Hacker IT
Wie verwundbar Unternehmen und Verbraucher sind, die nicht auf Updates setzen, hat gerade der Schaden durch die «WannaCry»-Attacken gezeigt: Erpressungstrojaner verschlüsselten im vergangenen Jahr Computer mit dem Betriebssystem Windows in mehr als 150 Ländern und verlangten von den Besitzern Lösegeld für die Freischaltung. - (Bild: Pixabay)

Besuch bei der Deutschen Flugsicherung, der DFS, in Langen. Auf dem Campus, wenige Kilometer von Darmstadt entfernt, gelten erhöhte Sicherheitsmaßnahmen. «Früher konnten sich Besucher hier recht frei bewegen», sagt die Pressesprecherin, die ihren Gast nach dem Sicherheitscheck in Empfang nimmt. Seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 seien die Regeln immer weiter verschärft worden. «Inzwischen sind wir hier sehr abgeschottet.»

Auf dem Campus befindet sich eine von vier DFS-Kontrollzentralen in Deutschland. Dort und im Tower an 16 Flughäfen sind die rund 2000 DFS-Lotsen im Einsatz. Täglich überwachen sie bis zu 10 000 Flüge im deutschen Luftraum. Unterstützt werden sie von einem komplexen Radar- und Computersystem. Wie sicher ist ihre Technik vor Hacker-Angriffen?

 

«Die absolute Sicherheit gibt es nie. Aber dass jemand von außen hineinkommt, ist schon sehr unwahrscheinlich», sagt ein DFS-Experte. Das operative System sei von der Außenwelt abgeriegelt. Über das geschlossene Netz werden Fluginformationen und Radardaten übertragen. Es sei streng getrennt von dem Netz für die Bürokommunikation, das mit dem Internet verbunden und das regelmäßig automatisierten Hackerattacken ausgesetzt ist.

In der Kontrollzentrale, deren Gebäude autark ist und ein eigenes Heizsystem und eine eigene Stromversorgung besitzt, gilt eine besondere digitale Schutzklasse. «Wir nennen es Schalenmodell», erläutert der Experte. Es gebe mehrere Lagen von Firewall-Ringen. «Durch die muss ein Angreifer erstmal durch, bis er an den Kern unseres operativen Geschäfts käme.» Bislang sei erst eine Attacke registriert worden. Im Herbst habe ein Angreifer mit chinesischer Adresse versucht, einzudringen. Er sei aber schon an der ersten Schicht gescheitert.

Wenn also das System nach außen gut geschützt ist, wie sieht es mit der Sicherheit in den eigenen Reihen aus? Wenn jemand überhaupt zuschlagen kann, dann wohl als «Innentäter». Doch auch hier wird vorgesorgt. Von den insgesamt 5400 DFS-Mitarbeitern sind mehr als ein Drittel sicherheitsüberprüft vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Die restlichen Kollegen, die in weniger kritischen Bereichen arbeiten, werden auch gecheckt, allerdings nicht ganz so streng.

An der fortschreitenden digitalen Vernetzung führt für die Luftraumüberwacher kein Weg vorbei. Auch wenn neue Gefahren drohen. Denn mit der analogen Punkt-zu-Punkt-Verbindung, über die die Kontrollzentren früher mit den Radaranlagen verbunden waren, ist der angestiegene Luftverkehr nicht mehr zu bewältigen. Dabei ist man sich in Langen sicher: «Die gezielten Hackerangriffe werden zunehmen.»

Digitale Sicherheit für die Bahn

Zurück in Darmstadt. Hinter dem Hauptbahnhof liegt das sogenannte Eisenbahnbetriebsfeld. Der Anblick ließe wohl das Herz jedes Modellbahnfans höher schlagen. Die Simulationsanlage stellt den komplexen Bahnbetrieb im Kleinen dar, und das schon seit mehr als 100 Jahren. Zu sehen gibt es Bahnübergänge, Signale und vier Generationen von Stellwerksanlagen. Hier werden Sicherheitstests durchgeführt - und künftig sollen auch Cyberattacken durchgespielt werden.

Die Bahn plant in den kommenden Jahren ein großes Digitalisierungsprogramm. So soll das Stellwerksystem vernetzt und die Zug-zu-Zug-Kommunikation ausgebaut werden. Ein Ziel ist, die Abstände zwischen den Zügen zu verringern und mehr Züge auf die Strecke zu bringen.

Christian Schlehuber, Teamleiter Cybersecurity bei der DB Netz AG, ist sich bewusst, dass mehr Vernetzung auch mehr Risiko durch Angreifer bedeutet: «Alles, was man sich vorstellen kann, ist prinzipiell möglich.» Also von Verspätungen bis zum absichtlichen Herbeiführen von Unfällen. «Eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nie. Aber man muss zumindest sagen können "Wir haben das getan, was möglich war".»

Für den Modernisierungsprozess hat sich die DB Netz AG Unterstützung von Experten gesucht. «Viele kritische Infrastrukturen sind noch immer nicht digital, die analogen Strukturen teils Jahrzehnte alt», sagt Professor Christoph Krauß vom Fraunhofer-Institut für Sichere Informationstechnologie - und rät: «Bei der Modernisierung muss von Anfang an der Faktor IT-Sicherheit an erster Stelle stehen.»

Gemeinsam mit Fraunhofer, der TU und der Technikfirma Sysgo AG soll nun ein Sicherheitskonzept für die Bahn erstellt werden. «Es geht beispielsweise darum, die Kommunikation abzusichern, dass ein Angreifer keine Manipulationen durchführt und etwa eine 1 in eine 0 ändert und ein falsches Steuersignal herbeiführt», erläutert Krauß.

Eine große Herausforderung dabei ist das rasante Tempo der Digitalisierung. Die Sicherheitssysteme, an denen Fachleute heute tüfteln, sollten auch in 20 Jahren noch nutzbar sein. Das heißt: Updates müssen jederzeit möglich sein.

Wie verwundbar Unternehmen und Verbraucher sind, die nicht auf Updates setzen, hat gerade der Schaden durch die «WannaCry»-Attacken gezeigt: Erpressungstrojaner verschlüsselten im vergangenen Jahr Computer mit dem Betriebssystem Windows in mehr als 150 Ländern und verlangten von den Besitzern Lösegeld für die Freischaltung. Sie konnten eine Sicherheitslücke nutzen, die Microsoft zwar durch ein Software-Update geschlossen hatte. Geschützt waren aber nur Computer, auf denen die Aktualisierung auch installiert wurde.

Das Ausmaß war enorm: Bei Renault wurde für mehrere Tage die Produktion in einigen Werken zurückgeworfen. Das Chaos in britischen Krankenhäusern führte vor Augen, wie leicht ein Cyberangriff Lebensgefahr bedeuten kann. Die Deutsche Bahn war ebenfalls betroffen. Anzeigentafeln an den Bahnhöfen zeigten Fehlermeldungen.

Die Bundesregierung hat inzwischen erkannt, wie wichtig der Schutz kritischer Infrastrukturen ist. Das IT-Sicherheitsgesetz fordert seit 2015, dass die Betreiber ein Mindestniveau an IT-Sicherheit einhalten und erhebliche Störungen an das BSI melden.

Gefahr durch russische Angreifer

Und wie wahrscheinlich ist es, dass ein wohl politisch motivierter Angriff wie in der Ukraine auch Deutschland trifft? «Die Ukraine war für die Russen ein Testfeld. Dort haben sie geübt, die kritische Infrastruktur eines Landes an den Boden zu bringen», sagt ein renommierter IT-Sicherheitsexperte, der nicht namentlich genannt werden will. Mit Kollegen beobachtet er europaweit bei kritischen Infrastrukturen immer wieder Angriffe, die «sehr russisch aussehen».

Und: Es wird viel indirekt agiert. Die Hacker greifen also nicht das Unternehmen selbst an, sondern einen kleineren Dienstleister. Dann verwenden sie beispielsweise dessen Mailprogramm, um präparierte Dokumente an das eigentliche Ziel zu schicken.

«Die Angreifer testen aus, wie weit sie kommen. Sie schauen sich um, zerstören aber nichts und ziehen sich wieder zurück.» Das Problem dabei: Solche Attacken ohne sichtbare Folgen würden schnell übersehen. Dabei könnten die Hacker Unmengen von Informationen sammeln, um einen Konzern lahmzulegen. Sie verfolgen nach Ansicht des Experten eine Vorbereitungsstrategie: «Wenn es zu einer Auseinandersetzung kommt, können sie ganz schnell ganz viel Schaden anrichten. Das ist die logische Weiterentwicklung der Erfolge, die sie in der Ukraine hatten.»

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