Übergabe des Staffelstabs

Chefs von Familienunternehmen sollten sich laut Experten frühzeitig darauf vorbereiten, den Staffelstab an ihren Nachfolger zu übergeben. - (Bild: Fotolia/cirquedesprit)

Diese Floskeln sind  ausgeleiert, klar! Doch beschreiben sie nun einmal noch immer das, was einen echten Familienunternehmer ausmacht: viel Herzblut reinstecken. Oder: im Schweiße seines Angesichts etwas aufbauen. Noch pathetischer? Sich für das eigene Familienunternehmen aufreiben. 

Durch harte Arbeit hat schon manch Unternehmer seine Hinterhof-Schrauberbude zum Millio­nen Euro schweren Vorzeigeunternehmen mit hunderten, ja tausenden Mitarbeitern gemacht. Sich davon zu trennen, die Verantwortung in jüngere Hände zu legen, fällt schwer, wenn kein geeigneter Nachfolger in Sicht ist. In der Präzisionswerkzeug-Branche gibt es nicht nur einen Fachkräftemangel, sondern bald auch einen Arbeitgebermangel. 

"Unternehmensnachfolge in der Breite nach wie vor ungelöst"

„Für die Werkzeugbaubranche ist das Thema Unternehmensnachfolge in der Breite nach wie vor ungelöst“, sagte Marco Schülken, Vorsitzender VDMA Werkzeugbau, auf der Jahrespressekonferenz des Verbands Anfang dieses Jahres.

Dr. Dietrich Birk, Geschäftsführer des VDMA Baden-Württemberg, bestätigt gegenüber ‚Produktion‘: „Das ist natürlich ein Dauerbrenner-Thema, da die Unternehmensnachfolge für jedes Unternehmen eine besondere Herausforderung und auch einen Einschnitt darstellt. Das Thema Unternehmensnachfolge wird entlang unterschiedlicher Facetten im VDMA diskutiert, so zum Beispiel im Rahmen des branchenübergreifenden Erfahrungsaustausches von geschäftsführenden Gesellschaftern.“

Laut Birk wird die Unternehmensnachfolge meist innerhalb der Eigentümerfamilie geregelt: „Wir haben dazu keine konkreten Zahlen des Maschinenbaus. Mein Eindruck ist aber, dass die meisten inhabergeführten Unternehmen in der Familie bleiben.“

Für viele geschäftsführende Gesellschafter stelle sich neben der Frage, wer ihnen nachfolgen soll, die Frage des richtigen Zeitpunkts, die nächste Familiengeneration als Gesellschafter und gegebenenfalls auch in das Management des ­Unternehmens einzubeziehen. „Dabei geht es nicht nur um den Wechsel als solchen, sondern wann man damit beginnt, die nächste Generation an das Thema heranzuführen und wie man sie darauf gut vorbereitet“, so Birk. 

"Da hilft uns der direkte Zugang zu Familienunternehmen"

Der VDMA versucht, Unternehmer bei der Regelung der Nachfolge zu begleiten, unterstützt mit entsprechenden Service-, Beratungs- und Austauschangeboten. Der Verband ist auch beim Match­ing behilflich, wenn Familienunternehmen, die vor der Nachfolge stehen, sich mit ähnlich gelagerten Fällen, die diesen Prozess an­gestoßen oder bereits abgeschlossen haben, austauschen können. Birk: „Da hilft uns der direkte Zugang zu Familienunternehmen, die solche Situationen schon erfolgreich gemeistert haben.“

Ein Beispiel für eine  durchdachte Unternehmensnachfolge ist die Paul Horn GmbH. Beim Tübinger Präzisionswerkzeughersteller hat Markus Horn Ende März 2018 als neuer Geschäftsführer der Hartmetall-Werkzeugfabrik weitere Verantwortung übernommen. Gemeinsam mit seinem Vater ­Lothar Horn steuert er die Geschäfte des Familienunternehmens aus Tübingen. 

Markus Horn ist seit Januar 2017 im Betrieb der Familie aktiv, zuletzt als Mitglied der Geschäftsleitung und Leiter der Abteilung IT. Der 36-jährige führt damit das Familienunternehmen in dritter Generation weiter, zunächst zusammen mit seinem Vater Lothar Horn.

„Unsere bewährten Eckpfeiler und Erfolgsfaktoren bestimmen unser Handeln und Wirken auch zukünftig“, betont Markus Horn. „Dazu gehört es, die gesamte Wertschöpfungskette vom Pulver bis zum beschichteten Werkzeug weiterhin im eigenen Betrieb zu haben. Ebenso stehen die hohe Wertschätzung unserer Mitarbeiter sowie unser starker Fokus auf Kundenanforderungen, Technologie und weltweites Wachstum im Zentrum der Unternehmensphilosophie.“ 

Das rät der VDMA

„Am wichtigsten ist es, sich frühzeitig mit diesem Thema zu beschäftigen. Unsere Erfahrung ist: Wenn ein solcher Prozess zu spät angeleitet wird, dann kann das zu Lasten des Unternehmens und auch zu Spannungen zwischen allen Beteiligten führen“, rät Dr. Dietrich Birk, Geschäftsführer des VDMA Baden-Württemberg. „Insofern ist es richtig, sich frühzeitig mit dem Gedanken zu beschäftigen.“

Verantwortungsbewusstes unternehmerisches Handeln bedeutet in diesem Zusammenhang, schrittweises Vorgehen nach einem Mehrphasen-Plan möglichst ohne Zeitdruck und unter Einbeziehung der unterschiedlichen Interessen, gerade auch der nachfolgenden Generation. Außerdem ist es durchaus angezeigt, externe Experten sowie Ratgeber seines Vertrauens einzubeziehen. Wichtig ist, dass das Ganze in einem diskreten Rahmen abläuft. Denn eine Unternehmensübergabe kann man nicht auf dem offenen Markt planen.

"Erfolgsgeschichte geht weiter"

Lothar Horn sieht in der kommenden Generation die Zukunft des Unternehmens. Zu wissen, dass das Unternehmen unter der Leitung seines Sohnes weiterhin ein Familienbetrieb bleibt, sei ihm wichtig. „Ich bin überzeugt, dass die Erfolgsgeschichte der Paul Horn GmbH unter der Leitung meines Sohnes Markus weitergeht – mit gleichen Grundwerten aber auch mit neuen Ansätzen“, so der langjährige Geschäftsführer.

Auch der Frequenzumrichter-Hersteller BMR aus dem fränkischen Schwabach arbeitet am Generationenwechsel. Geschäftsführerin Susanne Brittling bereitet derzeit ihren Sohn darauf vor, das mittelständische Unternehmen eines Tages als Chef zu führen. Sie sagt: „Man kann nicht davon ausgehen, dass jemand, nur weil der Sohn ist, automatisch geeignet ist, ein Unternehmen zu führen. Respekt und Anerkennung innerhalb der Firma muss im Wesentlichen über die fachliche Ebene erarbeitet werden.“ 

Bei Brittlings Sohn war der Wunsch da, die Unternehmensnachfolge anzutreten. Nachdem er bereits seine Lehre in der Firma absolviert hat, bereitet er sich nun seit drei Jahren aktiv darauf vor. „Hätte unser Sohn gesagt ‚Nein, mir ist das zu viel‘, hätten wir auch das akzeptiert. Dann hätten wir eine andere Lösung suchen müssen. Schließlich kann man niemanden in die Rolle eines Firmenlenkers hineinzwingen“, so die BMR-Chefin.

Von langer Hand geplant war die Unternehmensübergabe bei BMR nicht. Das müsse einfach wachsen. Auch die Verantwortung, die der Nachfolger trägt, müsse peu à peu größer werden. „Natürlich muss ich dann auch zugestehen, dass Fehler passieren dürfen“, bekennt Brittling. So wird auch bei BMR alles in der Familie bleiben. Die Nachfolge ist geregelt.

BMR-Chefin Brittling: "Dann muss die Firma irgendwie weiterlaufen"

Susanne Brittling BMR

Frau Brittling, wie wichtig erachten Sie das Thema Unternehmensnachfolge?
Wenn man eine Firma aufgebaut hat und viel Herzblut da rein gesteckt hat, ist es ein absolut wichtiges Thema. Ich kann keine Firma aufbauen und dann einfach das Unternehmen verlassen nach dem Motto ‚nach mir die Sintflut‘. Es ist ja nicht nur so, dass man irgendwann in den Ruhestand geht, man kann auch krankheitsbedingt kurzfristig aus der Firma ausscheiden. Und auch dann muss die Firma irgendwie weiterlaufen. Schließlich hat man das eigene ­Unternehmen wie ein Kind großgezogen. Man hatte oft keinen Feierabend, kein Wochenende, man hat ganz viel selber gemacht, um pünktlich liefern zu können. Man hat auch eine große Verantwortung gegenüber den eigenen Mitarbeitern. Auch deren berufliche Zukunft muss gesichert sein. Das sehe ich als Aufgabe der Firmenleitung.

Gab es bei Ihnen jemals die Überlegung, einen ­externen Geschäftsführer zu engagieren?
Die Umsetzung ist in unserer speziellen Struktur schwer, da wir ein sehr kleines Unternehmen sind. Der enge Austausch mit unseren eigenen Mitarbeitern ist sehr intensiv. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass ein externer Geschäftsführer, dass so in dieser Form fortführen könnte. Er würde sich schwer tun, sich in dieser gewachsenen Struktur zurecht­zufinden.

Der Aufbau und die Leitung einer Firma kann man durchaus als Lebenswerk bezeichnen. Wie schwierig ist es, sich davon zu trennen?
Ganz egal, ob Angestellter oder Firmeninhaber: Wenn man an seiner Arbeit hängt, ist es schwierig loszulassen. Man wird garantiert nie die Firma ganz loslassen können. Man wird sich immer dafür interessieren, wie es weitergeht. Und ich werde mich auch freuen, wenn ich um Rat gefragt werde. Gleichwohl ist es wichtig, Abstand zu nehmen, sobald der Nachfolger übernommen hat. Sonst kann auch ganz schnell Unruhe ins Unternehmen kommen.

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