Claus Wilk und Stefan Weinzierl, die Chefredakteure der Fachzeitung "Produktion", blicken in ihrem aktuellen Webcast "Das Wochenendbier" über den Tellerrand der klassischen Industriemessen hinaus und diskutieren, was ihre Branche von der Gaming-Welt lernen kann. Stefan war auf der Gamescom in Köln – und wie sich schnell herausstellt, kann der Bogen zwischen Videospielen und Maschinenbau verblüffend spannend sein.
Die Gamescom zieht jedes Jahr Hunderttausende Besucher:innen an und erreicht online über 300 Millionen Menschen weltweit. Das sind Dimensionen, von denen viele Industrieevents nur träumen können. Während der klassische Messebesuch oft durch lange Tage in Anzügen und kühle Businessgespräche geprägt ist, tauchen auf der Gamescom Entwickler:innen, Fans und Unternehmen in eine Markenwelt ein, die intensiv und emotional erlebt wird. „Dieses Gesamterlebnis fehlt vielen Fachmessen noch“, meint Stefan und Clausk pflichtet bei: „In der Industrie könnten wir deutlich mehr Begeisterung erzeugen – es reicht nicht, nur technische Daten herunterzubeten.“
Die Zahlen und das Engagement, die hinter der Gamescom stehen, sind beeindruckend. Fünf Tage dauert das Event, und obwohl ein Tag ausschließlich Fachbesuchen vorbehalten ist, dominieren die Fans: Menschen, die teilweise stundenlang in Schlangen stehen, um ein Spiel anzutesten, das noch gar nicht veröffentlicht ist. Sie wollen nicht nur konsumieren, sondern aktiv erleben – ein Gedanke, der auch für die Industrie zukunftsweisend sein könnte.
Webcast "Das Wochenendbier" - Weitere Folgen
Markenwelten auch für die Industrie?
Stefan sieht Potenzial darin, diese Begeisterung auf Fachmessen zu übertragen. „Es geht um das Eintauchen in eine Welt“, erklärt er. Statt nur Produkte nüchtern zu präsentieren, sollten Unternehmen ihre Technologien in ein Erlebnis verpacken, das emotional bindet. Das fängt schon beim Auftreten auf den Messen an: „Früher war der Messeauftritt immer streng formal, alle im Anzug und seriös. Heute wird es lockerer, man duzt sich, und auch die Präsentation der Produkte sollte dynamischer und aufregender werden.“
Ein weiterer Punkt ist die Community. Die Gamescom zeigt, dass die Gaming-Welt keineswegs nur aus jungen Menschen besteht. Viele Besucher:innen sind weit über 40 und spielen seit den Anfängen der Videospiele – eine Generation, die mit Amiga 500 und C64 aufgewachsen ist und diese Leidenschaft bis heute pflegt. „Ähnlich könnte es auch in der Industrie aussehen“, so Stefan „Wir haben eine heterogene Zielgruppe, und die Jüngeren kommen nach. Die Ansprüche verändern sich, und darauf müssen wir reagieren.“
Event-Charakter stärken: Was kann die Industrie übernehmen?
Was die Gamescom so erfolgreich macht, ist nicht nur der reine Verkaufsaspekt, sondern die Möglichkeit, neue Technologien „hands-on“ zu erleben. „Die Leute stellen sich stundenlang an, um ein Spiel zehn Minuten zu testen. Diese Begeisterung und das Bedürfnis, etwas selbst auszuprobieren, sollten wir in der Industrie stärker nutzen“, sagt Stefanl. Anstatt nur Produkte und Maschinen zu zeigen, sollte es mehr interaktive Erlebnisse geben – Möglichkeiten, neue Technologien anzufassen, zu testen und direkt mit Entwickler:innen in Kontakt zu treten.
Auch die Art der Präsentation spielt eine Rolle: Während es auf Industriemessen oft um die nackten Zahlen und technischen Daten geht, rückt die Gamescom das Erlebnis und die Faszination in den Vordergrund. „Es geht darum, die Menschen für die Marke oder das Produkt zu begeistern“, erklärt Stefanl. „Nicht nur, weil es funktioniert, sondern weil es sie weiterbringt, weil es emotional etwas mit ihnen macht.“
Ein Blick in die Zukunft
Die Diskussion von Claus und Stefan zeigt, dass Fachmessen der Industrie nicht stehenbleiben dürfen. Der Messeauftritt der Zukunft sollte sich stärker an den Erwartungen einer jüngeren Generation orientieren – emotional, interaktiv und immersiv. Die klassischen Strukturen werden aufgebrochen, um Raum für neue Ideen zu schaffen. „Es geht nicht darum, Maschinenbau-Avengers auf die Stände zu schicken“, scherzt Claus, „aber ein bisschen mehr Kreativität und Erlebnis täten vielen Messen gut.“