Ziele: Führen mit Vorgaben
Ziele sind für Beate Schwarz das Wichtigste. Die Betriebswirtin ist Chefin des Logistik-Spezialisten DU: willkommen in der Umwelt aus Göppingen und damit für 190 Menschen verantwortlich. Sieben Kollegen, darunter ein Geschäftsführer sowie Prokuristen und Betriebsleiter bilden ihr Managementteam. "Ich führe mit einfachen Vorgaben", sagt Schwarz und liefert ein Beispiel: Dem Betriebsleiter der firmeneigenen PET-Recycling-Anlage gibt sie zwei Kennzahlen, mit denen er auf sein Jahresziel hinarbeiten kann: Zu 95 Prozent soll die Maschine, die im Dreischichtbetrieb läuft und Plastikflaschen zu PET-Flakes recycelt, ausgelastet sein. Und das bei einer von Schwarz vorgegebenen Jahresproduktionsmenge.
Zehn bis 15 solcher Großprojekte hält die Unternehmerin aus dem schwäbischen Göppingen am Laufen. Ähnlich einem Artisten, dem kein Ball runterfallen darf, jongliert sie diese „Bälle“. „Die Schwierigkeit für mich besteht darin, mich nur so viel einzumischen wie nötig – am besten gar nicht“, sagt Schwarz.
Das gelinge bei Projekten, die ihr keine so große Freude machen besser. Bei Aufgaben, die sie am liebsten selber erledigen würde, gelingt es ihr schlechter. Im Kern geht es aber beim Delegieren genau darum: „Meine Aufgabe als Geschäftsführerin ist es, den Überblick zu behalten, Risiken und Potentiale zu erkennen“, sagt sie. Aber eben nicht alles selber zu machen.
Strukturen schaffen
Doch delegieren oder das einfachere „Aufgaben abgeben“ will gelernt sein. Sonst wird der Job womöglich nicht im Sinne des Abgebers erledigt. Und das kann fatale Folgen haben, wie Rainer Brang weiß. Der Geschäftsführer von Hörbert-Hersteller Winzki aus Frickenhausen ist auf Nachhaltigkeit und Langlebigkeit spezialisiert.
„Als Gründer weiß ich, wie schwierig es ist Aufgaben abzugeben“, sagt der Erfinder des ersten MP3-Players aus Holz. Denn in einem Gründer schlügen drei Herzen: Das der Fachkraft, das des Managers und das des Unternehmers. Winzki wurde 2011 gegründet und startete als One-Man-Show. „Mir wurde schnell klar, dass es unmöglich ist alle Aufgaben allein zu bewältigen“, konstatiert Softwareentwickler Brang, der heute 18 Mitarbeiter beschäftigt.
Im Unternehmen muss jeder Handgriff sitzen und wie Zahnräder ineinander greifen. Das funktioniert allerdings nur dann, wenn Führungskräfte Kontrolle teilen. Mit zunehmender Größe wird es schwieriger, alle Gründerherzen zufrieden zu stellen. Denn Zeit ist begrenzt, Chefs müssen sich daher entscheiden: Fachkraft, Manager oder Unternehmer. Denn wer zu lange an allen drei Rollen festhält, blockiert das Firmenwachstum und hemmt Mitarbeiter daran, sich zu entfalten.
Organisation erstellen
Daher vertraut Hörbert-Chef Brang auf Ablaufpläne, Vorlagen und Arbeitsbeschreibungen. Übertragen in den Alltag bedeutet das: Möglichst exakte Informationen übergeben – am besten schriftlich. Nur dann seien einzelne Arbeitsschritte auch skalierbar.
Dem kann Beate Schwarz nur zustimmen. Bei DU: willkommen in der Umwelt sind alle Stellenbeschreibungen und Arbeitsanweisungen schriftlich verfasst und an die Kollegen übergeben. Das von der Chefin vorgelebte System adaptiere die zweite Managementebene und führt in diesem System die 190 Kollegen des Familienbetriebs. „Strukturen sind die Grundlage dafür, dass andere Aufgaben übernehmen können“, ergänzt Rainer Brang.
Wird die Abteilung oder der Betrieb größer, ist der nächste Schritt die Schaffung einer Organisation. Um Diskussionen vorzubeugen, hilft es, Verantwortung für einzelne Bereiche zu definieren und zuzuweisen: Wer organisiert das anstehende Kunden-Audit, wer kümmert sich um die Einkaufsverhandlungen oder wer leitetet das nächste Projekt? Je filigraner diese Pflichten gegliedert sind, desto weniger Nachfragen gibt es.
Regelt in einer Firma etwa die Organisation nur, wer für Vertrieb und Einkauf zuständig ist, bleibt unklar, um welche Regionen oder Materialien es geht. „Die Schaffung einer Organisation zwingt einen, diese Schnittstellen genau zu betrachten und zu definieren“, weiß Brang. Diese Klärungen im Detail wirken sich wiederum auf die Strukturen, also Arbeitsanweisungen und Vorlagen, aus.
Mitarbeiter sind die besseren Manager
In diesem Zusammenhang ist agiles Management, auch Selbstverwaltung genannt, ein modernes Organisationskonzept. Entscheidungen, die Produktion, Kundenbetreuung oder Versand angehen, treffen die jeweiligen Mitarbeiter eigenständig. „So verwandeln sich Managementaufgaben in Prozesse und ersetzen pyramidenförmige Hierarchien“, erklärt Brang.
Der Unternehmer fungiere dann nicht wie alle anderen Mitarbeiter, sondern als (Strategie-)Berater. Er beschäftigt sich nicht mit den Problemen von Morgen, sondern mit denen der nächsten Jahre. Eine Methode, die engagierte Mitarbeiter voraussetzt, genauso wie das Loslassen des Chefs.
Die Logik dahinter ist einfach: Niemand hat mehr Interesse an einer funktionierenden Geschäftsbeziehung, als diejenigen, die sich mit den Konsequenzen rumschlagen müssen. Der Unternehmer kommt nur ins Spiel, wenn Führungsfragen aufkommen oder neue Prozesse definiert werden müssen. Letztlich entscheiden also Mitarbeiter, wann und mit wem Gespräche notwendig sind.
Beate Schwarz verschafft das Delegieren mehr Freiraum um am – statt im – Unternehmen arbeiten zu können. „Operativ greife ich möglichst nur bei Kurskorrekturen ein“, verdeutlicht die Gesellschafterin. Wobei ein Steckenpferd will sie nicht delegieren: „Außendarstellung ist Chefsache“, so die engagierte Mutter zweier Kinder – da gibt es nichts zum Abgeben und Diskutieren.
Michael Sudahl
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