„Machine Learning ist wie Data Mining in erster Linie Statistik“, erläutert Peter Seeberg, Business Development Manager bei der Softing Industrial Automation GmbH. Weil hier mit Neuronalen Netzen und Deep Learning gearbeitet wird, gehört das Machine Learning zu dem, was als Narrow AI (Artificial Intelligence) bezeichnet wird – im Gegensatz zur General AI.
„Wenn wir Künstliche Intelligenz sagen, meinen wir derzeit Machine Learning: Deshalb brauchen Sie keine Angst davor haben“, so Seeberg. Ganz sicher ist sich der Experte, dass Machine Learning für Unternehmen der einzige Weg ist, auch in fünf bis zehn Jahren noch erfolgreich zu bleiben.
„Big Data ist der Grund dafür, dass KI jetzt einsatzfähig ist“, sagt André Rauschert, Head of Digital Business Processes, Fraunhofer-Allianz Big Data und AI. Erst die Fähigkeit, Analysen auf großen Datenmengen zu rechnen, habe die Grundlage für den Sprung bei der Künstlichen Intelligenz ermöglicht.
Ganz einfach sind Machine-Learning-Projekte sicherlich nicht: „Für das Verstehen und Vorbereiten der Daten braucht man die meiste Projektzeit, mindestens 70 Prozent“, berichtet Rauschert. Die Daten müssten bereinigt, gesäubert und miteinander verschnitten werden, um Fehler zu eliminieren. So könne es bis zu einem ersten Minimal Viable Product durchschnittlich schon 1,5 Jahre dauern. Besonders wichtig sei dabei, im Unternehmen auch agile Methoden umzusetzen. Neue Technologien, kombiniert mit alter Organisation, stehen automatisch für teure Organisation, meint Rauschert.
"Es gibt keine fertigen Lösungen"
Bei Machine Learning müssten Unternehmen gut überlegen, ob sie in den Vendor Lock-in der großen Cloud Provider gehen, die ihre Ökosysteme immer weiter ausbauen. Klar ist laut Rauschert: „Man wird immer sehr viel selber tun müssen. Es gibt keine fertigen Lösungen“.
Innovation könne man nur im eigenen Ökosystem umsetzen. Das Wissen und die Daten auszulagern, bedeute auch zugleich, die eigene Innovationsfähigkeit auszulagern. Rauschert empfiehlt, Geschäftsgeheimnisse wie das Wissen aus den Daten nicht in der Cloud abzulegen. Die Datenmengen selbst könnten jedoch ohne Verknüpfung mit den Ergebnissen durchaus in der Cloud gelagert werden – am besten in einem europäischen Rechenzentrum.
Der entscheidende Vorteil des Machinenlernens liege darin, dass der Rechner nun flexibel mit einer Situation umgehen kann, nicht alles vorher programmiert werden muss, meint Dr. Zbigniew Jerzak, Head of Deep Learning Center of Excellence bei SAP. Machine Learning sei eben kein Produkt, sondern eine Technologie, sagt Jerzak: „Die Crux liegt darin, einen Business Case zu finden, in dem diese Technologie etwas liefert, das vorher nicht möglich war und genug Mehrwert bringt“.
Das sei keineswegs eine triviale Suche. Als Schlussfolgerung hat man bei SAP erkannt, dass sich vor allem die Business Cases für Machine Learning dort lohnen, wo sich das Problem der Skalierung stellt – wo also für die Lösung eines Problems erheblicher Aufwand und menschliche Arbeit nötig ist. Das gilt zum Beispiel bei der automatisierten Rechnungserkennung.
Die einzelnen Daten aus einer Rechnung zu ziehen, war bisher schwierig mit Regeln zu automatisieren, zu unterschiedlich sind die Formate von Eingangsrechnungen. Hier helfen Bilderkennung und ML, damit die Maschine selbst aus vielen angeschauten Vorlagen lernen kann. Jerzek rät, nicht die Geduld zu verlieren, das Thema verlange kontinuierlichen Invest, sechs Monate reichten da definitiv nicht aus.
Viele Anwendungsmöglichkeiten im Maschinenbau
Die meisten Experten sehen genügend Anwendungsmöglichkeiten für den Maschinen- und Anlagenbau. An erster Stelle stehen dabei Erkenntnisse rund um die Maschinen, den optimierten Werkzeugwechsel und die Fähigkeit, mit geringerem Invest mehr Produkte aus einer Maschine herauszubekommen.
In der Warenlogistik lassen sich Wegzeiten besser analysieren und auf dieser Basis Abläufe verbessern. Auch in neuen Geschäftsmodellen, wo beispielsweise nicht mehr die Maschine, sondern ein Output im Vordergrund steht, ist Machine Learning essentiell.
Die ungleich größeren Investitionen, die speziell in China in den KI-Bereich investiert werden, geben angesichts der langsameren Entwicklung in Europa Anlass zur Sorge. Die ML-Experten sind dennoch der Meinung, dass vor allem die Industrie hier gute Karten hat. „Wir haben im Konsumentenbereich ein bissel geschlafen, aber bei B2B sind wir nicht zu spät. Allerdings müssen wir jetzt anfangen und selbst als Maschinenbauer diese Technologie in die Hände nehmen und der Welt zeigen, was man damit machen kann“, sagt Seeberg.
Automatisierungsquote: Wo arbeiten die meisten Roboter?
Global betrachtet arbeiten im Schnitt 74 Roboter pro 10.000 Mitarbeiter in der Fertigungsindustrie. Das gab die International Federation of Robotics (IFR) in der jüngsten Statistik bekannt. Klicken Sie sich durch und sehen Sie, wie die Roboterdichte laut IFR weltweit verteilt ist.