Geld war bei Krupp häufig knapp. Das ist heute so, wo Guido Kerkhoff, der aktuelle Chef von Thyssenkrupp, mit einem radikalen Konzernumbau Geld für Zukunftsinvestitionen auftreiben muss. Und es war zu Zeiten des Firmengründers Friedrich Krupp zu Beginn des 19. Jahrhunderts nicht anders. Dessen Gussstahl-Firma, eine Art frühes Start-up, machte konstant Verluste. "Es war ein Fall von völligem unternehmerischen Versagen", urteilt der britische Wirtschaftshistoriker Harold James in seiner Geschichte des Essener Konzerns.
Auch später waren die Kassen des zu einem Weltkonzern aufgestiegenen Unternehmens oft leer - vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg. "Die Kapitalbasis, auf der sich die Nachkriegserholung Krupps vollzog, war sehr dünn", schreibt James. Bund und Land mussten schon 1967 mit Bürgschaften in der damals ungewöhnlichen Höhe von 450 Millionen DM (rund 230 Millionen Euro) ein Rettungspaket für Krupp schnüren.
Noch spektakulärer war der Coup, mit dem Krupp-Generalbevollmächtigter Berthold Beitz 1974 überraschte. Mit rund 1,4 Milliarden DM (etwa 716 Millionen Euro) stieg der Iran bei den Essenern ein. Dauerhafte finanzielle Stabilität verschaffte die Kapitalspritze aus den iranischen Ölgeschäften den Essenern aber nicht. In den späten 1980er Jahren schrieb Krupp rote Zahlen.
Krupp war in der Vergangenheit Pleitekandidat
Krupp galt wieder als Pleitekandidat. Doch der damalige Vorstandschef Gerhard Cromme, dessen Namen mit dem erbitterten Arbeitskampf gegen die Schließung des Kruppwerks in Duisburg-Rheinhausen verbunden ist, fand einen für Deutschland ungewöhnlichen Ausweg: die feindliche Übernahme. Erst kaufte er heimlich an der Börse den Dortmunder Stahlkonzern Hoesch auf, dann attackierte er den deutlich größeren und profitableren Konkurrenten Thyssen.
Dieser Angriff schlug fehl - auch weil sich diesmal die Politik quer stellte. Thyssen und Krupp einigten sich aber friedlich: erst schlossen sich die Stahlsparten zusammen, dann fusionierten die Gesamtkonzerne zu Thyssenkrupp. Beim Namen stand Thyssen vorneweg, doch das Sagen behielten weitgehend die Essener, bei denen Beitz als Chef der Kruppstiftung, dem Hauptaktionär des neuen Konzerns, weiter die Fäden in der Hand behielt.
Was blieb, war auch die Abhängigkeit vom Stahlgeschäft. Sind die Hütten ausgelastet, geht es dem gesamten Konzern gut. Zwischen 2006 und 2008, als Thyssenkrupp satte Milliardengewinne einfuhr, war das der Fall. Doch damals zeichnete sich bereits die heutige Krise ab. Milliardeninvestitionen in Stahlwerke in Brasilien und den USA wurden komplett in den Sand gesetzt. "Das Abenteuer Steel Americas hat uns in der Summe 8 Milliarden Euro gekostet", klagt Kerkhoff. Geld, das jetzt an allen Ecken und Enden fehlt.
Horrende Verluste in Amerika
Die horrenden Verluste in Amerika sind nicht das einzige Problem von Thyssenkrupp. Krupp sei "mehr ein Konglomerat als ein Konzern", schreibt Historiker James mit Blick auf die 1960er Jahre. Und daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Thyssenkrupp ist ein Koloss mit mehr als 161 000 Mitarbeitern und Standorten in 78 Ländern. Die Beteiligungsliste umfasst 498 Positionen. Straff geführt wird das Gebilde aus der Essener Zentrale.
Der schwedische Investor Cevian, nach der Stiftung der größte Aktionär von Thyssenkrupp, dringt seit langem auf eine neue Konzernstruktur. "Es darf keine historischen oder politischen Tabus mehr geben", forderte Cevian, nachdem Kerkhoff die Fusion der der Stahlsparte von Thyssenkrupp mit dem indischen Konkurrenten Tata und die Aufspaltung des Konzerns in zwei Unternehmen abgeblasen hatte.
Kerkhoff will jetzt "ein grundlegend neues Thyssenkrupp" bauen, mit einer schlanken Holding an der Spitze und deutlich eigenständigeren Sparten. An diesem Dienstag befasst sich der Aufsichtsrat mit dem zweiten Strategieschwenk des Managers innerhalb weniger Monate. Da bereits wichtige Ausschüsse und das Präsidium des Aufsichtsrats sein Konzept gebilligt haben, kann Kerkhoff mit dem Ja des Kontrollgremiums rechnen. Thyssenkrupp werde dann, wie das "Handelsblatt" kommentiert hat, "weniger Krupp und mehr Thyssen", wo die einzelnen Sparten eine größere Eigenständigkeit gehabt hätten.
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