Werk, das CO2 als Wort ausstößt

Die deutsche Industrie will klimaneutral werden. - (Bild: acinquantadue - stock.adobe.com)

Deutschlands Industrie soll nun klimaneutral werden. Endlich und diesmal wirklich. Regierung und politische Parteien überbieten sich derzeit gegenseitig mit der Formulierung von ambitionierten Klimazielen, vielleicht aus innerer Überzeugung, mindestens aber, weil man damit bei den anstehenden Wahlen punkten kann.

Wenn Sie, lieber Leser, der Auffassung sind, dass es den Klimawandel nicht gibt oder, falls doch, er nicht von Menschen verursacht ist, dann brauchen Sie jetzt nicht weiterzulesen. Sie hören dann in einem Monat wieder von mir.

Allen anderen - vielen Dank fürs Bleiben - sei gesagt, dass ich das Anstreben der Klima-Neutralität für richtig halte.

Nun sind Klimaziele schnell formuliert. Um sie zu erreichen, muss man aber wirklich etwas tun, was über den Ablasshandel in Form von Zertifikatekauf hinausgeht.

Unbedingt zu erwähnen ist, dass die deutsche Industrie den Ausstoß von Klimagasen über die Jahre deutlich reduziert hat, jedenfalls in Relation zur ihrer Wirtschaftsleitung. Und dies ist nicht nur damit zu erklären, dass sogenannte „schmutzige Industrien“ in andere Länder verlagert worden sind, wie Spötter so gerne behaupten.

Prof. Dr. Andreas Syska
Kolumnist Prof. Dr. Andreas Syska lehrt an der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. - (Bild: Mareike Daennart)

Klimaschutz: Hat die Industrie alle Werkzeuge, die sie braucht?

Warum ist darüber in der Öffentlichkeit nichts zu hören? Fragt man Menschen außerhalb der Produktionsblase nach den Ursachen der Klimaerwärmung wird die Industrie mit als erstes genannt. Nicht nur deshalb: die Industrie muss weitermachen, und zwar energischer als bisher. Schauen wir deshalb einmal in die Werkzeugkiste des Klimaschutzes und prüfen, ob wir alles haben, was wir hierzu brauchen.

Technologie? Vieles davon ist bereits da. Ganz sicher noch nicht in dem Umfang im Einsatz, wie nötig, aber es sind ganz sicherlich keine technischen Probleme, die hier im Wege stehen.

Vergaberecht? Kriegen wir hin. Ganz besonders die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Diese ist ohnehin dringend erforderlich und der Klimaschutz könnte hier der Booster sein. Und nein, damit meine ich nicht, dass Einsprüche nicht mehr möglich sein sollen, sondern dass darüber schneller zu entscheiden ist.

Übrig bleibt also nur noch die bange Frage: „Wer soll das bezahlen?“ Das ist der Punkt, wo das Thema Klimaschutz so viel Spaß macht, wie eine Wurzelbehandlung beim Zahnarzt. „Muss wohl sein,“, erklärt man sich gegenseitig mit sorgenvoll aufgefalteter Stirn. Und der ergänzende Hinweis, dass nichts zu tun am Ende noch teurer würde, erzeugt alles Mögliche, nur keine Aufbruchstimmung.

Es ist ja nicht so, dass das hierfür nötige Geld in unserer Gesellschaft nicht vorhanden wäre, aber niemand möchte es so richtig herausrücken. Es ist eine Art Finanz-Mikado: Wer sich zuerst rührt, bezahlt und die anderen sind fein raus.

Klimaneutralität: Das Thema muss Spaß machen

Die Folge ist ein verzagtes Drehen an Steuer- und Abgabesätzen seitens der Politik. Und wenn diese erschrocken festzustellt, dass dies zu höheren Kosten für die Bürger (=Wähler) führt, gibt es anderer Stelle sofort eine Kompensation. Das ist zwar schlecht für das Klima, politisch aber klug, wie der jüngste Einbruch an Umfragewerten für diejenige Partei zeigt, die die Kraftstoffpreise erhöhen möchte.

Dies führt ordnungs- und umweltpolitischen Rohrkrepierern mit Schildbürgerstreichpotential, wie die vor zwei Jahren erhöhte Steuer auf Kraftstoff bei gleichzeitiger Anhebung der Pendlerpauschale. Da passen die Rabatte auf den Strompreis industrieller Großverbraucher (ausgerechnet für die) sehr gut ins trübe Bild. Was die Industrie im Übrigen bis heute nicht davon abhält, die hohen Stromkosten in Deutschland zu beklagen.

Und über allem grinsen die hässlichen Gesichter von Verbot und Verzicht, auf die in solchen Momenten all diejenigen zeigen, die den Status Quo zementieren wollen. Mit schlafwandlerischer Sicherheit tappen dann die um Klimaschutz bemühten Parteien in diese Falle („Kurzstreckenflüge und Fleischkonsum? Ein anständiger Mensch tut so etwas nicht!“) und bekommen das Etikett „Verbotspartei“ umgehängt.

Mir persönlich ist weder Fliegen noch Fleischkonsum besonders wichtig, wenn es aber darum geht, dass wir alle ein Leben nach Standards und Normen führen sollen, die andere gesetzt haben, ein Leben, in dem wir bestimmte Kontingente an Reisekilometern oder Lebensmitteln zugewiesen bekommen, bin selbst ich raus aus der Nummer.

So wird das nichts.

Der fehlende Baustein zur Klimaneutralität ist die Aktivierung der hierfür notwendigen finanziellen Mittel - vor allem aber muss das Thema Spaß machen. Ich schlage deshalb eine radikale Umstellung unseres Steuersystems vor.

Klimasteuer schließt Lücke

Ist Ihnen eigentlich aufgefallen, wie kafkaesk das Steuersystem ist, nicht nur hierzulande, sondern weltweit? Damit meine ich nicht die unüberschaubare Anzahl von Gesetzen, sondern die Tatsache, dass wirtschaftlicher Erfolg, also das Schaffen von Werten, besteuert wird. Steuern auf Unternehmensgewinne, Gewerbesteuer, Einkommensteuer, Lohnsteuer und Umsatzsteuer.

Je erfolgreicher jemand wirtschaftet, desto mehr Steuern muss er bezahlen. Dies führt zu der absurden Situation, dass man unterjährig zwar hart für diesen wirtschaftlichen Erfolg arbeitet, wenn es aber darum geht, diesen den Finanzbehörden gegenüber zu erklären, er kreativ kleingerechnet wird.

Wir sollten alle diese Steuern abschaffen und die Wirtschaft und die Bürger für Leistung nicht länger bestrafen. Dass damit rund 600 Milliarden Euro an Steuereinnahmen fehlen - also fast alle Einnahmen - ist klar. Aber genau dies schafft Raum für eine Klimasteuer, die diese Lücke schließen wird.

Das Umweltbundesamt hat uns vor einiger Zeit vorgerechnet, dass die Klimaschäden je ausgestoßener Tonne CO2 bei 180 Euro liegen. Eine CO2-Steuer in Höhe von 700 Euro pro Tonne würde diese Kosten mehr als kompensieren und gleichzeitig das Steuerloch schließen.

Natürlich würde alles furchtbar teuer: Mobilität, Logistik und Produktion und damit schlussendlich die Güter des täglichen Bedarfs. Und genau das ist gewollt. Da nämlich im Gegenzug die Steuern auf das Schaffen von Werten gestrichen sind, würde in Summe gesehen weder für die Wirtschaft noch für Privatpersonen irgendetwas teurer.

CO2 zu absorbieren als lukratives Geschäft

Und was soll das Ganze dann? Ganz einfach: nun hat es jeder in der Hand, die Herstellungskosten seiner Produkte oder seine Lebenshaltungskosten zu reduzieren. Der Bezug von Gütern und Dienstleistungen mit geringem CO2-Ausstoß würde sich sofort in niedrigeren Kosten beziehungsweise einem größeren Netto im privaten Geldbeutel niederschlagen.

Der Anreiz, klimaneutral zu produzieren (oder sich auf den Weg dorthin zu machen) wäre enorm. Investitionen in Klimaneutralität würden sich viel schneller rechnen – ein Investitionsschub für grüne Technologien wäre unausweichlich. Und natürlich ist auch der umgekehrte Weg möglich: CO2 zu absorbieren oder die nötige Technik hierfür zu liefern wäre ein lukratives Geschäft. Denn genau diese 700 Euro gäbe es vom Staat ja auch als Rückvergütung für jede verschwundene Tonne. Und schon sind auch alle die an Bord, die von Verboten und Verzicht nichts halten und sagen, Technologie müsse es richten. Exportchance-Alarm!

Nicht der Erfolgreiche wird besteuert, sondern der Rücksichtslose

Und wenn der gewünschte Erfolg eintritt, würden die Steuereinnahmen sinken. Das sollte nicht weiter schlimm sein, da ja auch die gesellschaftlichen Kosten sinken und die öffentlichen Haushalte mit weniger Geld auskommen dürften. Und wenn das nicht ausreicht: unsere Art des Wirtschaftens hält ja auch noch andere Plagen bereit, wie Lärm, Feinstaub, Müll und Flächenversiegelung. All dies könnte durch eine geschickte Besteuerung ebenfalls reduziert werden.

Ich bin für ein Steuersystem, das nicht den wirtschaftlichen Erfolg besteuert, sondern die Art und Weise wie dieser erreicht oder verkonsumiert wird. Nicht der Erfolgreiche wird besteuert, sondern der Rücksichtslose. Keine „Steuer on top“, sondern eine „Steuer anstatt“.

Ich weiß, das ist alles nicht durchdacht, soll aber eine Richtung aufzeigen. Vielleicht ist der Kampf gegen den Klimawandel ja die große Chance, unsere Art des Wirtschaftens und Produzierens zum Wohle aller neu auszurichten.

Unseren Kolumnisten Prof. Dr. Andreas Syska hat die Faszination für Technologie und ihre Möglichkeiten für ein besseres Miteinander sein gesamtes Berufsleben begleitet. Nach seinem Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen war er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Aachener Forschungsinstitut für Rationalisierung tätig. Dort hat er sich mit Fragen des IT-Einsatzes in der Produktion beschäftigt und dabei auch eine Reihe von Industrieprojekten durchgeführt.

Nach seiner Promotion zum Dr.-Ing. ist er in die Industrie gewechselt - und zwar zur Robert Bosch GmbH nach Stuttgart. Dort war er zunächst Assistent in der Werkleitung und wurde Produktionsleiter bei einer Tochtergesellschaft des Konzerns. Danach ist er zurück in seine alte Heimat - das Rheinland - und hat sich dort als Berater für Fabrikorganisation selbständig gemacht.

Kurze Zeit später hat er einen Ruf an die Hochschule Niederrhein nach Mönchengladbach erhalten. Dort vertritt er seitdem das Lehr- und Forschungsgebiet Produktionsmanagement und versucht seinen Studenten sowie seinen Kooperationspartnern in der Industrie ein größtmögliches Stück dieser Faszination weiterzugeben.

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