Karl Haeusgen

VDMA-Präsident Karl Haeusgen wird auch auf dem Maschinenbau-Gipfel sein. (Bild: VDMA)

Herr Haeusgen, in Berlin trifft sich im Herbst wieder die Maschinenbau-Welt zu ihrem Spitzen-Event, dem deutschen Maschinenbau Gipfel. Dieses Mal ist auch Bundeswirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck mit dabei. Was wollen Sie ihm bis dahin gern mit auf den Weg geben?

Karl Haeusgen: Zunächst würden wir uns als VDMA, aber auch die anderen Wirtschaftsverbände freuen, wenn die sehr gute Zusammenarbeit, der ausgezeichnete Dialog, der sich zwischen Ministerium und Wirtschaft etabliert hat, so fortgeführt wird bei den dringenden Themen, die anliegen. Eines dieser dringenden Themen ist sicherlich die sachgerechte und handhabbare Verteilung bei Gas-Knappheit. Das ist ein Thema, was wir in den nächsten Wochen und Monaten detaillieren müssen. Ganz, ganz wichtig ist, wir werden mit dem Klimaschutz nur vorankommen, wenn die Genehmigungs- und Planungsverfahren dramatisch verkürzt werden. Die Politik ist dran, aber geliefert ist noch nicht.

Sie haben das Thema Gas schon angesprochen. Wie ist die Situation aktuell im Maschinen- und Anlagenbau bezüglich der Gasversorgung und was machen die Unternehmen mit Blick auf den Herbst?

Haeusgen: Wenn wir auf die primären Effekte, also auf die unmittelbare Betroffenheit der Maschinenbauunternehmen durch Gaslieferungen schauen, dann glaube ich, ist die Situation handhabbar. Ganz viele Unternehmen stellen ihre Prozesse bereits um auf alternative Möglichkeiten, um durch den Winter zu kommen. Sehr viel schwerer abzuschätzen sind die sekundären Effekte. Was passiert, wenn Zulieferketten nicht mehr funktionieren, weil im Zulieferbereich Unternehmen aufgrund von Gas-Knappheit nicht mehr arbeiten können? Dort befürchten wir ernsthafte Konsequenzen.

Deutscher Maschinenbau-Gipfel 2022
(Bild: mi-connect)

Deutscher Maschinenbau-Gipfel

Der Maschinenbau-Gipfel 2023 ist vorbei - hier können Sie die Highlights Revue passieren lassen:

 

Die Veranstalter des Maschinenbau-Gipfels, VDMA und PRODUKTION freuen sich, wenn Sie auch 2025 in Berlin dabei sind!

 

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Nun ist es ja so, dass manche schon argumentieren, man könnte jetzt den Klimaschutz mal eine Weile aussetzen oder wieder hintenanstellen, weil das Thema Energieversorgung insgesamt so wichtig und so drängend wird, dass andere Ziele zurückstecken müssen. Ist das ein richtiger Gedanke?

Haeusgen: Mir scheint, wer so argumentiert, der hat den Schuss beim Thema Klima noch nicht laut genug gehört. Zum anderen ist es gleichzeitig so, dass der Krieg, den Putin angezettelt hat, meiner Ansicht nach ein Transformation-Beschleuniger und kein Transformation-Verlangsamer sein wird. Der Wechsel weg von fossilen Rohstoffen zu anderen Energieformen wird dadurch beschleunigt und nicht verzögert. Die Unabhängigkeit von fossilen Ressourcen wird sehr viel schneller gehen. Wasserstoff-Strategien, Elektromobilität, all dies beschleunigt sich. Insofern bin ich zuversichtlich, dass Klimaschutz durch den Krieg nicht verliert, sondern gewinnt.

Und für den Maschinen- und Anlagenbau heißt das?

Haeusgen: Für den Maschinen- und Anlagenbau heißt das, wir stellen die Technologien zur Verfügung. Ich sehe das in der Summe der Risiken und Chancen als eine größere Chance wie als Risiko. Wir haben die Technologien, unabhängig welcher Technologiepfad gegangen wird. Wir hoffen und wir setzen und wir fordern eine technologieoffene Entwicklung, die sich im Wettbewerb entwickelt. Dafür haben wir die Komponenten, die Maschinen und die Anlagen.

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Als Risiko gesehen wird zunehmend auch die Stellung Europas im Weltgeschehen. Auf dem Maschinenbau-Gipfel wird ganz sicher über die Stellung in der Triade diskutiert. Was ist Ihre Haltung in diesem Fall?

Haeusgen: Grundsätzlich scheint mir, können wir in Europa, können wir mit der EU gelassen und selbstbewusst sein. Es gibt keinen anderen Wirtschaftsraum dieser Stärke. Wenn wir zum einen die Anzahl der Einwohner sehen und zum anderen die Kaufkraft und das jeweilige Einkommen, da sind wir konkurrenzlos, da liegen wir vorne. Wenn wir diese Position selbstbewusst und in einem marktwirtschaftlichen Geist nutzen, dann ist mir um die EU nicht bange.

Ich sage bewusst in einem marktwirtschaftlichen Geist, weil wir derzeit eine Regulierungs-Intensität sehen auf EU-Ebene, die mir durchaus Sorgen macht. Es geht darum, die richtige Balance zu finden zwischen einer freien marktwirtschaftlichen Entwicklung einerseits und einer regulierenden Klima- und Industriepolitik andererseits. Das Pendel in der EU ist derzeit zu weit bei der Industrie und Klimapolitik.

Zu einer marktwirtschaftlichen Entwicklung gehören eigentlich auch Freihandelsabkommen. Ceta scheint mittlerweile nach langer Zeit endlich auf einem guten Weg zu sein. Haben Sie denn noch Hoffnung, dass es sogar zu einem transatlantischen Freihandelsabkommen kommen könnte?

Haeusgen: Ja, erstaunlich, Ceta kommt tatsächlich noch durch. Auch hier hilft uns Putin. Putin ist Ceta-Beschleuniger, weil ich glaube, es ist vielen im Europäischen Parlament, aber auch hier in Deutschland wieder klar geworden, wie wichtig es ist, autokratischen Gesellschafts- und Wirtschaftssystemen Freihandel entgegenzusetzen. Deswegen wird Ceta ratifiziert, was vor dem Putin-Krieg auch durchaus nicht wahrscheinlich war.

Wenn wir nun auf die Gespräche mit den USA blicken, dann glaube ich, dass mit den TTC-Gesprächen ein guter Start gemacht wurde. Man fokussiert sich insbesondere auf technische Handelshemmnisse, die im Übrigen für unsere Branche ja mit die wichtigsten sind. Also wenn wir diese mindern oder beseitigen könnten, wäre für unsere Branche viel geschafft. Noch besser wäre natürlich ein umfassendes Freihandelsabkommen, wobei man mit dem Begriff umfassend vorsichtig sein muss. Wir dürfen Freihandels-Gespräche nicht so überlasten mit anderen nicht handelsspezifischen Themen, wie das bei TTIP der Fall wird, sonst sind sie gesellschaftlich nicht durchsetzbar.

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Die amerikanische Botschafterin Amy Gutmann wird ebenfalls auf dem Maschinenbau-Gipfel zu hören sein. Welche Botschaft werden Sie ihr mitbringen und was würden Sie sich von ihr erhoffen?

Haeusgen: Es ist natürlich kein Zufall, dass wir Botschafterin Gutmann auf den Maschinenbau-Gipfel eingeladen haben. Und wir freuen uns, dass sie schnell und spontan zugesagt hat. Die transatlantische Kooperation, auch das wiederum ein Putin-Effekt, erlebt ja eine unglaubliche Renaissance. Wer hätte vor einem oder vor eineinhalb Jahren gedacht, dass die Nato wieder die Bedeutung einnimmt, die sie einnimmt? Wer hätte gedacht, dass die EU, die Bundesregierung und die amerikanische Administration so eng und so fruchtbar kooperieren, wie sie es im Augenblick tun?

Und wir sehen, welchen gewaltigen Nutzen das mit sich bringt. Ich glaube, insbesondere wenn wir auf ein mögliches Decoupling oder auf eine mögliche Blockbildung schauen, dann gibt es kaum etwas, was wichtiger ist als die transatlantische Kooperation. Und ich bin gespannt, was Frau Gutmann dazu zu sagen hat. Denn wir sehen ja auf der anderen Seite leider auch in Amerika viele protektionistische Reflexe.

Ein Grund, warum Europa und Amerika sich wieder angenähert haben, ist die Entwicklung Chinas. China wird zunehmend zu einem systemischen Wettbewerber. China spielt auf dem Weltmarkt nach eigenen Regeln. Wie müssen sich deutsche und europäische Maschinen- und Anlagenbauer, die ja auch von China leben, sich auf diese Situation einstellen?

Haeusgen: Ohne Zweifel ist die Frage, wie wir strategisch mit China als Partner und als Wettbewerber umgehen, eine der entscheidenden Fragen, die unsere Branche in den nächsten Jahren beschäftigen wird. Es ist ja auch wichtig zu wissen, weil wir so hypnotisiert fast zurzeit auf Russland schauen, dass Russland für den Maschinenbau als Markt vernachlässigbar ist. China ist dagegen für den Maschinenbau einer der größten Märkte. Gleichzeitig ist allerdings die EU auch einer der größten Märkte für chinesische Unternehmen. Es ist also durchaus eine gegenseitige Abhängigkeit.

Ja, China ist ein Wettbewerber. Ein Wettbewerber für Technologien und Produkte, aber auch ein Wettbewerber im politischen und im wirtschaftlichen System. Meines Erachtens ist die richtige Antwort auf politischer Ebene zunächst einmal das Vertrauen in die eigene Stärke. Die eigene Stärke eines großen Binnenmarktes und die eigene Stärke einer liberalen Marktwirtschaft in einem demokratischen Gesellschaftssystem.

Wir sollten allerdings China nicht mit Naivität begegnen, sondern wir sollten eine Konkurrenz ohne falsche Rücksichtnahme pflegen. Das heißt für Maschinenbauer auch, Klumpenrisiken genau zu analysieren und sich zu überlegen, wie diese Klumpenrisiken gemindert werden können.

Wenn wir die Marktanteile des Maschinenbaus in anderen Ländern anschauen, USA ist ja ein Beispiel, aber auch Japan und Indien, dann gibt es durchaus andere Weltregionen, in denen Kompensationsmöglichkeiten für ein möglicherweise rückgängiges China-Geschäft geschaffen werden können. Diese Hausaufgabe muss jedes Unternehmen erledigen.

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Container mit chinesischer Flagge darauf
(Bild: Destina - stock.adobe.com)

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Neben all den weltpolitischen Themen wird auf dem Maschinenbau-Gipfel natürlich auch viel über den Shopfloor geredet, über neue Geschäftsmodelle, Konzepte der Digitalisierung. Welche dieser Diskussionen erwarten Sie, vielleicht auch mit Blick auf das eigene Unternehmen, mit der größten Neugier?

Haeusgen: Ja, als Aufsichtsrat von Hawe Hydraulik freue ich mich natürlich über Automatisierung und Digitalisierung. Die Hydraulik als eine Technologie zur präzisen Übertragung hoher Kräfte ist eigentlich eine der technologischen Säulen von Automatisierung. Insgesamt gilt aber, dass ganz, ganz viele, fast alle Fachbereiche des Maschinenbaus, auf das Thema Automatisierung und Digitalisierung einzahlen. Der Maschinenbau ist ideal aufgestellt, um eine nachhaltige, eine energieeffiziente, eine produktive und eine skalierbare Produktion der Zukunft sicherzustellen.

Und all das erleben wir am 11. und 12. Oktober in Berlin auf dem Maschinenbau-Gipfel.

Haeusgen: All das und vieles mehr werden Sie erleben und Sie werden besonders viele nette Menschen treffen.

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