Mensch-Roboter-Kollaboration mit einem Cobot von Universal Robots bei BMW im Werk Dingolfing.

Cobots arbeiten in der Regel ohne Schutzzaun in Bereichen, wo sich auch ihre menschlichen Kollegen aufhalten. Eine direkte Zusammenarbeit ist jedoch eher selten. BMW nutzt Cobots zum Beispiel in der Montage im Werk in Dingolfing. (Bild: BMW)

Den ersten Cobot entwickelt hat der Roboterhersteller Kuka gemeinsam mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt für Anwendungen in der industriellen Produktion. Das war im Jahr 2004 und es handelte sich um einen Vorgänger des heutigen LBR iiwa.

Zum Durchbruch verholfen hat den Leichtbaurobotern jedoch das dänische Start-up Universal Robots. Das war 2008 als die Dänen den UR5 launchten. Mehr über die Erfolgsstory der Cobot-Pioniere lesen Sie hier. Doch nun zurück zum Thema.

Was ist ein Cobot und warum sind kollaborative Roboter beliebt?

Als Cobot bezeichnet man Roboter, die ohne Schutzzaun direkt mit menschlichen Kollegen arbeiten dürfen. Gegenüber großen Industrierobotern haben sie laut Torsten Woyke, Geschäfstführer des Distributors i-Botics ein paar Vorteile: "Sie sind leicht, lassen sich transportieren und können so auch flexibel eingesetzt werden."

Weiterhin könnten Cobots fühlen und in Kombination mit Kameras auch sehen. Sie sparten Platz, da kein Schutzzaun mehr notwendig ist. Auch die zugehörige Infrastruktur werde kompakter. Das größte Plus ist aber laut Woyke ihre einfache Programmierung.

Damit diese Programmierung noch schneller funktioniert, gibt es unterschiedliche Ansätze. An der 'Technischen Hochschule Nürnberg' läuft zum Beispiel ein Projekt, bei dem mit Hilfe von Virtual Reality und einem Motion-Capturing-Studio in Zukunft Roboter offline programmiert werden sollen. Wie Wissenschaftler Christian Deuerlein erklärt, könne das zum Beispiel die Programmierung beim Schweißen mit dem Cobot vereinfachen.

Die International Federation of Robotics (IFR) spricht immer dann von Cobots, wenn die Roboter gemäß der ISO 10218-1 für den kollaborativen Einsatz designt sind. In der zugehörigen ISO TS 15066 sind auch Richtwerte für die maximale Geschwindigkeit sowie biomechanische Grenzwerte für den Zusammenstoß zwischen Mensch und kollaborierendem Roboter enthalten.

"Es sollte betont werden, dass Cobots üblicherweise nicht als Ersatz für traditionelle Industrieroboter in etablierten Prozessen eingesetzt werden", erklärt Dr. Susanne Bieller von der IFR. Mit Cobots ließen sich stattdessen neue Märkte und neue Applikationen erschließen. Damit seien sie von enormer Bedeutung für die weitere Entwicklung des Marktes.

Torsten Woyke ist Geschäftsführer des Robotik-Distributors i-Botics.
Cobots sind leicht, lassen sich transportieren und können so auch flexibel eingesetzt werden. Genau darin sieht Torsten Woyke, Geschäftsführer des Robotik-Distirbutors i-Botics ihre Vorteile gegenüber Industrierobotern. - (Bild: i-Botics)

In welchen Anwendungen spielen Cobots ihre Stärken aus?

In den vergangenen Jahren hat sich für Woyke von i-Botics - der unter anderem die Produkte von Universal Robots vertreibt - gezeigt, dass nur rund zwei Prozent aller Cobots in kollaborierenden Applikationen installiert sind. Von einer kollaborierenden Applikation spricht man, wenn sich der Arbeitsraum von Mensch und Roboter zu 100 Prozent überschneiden, sprich Mensch und Roboter in einem gemeinsamen Arbeitsraum ihre Tätigkeit ausüben. Das sei zum Beispiel der Fall, wenn der Mensch ein Teil bearbeitet während der Roboter es auf einer bestimmten Position hält.

Die meisten Cobots arbeiten Woykes Erfahrung nach in Koexistenz zum Menschen und unterstützen den Arbeiter, sodass sich der Output innerhalb der Applikation durch Einsatz eines Cobots um bis zu 50 Prozent erhöht. "Dabei eignen sie sich genauso für einfache wie auch für komplexe Aufgaben", berichtet Woyke.

Die häufigste Cobot-Anwendung ist nach wie vor das Be- und Entladen von Maschinen, ist sich der Robotik-Experte sicher. Auch in der Montage kämen viele Cobots zum Einsatz. Hier unterstützen sie oft auch beim Kommissionieren der richtigen Teile. "Das erhöht direkt die Qualität", sagt Woyke. Denn ein Roboter greife nicht in die falsche Kiste und reiche dadurch ein falsches Teil. Einem menschlichen Arbeiter könne das passieren.

Bei Schaeffler sind bereits MRK-Applikationen in der Produktion in Betrieb. Das berichtete ein Mitarbeiter des Automobilzulieferers in seinem Vortrag auf der Fachtagung 'Innovativer Robotereinsatz in der industriellen Praxis' an der Technischen Hochschule in Nürnberg.

Ein Beispiel ist die Zuführung von Sensordeckeln für Thermo-Managementsysteme. Ein Universal Robot führt dabei kamerabasiert die Deckel zu. Es handelt sich um eine Ko-Existenz, denn der kollaborative Roboter ist durch ein Lichtgitter gesichert.

Eine weitere Anwendung ohne Schutzzaun findet sich bei Schaeffler zum Abgreifen und Messen von Gehäusen für hydraulische Abstützelemente. Die Teile kommen in dieser Applikation aus der Schleifmaschine und jedes 100. Teil muss gepickt und für Qualitätszwecke ausgemessen werden. Der Messwert wird dann an die Schleifmaschine zurückgespeist.

Hier arbeitet ein UR3 aus der e-Series von Universal Robots im kooperierender Betrieb. Damit das möglich ist, hat Schaeffler die notwendigen biomechanische Messungen durchgeführt und scharfe Kanten in der gesamten MRK-Applikation vermieden.

Ein weiterer Bereich ist das Schweißen. Derzeit gibt es Distributor Woyke zufolge eine große Nachfrage im Bereich 'Schweißen mit dem Cobot'. "Das boomt regelrecht, da es genauer funktioniert als manuelles Schweißen und zudem nicht von der Tagesform des Schweißers abhängt", erklärt der i-Botics Geschäftsführer.

Kollaborativer Roboter bzw. Cobot, Modell TM20 von Omron vor grauem Hintergrund
Der TM20 von Omron kann bis zu 20 Kilogramm Nutzlast bewegen und ist als Cobot konzipiert. (Bild: Omron)

Welche Herausforderungen gibt es beim Einsatz von Cobots?

Aufgrund der Regeln in der für die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) geltenden technischen Spezifikation ISO TS 15066 dürfen sich Cobots nicht mit voller Geschwindigkeit bewegen. Das bestätigte auch Uwe Wachter vom Automobilzulieferer ZF auf der Fachtagung 'Innovativer Robotereinsatz in der industriellen Praxis' in Nürnberg.

"Die Herausforderung beim Thema Mensch-Roboter-Kollaboration ist und bleibt die Geschwindigkeit, denn eine richtige Kollaboration erhöht immer die Taktzeit", erläutert der Leiter des 'Production Tech Center Robotic and Vision'. Derzeitige MRK-Anwendungen beinhalten daher bei ZF nur wenig Interaktion zwischen Werker und Cobot.

Die Gründe seien eine mangelnde Intelligenz der Cobot-Systeme und Sicherheitsvorgaben. Bei 95 Prozent aller Cobot-Anwendungen im ZF-Konzern arbeiten Mensch und Roboter laut Wachter synchron. Das heißt, sie haben zwar einen gemeinsamen Arbeitsraum, es gibt aber in der Regel keinerlei beziehungsweise sehr wenig Interaktion.

Bei fünf Prozent aller Cobot-Anwendungen im ZF-Konzern kooperieren Mensch und Roboter. Eine Kollaboration – bei der Mensch und Roboter zur selben Zeit am selben Produkt arbeiten – gebe es aktuell im Konzern in der Serienfertigung nicht. In den meisten Fällen werden Cobots für Pick-and-Place-Aufgaben sowie für das Palettieren genutzt, verrät Wachter.

Welche Bedeutung haben Cobots am Markt für Industrieroboter?

Die Zahl der Cobots steigt schneller als die Anzahl der traditionellen Industrieroboter: Von 2020 auf 2022 erhöhte sich die Zahl der Cobots um 50 Prozent auf 39.000 Einheiten. Den Industrierobotern nehmen Cobots dabei keinen Marktanteil weg. Die Zahl der traditionellen Industrieroboter nahm im gleichen Zeitraum ebenfalls zu, wenn auch weniger stark; sie stieg von 368.000 auf 478.000 Einheiten.

Der Anteil der Cobots änderte sich damit im Vergleich zum Vorjahr von 7,1 auf 8,2 Prozent (Stand Oktober 2022). Dennoch bleiben viele Bereiche, in denen Cobots klassische Industrieroboter nicht ersetzen können. Denn da komme es auf Präzision, Wiederholgenauigkeit, Geschwindigkeit und Nutzlast an. Die Zahl der Roboter insgesamt stieg von 394.000 Einheiten auf 517.000 Einheiten. Das entspricht einer Zunahme von 31 Prozent.

Wie wird sich der Cobot-Markt in den nächsten Jahren entwickeln?

Die IFR blickt zuversichtlich in die Zukunft. Der Verband geht in einer Prognose für die Jahre 2022 bis 2025 davon aus, dass die Zahl der neu installierten Roboter jedes Jahr um sieben bis zehn Prozent steigen wird.

Es gibt jedoch laut der IFR auch Herausforderungen: die hohe Inflation in Amerika und Europa, die restriktivere Geldpolitik und die Abschwächung der chinesischen Wirtschaft. Zudem sorgen geopolitische Spannungen für Unsicherheit und die Nachwirkungen der Covid-19-Pandemie sind in einigen Bereichen noch zu spüren, beispielsweise durch lokal unterbrochene Lieferketten.

Auf dem Markt für Roboter sieht der Verband drei große Trends:

  1. Rückverlagerung der Produktion, um Lieferketten zu stabilisieren
  2. Demokratisierung von Robotern: Low-cost-Robotik, einfachere Installation und neue Vertriebswege erschließen neue Anwendungsbereiche.
  3. Individualisierte Produkte und digitalisierte Produktion

Fortschritte in der Technik erwartet der Verband vor allem in folgenden Bereichen:

  • Nachhaltigkeit: Geringerer CO2-Fußabdruck in der Produktion, Einsatz erneuerbarer Energien
  • Schlüsseltechnologien: bessere Sensorik und Technik für das räumliche Vorstellungsvermögen, neue Software und Endeffektkoren für ein breiteres Aufgabenspektrum, KI-Anwendungen
  • Mensch-Roboter-Kollaboration: Ausweitung der Produktpalette mit Modellen für mehr Nutzlast und Reichweite, mehr Benutzerfreundlichkeit, leichtere Bereitstellung

Cobots von Universal Robots - dirigiert durch Sensoren von Sick

Sensorik bremst den Cobot bei der Zusammenarbeit mit dem Menschen aus, wenn es sein muss

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