Mehrere fahrerlose Transportsysteme fahren durch ein Regallager und werden dabei in Echtzeit lokalisiert

Alles im Blick: Ob mittels Kamera, GPS, RFID oder UWB - warum eigentlich 'oder'. Denn BMW schafft mit einer Plattform die Verknüpfung mehrerer Systeme. - (Bild: Sick)

Transparenz durch Identifikation in der innerbetrieblichen Logistik ist die Basis dafür, Produktion und Logistik optimal zu vernetzen. Dabei geht es um Technologien wie RFID, GPS und UWB sowie die visuelle Erfassung von Objekten - in Real-Time versteht sich. Auch wenn Sick bei Volkswagen mittels RFID die Fahrzeugkarossen zuverlässig in der gesamten Fertigung identifiziert – für die Unternehmen ist die Kombination mit anderen Technologien in der Regel notwendig.

Gerade BMW zeigt auf, wie die Echtzeit-Identifikation bei Nutzung verschiedener Lokalisierungssysteme dank der Verbindung über eine Plattform funktioniert.

Bosch wiederum beweist, dass die Identifikation bei gewissen Anwendungsfällen wiederum mit Kameras gut funktionieren kann - und spart nach eigenen Angaben rund 35 Prozent Kosten beim Wareneingang. Nachfolgend gibt es die Praxiserfahrungen zu den verschiedenen Real Time Location-Systems (RTLS).

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BMW: Probleme bei der Identifikation und Lokalisierung

Thomas Strebin, zuständig für die Digitalisierung von Shopfloorsystemen bei der BMW Group: "Identifikation und Lokalisierung ist ein IT-Produkt bei uns. Wir müssen schneller werden, aber auch ressortübergreifend denken. Will man Prozesse automatisieren, stellt sich immer die Frage 'wo ist was'."

BMW sei ja nicht Erfinder eines Ortungssystems, das man für die logistische oder Prozessoptimierung einsetze – das gebe es ja schon lange. "Wir haben aber LKW mittels GPS getrackt, Behälter mittels RFID und das Tracking von Werkzeugen mittels Ultra Wide Band umgesetzt. Dabei gab es das Problem, dass wir immer Monolithen geschaffen haben. Das heißt, zu jedem Use Case passt nur ein Ortungssystem. Denn es gibt nicht das eine Ortungssystem für alles – es gibt immer eine Mischung", erläutert Strebin.

"Unser Lösungsansatz an dieser Stelle war IPS-i, also eine Plattform beziehungsweise Mittelebene einzuziehen, die alle Ortungsdaten eines Werks vereint", sagt Thomas Strebin von der BMW Group.
"Unser Lösungsansatz war es, mit IPS-i eine Plattform beziehungsweise Mittelebene einzuziehen, die alle Ortungsdaten eines Werks vereint", sagt Thomas Strebin von der BMW Group zur Zusammenführung verschiedener Systeme. - (Bild: Bublitz/BVL)

Plattform verbindet unterschiedliche RTLS

"Unser Lösungsansatz an dieser Stelle war IPS-i, also eine Plattform beziehungsweise Mittelebene einzuziehen, die alle Ortungsdaten eines Werks vereint. Dann ist alles skalierbar und wir können verschiedene Use Case aufschalten, denn wir haben eine standardisierte IPSi-Schnittstelle. So möchte auch ein Ultra Wide Band mit einem RFID kommunizieren – und das schaffen wir über unsere Plattform – mit intuitivem User-Konzept, das es ermöglicht, sich einen Use Case selbst zu erstellen", so Shopfloorexperte Strebin.

GPS-Satelliten auch als Indoor-Lokalisierungssystem und zur Navigation

Per GPS könne die Position der Fahrzeuge erkannt werden. Außerdem sei das Steuern der (Logistik-) LKW vom Wareneingang bis an die Ladestelle möglich. Das sorge für eine optimale Auslastung der Ladestelle. "Im Montageprozess bekommen wir mittels UWB-System in Echtzeit die Information, in welcher Position sich mein Fahrzeug und wo sich der dazugehörige Schrauber befindet. Das ist der Key Enabler für alle Use Case bei uns in der Montage, um mittels Geo Fencing zu sagen, wo sich was befindet, um Backend-Systeme anzutriggern", ergänzt Strebin.

So könne man nachvollziehen, wo Routenzüge fahren und zu guter Letzt gebe es auch noch Tracking und Tracing von Behältern. Da erkenne man beispielsweise Vollgut- und Leergutbehälter, die mit UWB-Transpondern ausgestattet seien.

Plattform für automatisierte Identifikation

Wo möchte BMW letztlich mit der Plattform hin? "Wir sagen immer, dass wir in zwei Richtungen skalieren möchten“ führt Strebin aus. „Jedes Produktionswerk von uns soll standardmäßig IPS-i haben – aktuell sind es vier." Das führe automatisch dazu, dass sich in der Fläche mehr Use Cases generieren.

"Wir gehen dann über automatisierte Routenzugbuchungen, Werkerassistenzsysteme bis hin zu automatisierten Materialbuchungen und Absicherung mittels RFID. Unser Ziel dabei ist immer die Automatisierung von Logistik- und Produktionsprozessen - und zwar plattformübergreifend. Uns ist es auch wichtig, den starken Wettbewerb zwischen den Ortungsherstellern aufrechtzuerhalten", verdeutlicht Strebin. Denn es gibt nicht das eine richtige System – und alle Hersteller entwickelten ihre Technologien weiter.

"Es gibt die Anforderung bei BMW, dass der Schrauber direkt freigeschaltet wird, wenn die Karosse an das Band kommt,  sa dass es es keine Wartezeit gibt. Die Datenlatenz liegt bei maximal 50 Millisekunden", sagt Nikolai von Loeper, Geschäftsführer bei Kinexon.
"Es gibt die Anforderung bei BMW, dass der Schrauber direkt freigeschaltet wird, wenn die Karosse an das Band kommt, sa dass es es keine Wartezeit gibt. Die Datenlatenz liegt bei maximal 50 Millisekunden", sagt Nikolai von Loeper, Geschäftsführer bei Kinexon. - (Bild: Bublitz/BVL)

Identifikation und Ortung in Echtzeit

BMW arbeitet mit Kinexon zusammen, die bei dem Projekt die Software und Hardware zur Verfügung stellen. Zudem ist Kinexon der Hersteller und Lieferant der IPS-i Plattform. "Wir können mit den Daten umgehen, wobei der Echtzeitaspekt ganz wichtig ist", sagt Nikolai von Loeper, Geschäftsführer bei Kinexon. So gebe es auch die Anforderung bei BMW, dass der Schrauber direkt freigeschaltet werde, wenn die Karosse an das Band komme und es keine Wartezeit gebe.

"Die Datenlatenz liegt bei maximal 50 Millisekunden", beschreibt von Loeper. Zum Thema Konnektivität könne auch er nur sagen, "dass wir kein geschlossenes System bauen wollen, denn heutzutage müssen die Systeme offen sein. Es müssen unterschiedliche Daten miteinander aggregiert, fusioniert und kombiniert werden."

„Geht man vom Idealzustand aus, dass ein Stapler eine Palette aus einem LKW herauszieht, dann benötigen wir schon 32 bis 50 Megapixel-Kameras oder wir müssen mehrere Kameras an dieser Stelle übereinander bauen, um die Objekte zu identifizieren. Das ist eine Frage der notwendigen Kosten, die damit einhergehen", sagt Marzell Bandur von Bosch.
„Geht man vom Idealzustand aus, dass ein Stapler eine Palette aus einem LKW herauszieht, dann benötigen wir schon 32 bis 50 Megapixel-Kameras oder wir müssen mehrere Kameras an dieser Stelle übereinander bauen, um die Objekte zu identifizieren. Das ist eine Frage der notwendigen Kosten, die damit einhergehen", sagt Marzell Bandur, Vice President Logistics Optimization, Process, IT & Innovation von Bosch. - (Bild: Bublitz/BVL)

Identifikation bei Bosch - mittels Kamerasystem

Auch bei Bosch sind Technologien wie RFID und Barcode Scans in Einsatz, um Objekte zu identifizieren. Bei RFID gebe es allerdings einen etwas asymmetrischen Aufwand, indem man vorher die RFID-Tags anbringen müsse.

"Das Thema Barcode ist auch nicht durchgängig vorhanden. Da war die Überlegung, mittels Kamera die Objekte zu betrachten - so, wie die Menschen sie betrachten. Wir sehen sozusagen die Welt wie sie ist und leiten daraus die Informationen ab", zeigt Marzell Bandur, Vice President Logistics Optimization, Process, IT & Innovation von Bosch einen anderen Weg auf.

Doch eben diese Welt ist nicht so standardisiert, wie sie in der Automobilwelt von den OEMs gelebt wird. "Je weiter man in der Tier-Kette hinuntergeht, desto schwieriger wird es, die Standards durchzusetzen. So haben wir rund 20.000 Lieferanten, die an 267 Standorte liefern, und wir verteilen die Komponenten dann über 720 Lager.

Die Einführung von Standards ist bei dieser Größe sehr schwierig", befindet Bandur. Da habe man sich bei Bosch die Frage gestellt, wie man es umsetzen könne, nicht von Vorarbeitern abhängig zu sein.

Bei der Identifikation von Labels helfen KI und Machine Learning

"So soll ein Kamerasystem, das eine Palette betrachtet, weiße, helle Spots erkennen, bei denen es sich um Labels handeln könnte", sagt Bandur. Die Daten, die nicht wie ein Label aussähen, würden für eine Identifikation nicht benötigt und gelöscht. Bandur weiter: "Dann versuchen wir, den Inhalt dieser weißen Rechtecke zu erkennen, machen ein Bild davon und mit Künstlicher Intelligenz mappen wir das und erkennen, ob es ein Label ist, das uns interessiert.

Der nächste Schritt ist mittels Optical Character Recognition – teilweise auch mit Barcode Interpretation." Im Anschluss sei dann noch KI und Machine Learning notwendig, der finale Punkt sei dann die Integration in das ERP-System.

32 bis 50 Megapixel-Kameras für die Identifikation

Um mit einer hohen Auflösung sämtliche Label einer Palette erkennen zu können, ist Bosch bei einer Kamera mit zwölf Megapixeln angekommen. „Geht man vom Idealzustand aus, dass ein Stapler eine Palette aus einem LKW herauszieht, dann benötigen wir schon 32 bis 50 Megapixel-Kameras oder wir müssen mehrere Kameras an dieser Stelle übereinander bauen, um die Objekte zu identifizieren. Das ist eine Frage der notwendigen Kosten, die damit einhergehen. Die Kamerapreise steigen derzeit noch mit der Auflösungsfähigkeit, was dann natürlich den Business Case schwächt", schränkt Bandur ein.

Reflexionen erschweren die Identifikation

Die Qualität der Label ist eine weitere Herausforderung für die Identifikation, vor allem, wenn das Label unter einer Folierung liegt. Mögliche Reflexionen erschweren die Identifikation. Das lasse sich Bosch zufolge aber lösen, denn letztendlich sei das nur eine Frage des Trainingsaufwands. Auch die Geschwindigkeit eines Staplers begrenze die Möglichkeiten zur Identifikation ebenso wie die vorhandene Rechenleistung.

"Letztlich wollen wir, dass aus der Kamera am Ende gar kein Bild mehr in das Netzwerk hineingegeben wird, sondern nur noch Informationen wie Teilenummer, Lieferant und dergleichen", erklärt Bandur und freut sich über die absolute Wirtschaftlichkeit: "Mit einer mobilen und einer Gate-Kamera erreichen wir eine Einsparung bis zu 35 Prozent im Wareneingang, weil die Mitarbeiterzeit der Prozessanalytik, die Durchlaufzeit und die Bearbeitung des Wareneingangs wesentlich niedriger sind."

"Man muss relativ früh im Prozess wissen, welches Fahrzeug da gerade gebaut werden soll. Das geschieht mittels RFID-Datenträger am Längsträger und ab da ist das Fahrzeug in allen Produktionsschritten zu identifizieren", sagt Oliver Huther, Business Development Manager bei Sick.
"Man muss relativ früh im Prozess wissen, welches Fahrzeug da gerade gebaut werden soll. Das geschieht mittels RFID-Datenträger am Längsträger und ab da ist das Fahrzeug in allen Produktionsschritten zu identifizieren", sagt Oliver Huther, Business Development Manager bei Sick. - (Bild: Bublitz/BVL)

Sick: Identifikation mit hoher Genauigkeit entscheidend

Eine andere Anwendung bezieht sich auf den Einsatz von RTLS, um Fahrzeugkarossen zu identifizieren und lokalisieren. So gebe es bei einem Längsträger eines VW Golf 36 mögliche Varianten der Unterbodenbaugruppe. "Demnach muss man relativ früh im Prozess wissen, welches Fahrzeug da gerade gebaut werden soll. Das geschieht mittels RFID-Datenträger am Längsträger und ab da ist das Fahrzeug in allen Produktionsschritten zu identifizieren", berichtet Oliver Huther, Business Development Manager bei Sick.

Genauigkeit des Echtzeit-Lokalisierungssystems liegt bei 99,9x Prozent

Die eingesetzten Roboter bekommen die Information in Echtzeit, was zu machen sei. "Bei 6.300 Fahrzeugen pro Tag in Wolfsburg – wenn wir da eine Erfassungsrate von 99 Prozent hätten, dann hätten wir nichts gekonnt. Denn das würde bedeuten, dass 63 Fahrzeuge pro Tag verloren gingen. Wir haben aber Erfassungsraten von 99,9x Prozent", rechnet Huther vor.

RFID ziehe sich komplett durch die Produktion, das heißt, dass man in diesem Fall mit einer Technologie alle Produktionsschritte abbilden könne – vom Body Shop, Paint Shop, Assembly Shop, Marriage und den Outbound. "Dazu braucht es einen robusten Reader sowie Datenträger, die die Prozesse überstehen und hinzu kommt noch die Integration in die Backend-Systeme", schließt Huther.

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