Auto passiert überflutete Straße

Die Flutkatastrophe hat viele Menschen in Deutschland betroffen gemacht (Symbolbild). - (Bild: stock.adobe.com/Aleksandr Lesik)

"Klimaschutz wird dann nur funktionieren, wenn unser Wohlstand dadurch nicht gefährdet wird … Arbeitsplätze dürfen nicht verloren gehen und Industrien nicht abwandern.“ (Wirtschaftsminister Altmaier 2019)

Stimmt doch, oder? Klimaschutz darf nicht zu Lasten der Wirtschaft gehen. Augenmaß, statt Aktionismus und Verbotspolitik. Das ist doch genau das, was wir brauchen. Nun gut, vor einigen Tagen sind in der Eifel und in Bayern nicht nur Privathäuser zerstört worden, sondern auch Einzelhandelsgeschäfte, Restaurants und Hotels. Das ist zwar auch irgendwie Wirtschaft, aber doch nicht die Wirtschaft. Bei allem Verständnis für die Lage der Betroffenen sei nochmals gesagt: „Klimaschutz darf nicht zu Lasten der Wirtschaft gehen.“

Wir schreiben das Jahr 2030: Ein weiteres Rekordjahr der Extremwetterereignisse liegt hinter uns. Heftige Waldbrände und häufige Starkregen wechselten sich ab. Wir haben verstanden: Klimawandel ist nicht nur, wenn in weit entfernten Regionen der Meeresspiegel zentimeterweise steigt und des Eisbären Scholle schmilzt.

Klimawandel findet hier und jetzt statt - und längst ist die Industrie betroffen. Ob Maschinenbau im Sauerland oder Automotive in Sachsen, ob Medizintechnik und Hausgeräte im Schwarzwald, ob Luft- und Raumfahrt in Bayern oder Elektronik in Franken: keine Branche, in der nicht jedes Jahr Fabriken überflutet wurden, eingestürzt sind oder das Opfer der Flammen von übergreifenden Waldbränden waren.

Wenn Lieferketten abbrechen und Werke stillstehen...

„Ja, stimmt: Maßnahmen zum Klimaschutz wären schon wichtig, sie dürfen aber nicht zu Lasten der Wirtschaft gehen.“

Und selbst wenn Fabriken unbeschädigt sind, sorgen zusammenbrechende Stromversorgungen für Produktionsunterbrechungen und zerstörte Verkehrswege immer wieder dafür, dass Produzenten vergeblich auf Rohstoffe warten und auf ihren Erzeugnissen sitzenbleiben. Lieferketten reißen ab und die Konventionalstrafen für nicht eingehaltene Liefertermine der Investitionsgüterindustrie sind auf Rekordhöhe. Handelspartner im Ausland verlieren das Vertrauen in die deutsche Industrie als verlässlichen Lieferanten und beziehen ihre Investitionsgüter von woanders her. 

„Natürlich ist das ärgerlich, dennoch halten wir an dem bewährten Prinzip fest, wonach Klimaschutz nicht zu Lasten der Wirtschaft gehen darf. Gerade in schwierigen Zeiten, wie jetzt.“

Eine Politik, die sich darauf beschränkt ihre Repräsentanten in Krisengebiete zu schicken, um dort den Unternehmern ihre Betroffenheit auszudrücken und schnelle unbürokratische Hilfe zu versprechen ist aber nicht das, was sich Verbände unter Wirtschaftspolitik vorstellen und kritisieren mit harschen Worten die Regierung. Die gleichen Verbände, die noch vor 10 Jahren der Regierung eingeflüstert haben, dass der „Klimaschutz nicht zu Lasten der Wirtschaft“ gehen darf.

Drastische Folgen für die deutsche Wirtschaft

2035: Versicherungen weigern sich Elementarschäden zu versichern und kündigen bestehende Verträge auf. Industrieverbände fordern deshalb weitere Zuschüsse und eine Aufstockung der Überbrückungshilfen. Konnten diese anfangs noch ausbezahlt werden, so sieht sich der Staat hierzu angesichts der Häufigkeit der eintretenden Schäden aber nicht mehr in der Lage und appelliert an die Selbstverantwortung der Wirtschaft - schickt Industrieunternehmen also geradewegs wahlweise in die Insolvenz oder ins Ausland. Wertschöpfung und Arbeitsplätze verlassen Deutschland. Aber natürlich gilt weiterhin die Devise: „Klimaschutz darf nicht zu Lasten der Wirtschaft gehen.“

Hochqualifizierte Fachkräfte kündigen, weil sie entweder zu Klimaflüchtlingen im eigenen Land geworden sind oder es nicht werden wollen und sich woanders ein neues Zuhause suchen müssen – vorzugsweise im Ausland, wo sie hochwillkommen sind. Immobilienpreise in gefährdeten Regionen stürzen ins Nichts. Banken stellen Baudarlehen fällig und treiben viele Menschen in Privatinsolvenz oder Altersarmut.

2040: Deutschland hat aufgehört eine Industrienation zu sein. Die Wirtschaft liegt am Boden und der materielle Wohlstand ist verlorengegangen. „Konnte man so ja auch nicht vorhersehen. Unangenehm, ja. Tragisch, vielleicht auch. Aber ist es nicht wichtiger, dass wir unserer bewährten Linie treu geblieben sind und dafür gesorgt haben, dass Klimaschutz nicht zu Lasten der Wirtschaft gehen darf?“

Über den Autor

Porträt von Andreas Syska
(Bild: Mareike Daennart)

Unseren Kolumnisten Prof. Dr. Andreas Syska hat die Faszination für Technologie und ihre Möglichkeiten für ein besseres Miteinander sein gesamtes Berufsleben begleitet. Nach seinem Maschinenbaustudium an der RWTH Aachen war er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Aachener Forschungsinstitut für Rationalisierung tätig. Dort hat er sich mit Fragen des IT-Einsatzes in der Produktion beschäftigt und dabei auch eine Reihe von Industrieprojekten durchgeführt.

Nach seiner Promotion zum Dr.-Ing. ist er in die Industrie gewechselt - und zwar zur Robert Bosch GmbH nach Stuttgart. Dort war er zunächst Assistent in der Werkleitung und wurde Produktionsleiter bei einer Tochtergesellschaft des Konzerns. Danach ist er zurück in seine alte Heimat - das Rheinland - und hat sich dort als Berater für Fabrikorganisation selbständig gemacht.

Kurze Zeit später hat er einen Ruf an die Hochschule Niederrhein nach Mönchengladbach erhalten. Dort vertritt er seitdem das Lehr- und Forschungsgebiet Produktionsmanagement und versucht seinen Studenten sowie seinen Kooperationspartnern in der Industrie ein größtmögliches Stück dieser Faszination weiterzugeben.

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