierende Oberflächen nicht gemessen werden können. Im Zweifelsfall müsse man das immer testen. Zudem gebe es Stellschrauben, die variiert werden können. Das wären die Lichtintensität, die Lichtwellenlänge und die Belichtungszeit des optischen Sensors.

So sieht die Zukunft der optischen Messtechnik aus

Von einem weiteren Siegeszug der optischen Messtechnik ist Berndt überzeugt: „Da zeichnet sich ein enormes Wachstumspotenzial ab, denn die optische Messtechnik ermöglicht blitzschnelle Qualitätsprüfungen direkt im Fertigungsprozess. Das war mit der herkömmlichen taktilen Messtechnik in der Vergangenheit nicht möglich.

Deshalb sind hier deutlich größere Zuwächse als bei der taktilen Messtechnik zu erwarten und diesen Trend bestätigt der Markt in den letzten Jahren deutlich. Entsprechend haben sich auch die großen Anbieter aufgestellt und kleinere Anbieter optischer Messsysteme aufgekauft.“

Anwendungsbeispiel: Wie Luftfahrt-Zulieferer Premium Aerotec Koordinatenmesstechnik einsetzt

Ein Anwender optischer und taktiler Messtechnik ist das Unternehmen Premium Aerotec in Augsburg. Gefertigt werden hier die hintere Rumpf-Seitenschale sowie der Türrahmen für das Flugzeug Airbus A350. Die Aufgabenteilung ist eindeutig: Die Geometrie großer flächiger Bauteile aus CFK wird über die optischen Systeme vermessen und die Kontrolle von Details an kleineren spanend bearbeiteten Metallbauteilen erfolgt an klassischen Koordinatenmessgeräten.

„Die Genauigkeit der taktilen Koordinatenmessgeräte ist deutlich höher. Dagegen können mit den optischen Messsystemen in kürzester Zeit deutlich mehr Messpunkte erfasst werden“, berichtet Dieter Morhart, Leiter Messtechnikprogrammierung bei Premium Aerotec. Probleme bereitet die optische Messtechnik zudem bei spiegelnden Fräsbauteilen.

Automatisierte Optische Messtechnik von GOM bei Premium Aerotec
Die Automatisierung schreitet auch in der optischen Messtechnik weiter voran. Hier zwei auf Portalrobotern montierte GOM-Messsysteme bei Premium Aerotec. - (Bild: Premium Aerotec)

Für ihn haben beide Systeme ihre Berechtigung und er kann sich nicht vorstellen, dass die optischen die taktilen Messsysteme eines Tages ablösen werden. Er glaubt auch, dass beide Methoden künftig weiter zusammmenwachsen werden. „Für unser Werk1 schaffen wir uns gerade eine Messmaschine an, die beides kann“, so Morhart. Mit dieser Anlage sollen Türspante für die A350 vermessen werden. „Dieses Bauteil hat sehr enge Toleranzen und enthält sehr viele Bohrungen. Wir haben uns daher entschieden, die geometrischen Details taktil und die flächenhaften Anteile optisch zu vermessen“, so Morhart.

Einen Wunsch hat er an die Messgerätehersteller: „Jedes Messgerät hat seine eigene Software zur Programmierung und Auswertung der Messung. Das macht es etwas umständlich. Schön wäre eine gemeinsame Softwareplattform für alle Messgeräte“. Dabei ist ihm die Offline-Programmierung besonders wichtig: „Die Programmierung der Roboter, auf denen die optischen Messsysteme montiert sind, und die Auswertung der Messung sollte in einem Programm erfolgen. Das ist bei den taktilen Messsystemen seit vielen Jahren Stand der Technik. Bei den optischen Systemen gibt es hier aber noch Defizite“, berichtet Morhart.

Automatisierung der Messgeräte ist Zukunftstrend

Als Zukunftstrend bei optischen Messsystemen sieht er die Automatisierung der Prozesse: „In der taktilen Messtechnik ist die Automatisierung seit den 1980er-Jahren Standard. Im optischen Bereich ist es leider noch nicht ganz so weit“. Allerdings hätten die Hersteller auch hier mittlerweile erkannt, dass sich mit Roboterlösungen sehr viel Geld sparen lässt.

Sein Werk ist dabei voll auf der Höhe der Zeit: Zwei Roboter auf Lineareinheiten tragen das optische Messsystem des Herstellers GOM und bilden somit eine komplette Einheit. Bei der Vermessung der rund 15 Meter langen Seitenschalen der A350 hatte sein Unternehmen eine clevere Idee: Die Vermessung erfolgt direkt in der riesigen Fräsmaschine. Dazu wird der optische Messsensor in die Pinole eingewechselt und scannt dann das Bauteil ab. Der Lasertracker dient der Erfassung von Position und Ausrichtung des Scanners. Der Ablauf passiert vollautomatisch.

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Überarbeitet von Julia Dusold am 06.11.2020

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