In Sachen Industrie 4.0 setzen globale Konkurrenten die deutsche Industrie massiv unter Druck

In Sachen Industrie 4.0 setzen globale Konkurrenten die deutsche Industrie massiv unter Druck. - (Bild: Pixabay)

Der globale Wettlauf um die Innovationsführerschaft in der Industrie 4.0 nimmt Fahrt auf: In 68 Prozent der Industrieunternehmen weltweit hat die Digitalisierung der Produktion höchste Priorität. Deutschland liegt mit 69 Prozent im globalen Durchschnitt – doch Unternehmen in China (87 Prozent) und Indien (94 Prozent) widmen dem Thema noch größere Aufmerksamkeit.

28 Prozent der deutschen Unternehmen meinen, dass sie in ihrer Branche Vorreiter bei Industrie 4.0 seien, 64 Prozent sehen sich gleichauf mit der Konkurrenz. Diese Selbsteinschätzung kann jedoch täuschen: Erst in 21 Prozent der deutschen Firmen werden die wichtigsten Industrie-4.0-Anwendungen wie digitales Performancemanagement, KI-basierte Nachfrageprognose oder 3D-Druck schon umfassend angewendet.

In China und Indien sind es mehr als 30 Prozent. Die rund 100 befragten deutschen Unternehmen investieren im Schnitt knapp 50 Mio. Euro pro Jahr in Industrie 4.0; 13 Prozent investieren mehr als 100 Mio. Euro. Das ergab die jährliche Industrie-4.0-Studie von McKinsey & Company. Hierfür wurden bereits zum vierten Mal 700 Manager in Deutschland, den USA, China, Japan, Indien, Frankreich und Brasilien befragt.

Pilotprojekte ja, Alltagseinsatz nein

„Die Industrie hat die Bedeutung einer digitalisierten Produktion längst erkannt“, sagt Andreas Behrendt, McKinsey-Partner in Köln. „Die Herausforderung besteht nun darin, erfolgreiche Pilotprojekte über die gesamte Organisation auszurollen. Das ist die Königsdisziplin der Transformation.“

"Mit Ausnahme von Japan ist das Fachkräfteproblem in keinem Land so groß wie in Deutschland." - Andreas Behrendt, McKinsey-Partner

Im Bereich „Konnektivität“ mit Anwendungen wie Echtzeit-Lagerüberwachung oder Augmented-Reality-Lösungen haben 77% der Unternehmen schon Pilotprojekte getestet, doch nur jedes vierte die Tests auf den großen Maßstab ausgeweitet. Ähnlich sieht es bei der flexiblen Automatisierung (z.B. automatisierte Fertigung, 3D-Druck) und bei Big Data (z.B. vorausschauende Wartung) aus.

Deutsche Unternehmen sind mit im Durchschnitt 6,9 pilotierten Industrie-4.0-Anwendungen weniger experimentierfreudig als Wettbewerber wie China mit 10,2 Anwendungen oder Indien mit 10,6. Behrendt: „Deutschland muss aufpassen, nicht den Anschluss zu verlieren.“

Hiesige Industrieunternehmen nennen den Mangel an Fachkräften als größte Hürde, Industrie 4.0 zügig einzuführen. „Mit Ausnahme von Japan ist das Fachkräfteproblem in keinem Land so groß wie in Deutschland“, sagt Behrendt. Datenanalysten und IT-Spezialisten würden überall gesucht. Als zweitgrößtes Problem nennen deutsche Firmen ungeklärte Fragen der Datensicherheit – ein Thema, das weltweit für die Unternehmen sogar an oberster Stelle steht.

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Das sind die fünf Fallstricke bei Industrie-4.0-Transformationen:

„Wir beobachten bei Unternehmen verschiedener Branchen oft ähnliche Schwierigkeiten“, sagt Behrendt. Die Studie nennt fünf Fallstricke in der Umsetzung einer 4.0-Strategie:

  • Mangelnde Aufmerksamkeit des Topmanagements: Nur in einem Drittel der befragten Unternehmen ist die Geschäftsleitung für die Industrie-4.0-Strategie verantwortlich. „Dies ist ein klarer Nachteil – eine solche fundamentale Transformation sollte von der Spitze vorangetrieben werden“, sagt McKinsey-Experte Behrendt.
  • Fehlende strategische Vision: Nur 25 Prozent der Unternehmen nutzen Pilotprojekte, um die Mitarbeiter zu inspirieren. Knapp 60 Prozent der Befragten geben an, dass es in ihren Unternehmen keine klare Vision gebe – doch ist dies Voraussetzung für einen erfolgreichen Einsatz.
  • Fokus rein auf Technologie: 60 Prozent der Befragten schätzen, dass mehr als ein Drittel des Maschinenparks für die digitale Produktion ersetzt werden muss – gleichzeitig nennen 61 Prozent der Unternehmen den fehlenden Return on Investment als große Hürde. Daher ist es besonders wichtig, Industrie-4.0-Anwendungen schon früh auf ihre Wirtschaftlichkeit zu prüfen – die Digitalisierung der Produktion muss und kann sich rechnen, so die Studie.
  • Keine Offenheit für Partnerschaften: Mehr als 40 Prozent der Unternehmen bevorzugen es, ihr IT-System selbst zu entwickeln oder auf Basis von Drittanbieter-Software individuell anzupassen. Jedes Unternehmen sollte definieren, welche Anwendungen entscheidend sind, und nicht versuchen, alles allein zu machen – dies ist bei der Komplexität und der Entwicklungsgeschwindigkeit nicht zu leisten.
  • Kulturwandel unterschätzen: 69 Prozent der Unternehmen weltweit nennen Arbeitgeberattraktivität und Talentgewinnung als Hauptproblem bei der Einführung von Industrie 4.0. Deshalb sollten Entscheider agile Prozesse und Strukturen in ihrem Unternehmen einführen – und die Mitarbeiter für die Veränderungen begeistern.

McKinsey

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