Zukunftsforscher,Digitalisierung,Arbeitswelt

Der Hamburger Trendforscher Nick Sohnemann jagt weltweit neue Methoden und Werkzeuge. Für Mini hat er einen Augmented Katalog entwickelt und für Vodafone ein VR-Projekt realisiert. - (Bild: Future Candy)

Produktion: Herr Sohnemann, wie sieht der Arbeitsplatz eines Ingenieurs 2025 aus - eine kurze Gedanken-Skizze bitte?

Nick Sohnemann: "Künftig sitzen wir nicht mehr nur so vor dem Rechner. Jeder Arbeitsplatz wird ergänzt um virtuelle Räume, Datenbrillen und -Handschuhe, mit denen wir Hologramme anfassen können. Und es wird mehr Roboter geben, mit denen wir zusammenarbeiten. Dadurch werden Ingenieure Jobs verlieren, weil diese Maschinen eigenständig bauen und die passende Software gleich mitschreiben können.

Auf der anderen Seite werden neue Typen von Technikern und Ingenieuren Jobs finden, weil sie die neuen Technologien warten. Mensch und Maschine wachsen am Arbeitsplatz 2025 noch viel stärker zusammen als wir das bisher kennen."

Produktion: Erfinden Roboter in Zukunft auch Patente oder wie werden Technologien entwickelt?

Sohnemann: "Roboter werden uns ergänzen und effizienter machen. Natürlich werden wir auch weiterhin Patente erfinden. Ebenso ist aber denkbar, dass Algorithmen – die selber lernen und immer schlauer werden – Software schreiben und Ideen verwirklichen können.

Allerdings ist das eine eher philosophische Diskussion. Es gibt die Singularity Theorie von Ray Kurzweil, die besagt, dass eine CPU mit stärkerer Sensorik und Rechenleistung das menschliche Gehirn als Denkorgan ablöst. Das Ganze soll bis 2045 stattfinden. Mit Recht fragen Roboterforscher allerdings: Gibt es so etwas wie Kreativität auch in Maschinen? Ich denke, Nein. Menschen haben drei Dinge, die Roboter nicht haben: Intuition, Sinnlichkeit und Emotionen. Ich möchte aber eine andere Frage aufwerfen…"

Produktion: Welche?

Sohnemann: "Sind Patente in Zukunft überhaupt noch relevant? Ist es nicht eher so, dass Unternehmen viel schneller neue Ideen entwickeln müssten? Das hieße, der Patentprozess wäre veraltet, weil in dem Moment, indem Unternehmen etwas erfunden habe, sie bereits das nächste erfinden müssen. Sie können sich nicht darauf ausruhen oder sich lange mit Patent-Rechtsfragen aufhalten, weil der Wettbewerb schnell genug ist, etwas Ähnliches zu bauen. Dieser Hyperwettbewerb, in dem Vorteile nur sehr kurz wirksam sind, wird sich verschärfen. Schon heute ist zu sehen, dass die innovativsten Länder nicht unbedingt am meisten Patente anmelden."

"Menschen haben drei Dinge, die Roboter nicht haben: Intuition, Sinnlichkeit und Emotionen." - Trendforscher Nick Sohnemann

Produktion: Beim Stichwort Hyperwettbewerb kommt Virtuelle Realität (VR) ins Spiel. Welche Rolle spielt die im künftigen Arbeitsalltag von Ingenieuren?

Sohnemann: "Abstrakt zu denken ist anstrengend. VR hilft uns, Dinge besser und einfacher zu verstehen - das Abstrakte konkreter zu machen. Wenn sich Ingenieure Bauteile anschauen, dann können sie die in einen Zusammenhang setzen – oder mit anderen Bauteilen visualisieren.

VR kann zudem helfen, Planungsfehler zu vermeiden. Autokonzerne haben VRs schon lange im Einsatz (bei der Planung von Werken, Bauteilen und Modellen). Lange war das teuer, inzwischen ist VR erschwinglich und damit einfach in Prozessschritte einzubinden. Schon heute nutzen Ingenieure VR dazu, um Fabrikhallen komplett zu visualisieren bevor sie gebaut werden, um zu schauen, wo Engpässe für Rohre, Wände, Stromleitungen entstehen. Solch ein multidimensionaler Bauplan ist sehr schwer in 2D zu erfassen."

Produktion: Stichwort Dimension: Wie werden sich 3D-Drucker entwickeln und welche Konsequenzen hat das für den Arbeitsalltag?

Sohnemann: "Das volle Potenzial von 3D-Druckern ist in der Wirtschaft noch nicht angekommen. Die Losgröße eins als Service für Kunden ist bisher nur selten Standard. Dabei gibt es Vorteile: 3D-Druck benötigt kaum Logistik. Teile werden vor Ort gedruckt. Produkte werden heute nur selten auf den Kunden angepasst, viel mehr sind sie standardisiert.

3D-Drucker können aber genau das. Sie könnte individualisieren. Selbst Möbel können auf Körpergröße angepasst werden. Oder Autos unterschiedlich groß gebaut werden. Zudem sind Drucker umweltfreundlich: Kein Ausschuss und Produktionsmüll. Sie drucken ein Teil und verwenden genau das Material, was nötig ist. Nicht mehr."

Produktion: Was bedeutet Digital-Detox im Kontext Ingenieur-Arbeitswelt?

Sohnemann: "Es bedeutet, dass man sich befreit vom digitalen Druck, in dem man eine Zeitlang unerreichbar ist. Handy aus, kein Netz, keine Nachrichten empfangen. Arbeitgeber werden dafür Räume schaffen, damit wir kleine Detox-Pausen einlegen können. Wir werden in Zukunft mehr Zeit für Sinnlichkeit brauchen. Denn das lädt den Geist auf und macht ihn bereit und kreativ für die digitale Arbeitswelt."

Nick Sohnemann Trendforscher
Nick Sohnemann: "Der deutschen Wirtschaft fehlt es an digitaler Kreativität." - (Bild: Future Candy)

Produktion: Welche Aspekte darüber hinaus wird die Arbeitswelt in Zukunft bereithalten?

Sohnemann: "Made in Germany steht nach wie vor für Qualität. Allerdings fehlt der deutschen Wirtschaft digitale Kreativität. Hiesige Ingenieure können sehr gut bestehendes weiterentwickeln. Vor allem Maschinen. Was wir nicht so gut können, ist Neues entwickeln. Vor allen Dingen, wenn es um digitale Produkte geht.

Ingenieure der Zukunft, insbesondere wenn sie Software entwickeln, müssen kreativer und intuitiver agieren. Sie müssen ihre Fähigkeiten erweitern. Denn die Geschäftsmodelle der Zukunft werden stärker von Plattformen bestimmt sein. Produkte werden weniger wichtig als der Zugang zum Produkt. Beispielsweise haben wir bei Future Candy über die Kreditplattform von kapilendo 100.000 Euro finanziert. Via Crowd bekommen wir Zugang zum Geldmarkt. Und das ohne die alt eingesessenen Mitspieler, also die Banken, die bisher ein Oligopol auf Kredite hatten."

Produktion: Wie werden sich Entwicklungszyklen verändern?

Sohnemann: "Konstante Innovation ist ein entscheidender Wettbewerbsfaktor. Firmen, die es schaffen, immer wieder neu Geschäftsmodelle zu entwickeln und neue Produkte zu bauen, werden erfolgreich sein. Dazu gehört dann auch ein gewisser Beißreflex, sich völlig ungewöhnliche Gebiete erschließen zu wollen. Gerade hiesige Ingenieure sollten erkennen, dass es künftig nicht mehr darauf ankommt, Kompetenz in nur einem einzigen Feld zu haben, sondern eher den Gesamtüberblick zu suchen und sich neuen Service zu überlegen."

Was macht Future Candy?

Future Candy ist eine globale Trendforschung und Innovationsberatung der nächsten Generation. Gründer Nick Sohnemann und sein Team beraten Kunden nach einem neuen Ansatz – dem innovation hacking. Dabei steht vor allem das erfolgreiche und schnelle Entwerfen und Umsetzen innovativer Ideen im Fokus.

Über Nick Sohnemann:

Nick Sohnemann ist in Europa einer der führenden Experten im Bereich Trend- und Innovationsforschung. Der Hamburger ist international auf der Jagd nach state-of-the-art Methoden und Werkzeugen für erfolgreiche Innovationen. Als pragmatischer Problemlöser und strategisches “Business Brain” unterstützt er seit 2008 Unternehmen auf ihrem Weg zur Innovation.

2013 gründet er die Innovationsberatung Future Candy in Hamburg und mittlerweile besteht das Team um Nick aus zehn Mitarbeitern. Durch seine wissenschaftlich fundierten und zukunftsweisenden Vorträge beziehungsweise Workshops begeistert er weltweit aktuell mehr als 10.000 Zuhörerinnen und Zuhörer. Als Speaker ist Nick zusammen mit seinem Team auf den Events der Top Brands unserer Zeit zu finden.
 

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