Luftaufnahme eines farbenfrohen Containerhafens und Logistikterminals im Kranbereich beim Be- und Entladen eines Containertankschiffs

Viele Container stecken in China fest. (Bild: aerial-drone - stock.adobe.com (Symbolbild))

Millionen Menschen dürfen ihre Häuser nicht verlassen, Schiffen stauen sich vor dem Hafen in Shanghai: China hält an seiner Null-Covid-Strategie und den damit verbundenen Lockdowns fest. In der 26-Millionen-Stadt Shanghai gelten seit Ende März strenge Beschränkungen. Inzwischen ist dort der harte Lockdown jedoch etwas aufgelockert worden: Die Einwohner dürfen ihre Wohnungen wieder verlassen. Bis zum 1. Juni soll die Stadt schrittweise wieder zur Normalität zurückkehren.

Dafür ist Chinas Hauptstadt Peking von mehr Maßnahmen betroffen. Um die Corona-Pandemie einzudämmen, wurden zum Beispiel 40 U-Bahn-Stationen im Zentrum geschlossen.

Dennoch werden die Auswirkungen des Lockdowns die Wirtschaft noch lange beschäftigen. PRODUKTION beantwortet die wichtigsten Fragen dazu:

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Warum gibt es in China noch Lockdowns?

China verfolgt weiter eine Null-Toleranz-Politik – auch bei der hochansteckenden Omikron-Variante. Dazu zählen Ausgangssperren, Massentests und Quarantäne. Ein weiteres Beispiel: Nach einigen hundert Corona-Fällen in Peking wurde sofort eine Home-Office-Pflicht beschlossen. Auch in anderen Metropolen gelten Einschränkungen.

Das hat hohe wirtschaftliche Kosten. Dennoch bekräftigte der Ständige Ausschuss des Politbüros, dass am Kurs festgehalten werden soll. Als Erklärung heißt es: „China ist ein Land mit einer großen Bevölkerung, einer großen Zahl alter Leute, unausgewogener regionaler Entwicklung und unzureichenden medizinischen Ressourcen.“ Die Kontrollmaßnahmen zu lockern, werde unausweichlich zu Infektionen in großem Umfang, einer großen Zahl von schweren Erkrankungen und Toten führen und ernsthaft die Entwicklung des Landes beeinträchtigen.

Laut Experten sind mehr als 100 Millionen ältere Menschen nicht oder unzureichend geimpft. Selbst mit einer neuen Impfkampagne würde es bis Jahresende dauern, bis alle Chinesen drei Impfungen und damit den nötigen Schutz hätten. Zudem gibt es Zweifel an der Wirksamkeit der Impfstoffe aus der Volksrepublik. Allerdings erlaubt die Regierung keine ausländischen Vakzine in China.

Welche Auswirkungen gibt es für den Frachtverkehr?

Der Frachtverkehr über Shanghai, das den größten Hafen der Welt hat, ist eingebrochen. Dort stauen sich inzwischen die Containerschiffe. Das Exportvolumen ist nach Schätzungen drastisch zurückgegangen. Die Londoner Schifffahrtsberatung Drewry schätzt, dass im Hafen Shanghai allein im April 260.000 für den Export in alle Welt bestimmte Container nicht verladen wurden.

Viele Unternehmen bekommen ihre Waren teilweise wochenlang nicht aus dem Land, sagte Maximilian Butek, Delegierter der Deutschen Wirtschaft in Shanghai, der DPA Ende April. Auch alternative Lieferwege über andere Häfen reichten nicht aus, um den Ausfall abzufedern. „Das betrifft im Prinzip alle Warengruppen. Aber vor allem bei Elektronikartikeln und Rohstoffen oder Vorprodukten ist die Sorge groß“, sagte der Delegierte.

"Wir gehen davon aus, dass sich die Situation in den kommenden Tagen und Wochen weiter verschärfen wird, weil bisher noch Schiffe ankamen, die den Hafen Shanghai vor der Schließung verlassen haben", sagte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, Ende Mai. "Die eigentlichen Folgen des Lockdowns in Shanghai werden wir erst in einiger Zeit, dann aber sehr drastisch spüren."

Laut der Einschätzung von Butek dürften Monate vergehen, bis die Störungen in den Lieferketten behoben sind. Denn der Hafen an sich sei nicht das größte Problem. Die Schwierigkeit liege wegen der strengen Corona-Maßnahmen vielmehr im Transport der Waren mit Lastwagen von und zum Hafen.

Lokale Behörden machen den meist selbstständigen Lastwagenfahrern das Leben schwer. Sie müssen eigens Durchfahrtsgenehmigungen beantragen, sich ständig testen lassen und den Quarantäne-Anforderungen einzelner Städte unterwerfen. Landesweit ist der Frachtverkehr schon drastisch zurückgegangen. Aber viele Trucker meiden besonders den Shanghaier Hafen.

„Niemand will noch ein Lastwagenfahrer sein“, sagte der Vorsitzende der EU-Handelskammer in China, Jörg Wuttke. Nach Schätzungen ist die Verfügbarkeit von Lastwagen in Shanghai um 40 Prozent zurückgegangen. Tendenz steigend. Container werden deshalb nicht abgeholt und stapeln sich. Lagerhäuser sind geschlossen. Gekühlte oder gefährliche Güter können nicht abtransportiert werden.

Die aktuellen Probleme dürften sich erst nach und nach auf Deutschland auswirken, schätzt das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW). Die Güter seien etwa bis Hamburg 30 bis 40 Tage unterwegs, müssten danach noch weitertransportiert werden. „Dann könnte es etwa bei Elektronikartikeln wie Fernsehern oder Tablets oder bei Zwischengütern für die deutsche Produktion zu Verzögerungen kommen“, sagte IfW-Handelsexperte Vincent Stamer. Das könnte beispielsweise Automobil-Hersteller oder Maschinenbauer treffen.

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Die Folgen für Chinas Wirtschaft

„Die Daten für die Aktivitäten im April haben den Schaden durch die Lockdowns in Shanghai und anderen Teilen des Landes offengelegt“, schrieben Chang Shu und Eric Zhu in einer Analyse der Nachrichtenagentur Bloomberg. „Die Auswirkungen sind viel breiter und tiefer als erwartet.“

Einige Beispiele:

  • Die chinesische Industrieproduktion ist im April im Vergleich zum Vorjahr um 2,9 Prozent gesunken. Im März stieg die Produktion noch um fünf Prozent.
  • Das Exportwachstum ist auf den niedrigsten Stand seit zwei Jahren gefallen. Die Exporte legten im April - in US-Dollar berechnet - nur noch um 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu, wie der chinesische Zoll berichtete. Es ist somit das langsamste Wachstum seit Juni 2020 zu Beginn der Pandemie. Der Außenhandel trägt zu rund einem Drittel der chinesischen Wirtschaftsleistung bei und beschäftigt rund 180 Millionen Menschen.
  • Die Sachinvestitionen fielen im April schwächer aus als prognostiziert.
  • Die Anlageinvestitionen fielen im April um 0,82 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, stiegen aber seit Jahresanfang um 6,8 Prozent und liegt damit im Rahmen des Plans. Experten hatten allerdings laut ‚Manager Magazin‘ mit einem etwas stärkeren Anstieg gerechnet.

Der Sprecher des Statistikamtes, Fu Linghui, versuchte, Optimismus zu verbreiten: „Der Covid-Ausbruch im April hatte große Auswirkungen auf die Wirtschaft, aber die Folgen werden kurzfristig sein“, erklärte er. Die guten langfristigen Grundlagen der chinesischen Wirtschaft seien unverändert.

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Lockdown-Auswirkungen für ausländische Firmen in China

Unter den Corona-Maßnahmen leiden auch zunehmend europäische, amerikanische und andere ausländische Unternehmen in China. Rund die Hälfte der US-Firmen hat laut einer Umfrage der US-Handelskammer Investitionen verschoben oder reduziert. In einer aktuellen Erhebung der EU-Handelskammer sagten 78 Prozent der europäischen Firmen, China sei durch die Corona-Maßnahmen zu einem weniger attraktiven Investitionsziel geworden.

Auch die deutsche Außenhandelskammer (AHK) in China hat ihre Mitglieder zu den aktuellen Entwicklungen befragt. Das Ergebnis: Mehr als 70 Prozent der deutschen Firmen sind in Regionen tätig, die von Lockdowns betroffen sind.

Davon haben der AHK China zufolge 19 Prozent die Genehmigung, in diesen Regionen unter Auflagen zu produzieren. Viele Firmen produzieren demnach weniger als die Hälfte als eigentlich geplant. Vor allem Logistikprobleme, die geringe Verfügbarkeit von Personal und Unsicherheiten durch plötzliche Änderungen der Corona-Politik verhindern eine Steigerung der Produktionskapazität.

Ein Viertel der befragten Unternehmen würde die Produktion gerne wieder aufnehmen, kann das aber aus verschiedenen Gründen derzeit nicht tun. Dazu zählen zum Beispiel nicht erfüllbare Anforderungen.

Dazu kommt, dass Expats das Land früher verlassen wollen, als erwartet. Fast ein Drittel (28 Prozent) der ausländischen Mitarbeitenden der befragten Unternehmen planen, China aufgrund der Corona-bedingten Maßnahmen zu verlassen. Zehn Prozent planen ihre Abreise sogar vor Ablauf ihres aktuellen Arbeitsvertrags.

„Für deutsche Unternehmen wird es eine große Herausforderung sein, diese Mitarbeiter durch neue Mitarbeiter aus dem Ausland zu ersetzen, wenn man bedenkt, wie der aktuelle Covid-Ausbruch in China gehandhabt wird", sagt Maximilian Butek, Hauptgeschäftsführer und Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in Shanghai, stellvertretend für alle Regionalkammern. "Die derzeitigen Bedingungen, unter denen deutsche Unternehmen in China agieren müssen, können nur kurzfristige Lösungen in Notsituationen sein.“ Geschlossene Produktionskreisläufe seien als langfristige Lösung für deutsche Firmen in China nicht akzeptabel.

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Die Folgen für die deutsche Wirtschaft und Industrie

Der Stau von Frachtschiffen stört globale Lieferketten enorm und wird für höhere Preise sorgen. „Auch in Deutschland werden die Lieferengpässe jetzt zu spüren sein“, sagte Maximilian Butek, der Delegierte der Deutschen Wirtschaft in Shanghai, der DPA. „Die Verknappung des Angebots an Lieferungen aus China wird die bereits jetzt schon hohe Inflation in Deutschland weiter negativ beeinflussen“, prognostizierte er.

Für die Bundesrepublik bestehe das Risiko übermäßiger Abhängigkeit von China als Exporteur und Verarbeiter von Schlüsselrohstoffen, vor allem in der Automobilindustrie, sagte Merics-Analyst Jacob Gunter. Als Beispiele nannte er Kobalt und Lithium für die Herstellung von Elektroauto-Batterien.

Der Analyst geht davon aus, dass die chinesischen Lockdowns eine Art weltumspannenden Welleneffekt haben werden: "Wenn ein Komponentenlieferant in Japan, Großbritannien oder Mexiko seinerseits am Beginn der Lieferkette Zulieferer in China hat, kann das Auswirkungen auf deren Produktion haben." Die Folge wäre dann limitierter Nachschub für deutsche Unternehmen, die am Ende der Lieferkette stehen.

Dass Lieferungen aus China komplett zum Erliegen kommen, ist aber nicht zu befürchten: "Ein Rückgang des Frachtvolumens in westlicher Richtung wegen des Lockdowns in Shanghai ist zu erwarten, aber das wird ein begrenzter sein", sagt eine Sprecherin des Rotterdamer Hafens.

Im April ist außerdem der deutsch-chinesische Handel auffällig stark eingebrochen. Chinas Importe deutscher Waren fielen demnach um 9,8 Prozent. Aber auch chinesische Exporte nach Deutschland sackten ungewöhnlich stark um neun Prozent ein. Mit der Europäischen Union gab es immerhin noch ein Exportplus von 7,9 Prozent. Aber die Importe fielen auch um 12,5 Prozent.

Die deutsche Industrie befürchtet deshalb eine Abwärtsspirale für die Exportwirtschaft. „Über der deutschen Wirtschaft ziehen angesichts des Ukraine-Kriegs und der Null-Covid-Strategie der chinesischen Regierung dunkle Wolken auf“, sagte Joachim Lang, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI).

Auch der VDMA ist in Sorge

Auch der VDMA ist in Sorge. Die Corona-Lockdowns in Teilen Chinas belasten die Branche. Was momentan das Hauptproblem ist, erfahren Sie in diesem Artikel: „Lockdowns in China hinterlassen Spuren“

Besonders im Mittelstand wächst der Ärger über ein anderes Problem: Die strikten und unberechenbaren chinesischen Einreisebeschränkungen So beschweren sich viele VDMA-Mitglieder über schikanöse Zustände, die auch zu Lasten der chinesischen Kunden gehen, und fordern die Aufhebung des Quarantänezwangs für Geimpfte. Mehr dazu lesen Sie in diesem Artikel: VDMA warnt: China schädigt Mittelstand mit Reisebeschränkungen

So lange ist ein Schiff von China nach Europa unterwegs

Der Effekt des Lockdowns in Shanghai und anderer rigider Covid-Beschränkungen in China macht sich in Europa mit erheblicher Verzögerung bemerkbar, weil eine direkte Schiffsreise schon vor Beginn der Corona-Pandemie 30 bis 40 Tage dauerte.

 

Üblicherweise werden mehrere Häfen angelaufen, so dass die normale Laufzeit eines Containers an die 80 Tage beträgt. Seit zwei Jahren bringt Covid die Fahrpläne durcheinander. Derzeit sind Containerschiffe laut Schifffahrts-Datenbank Alphaliner im Schnitt 101 Tage unterwegs. Das wiederum bedeutet, dass die Schiffe mit mindestens drei Wochen Verspätung wieder retour Richtung Ostasien fahren, und dort dann für die nächste Fahrt Richtung Europa fehlen.

(Quelle: DPA)

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Container mit chinesischer Flagge darauf
(Bild: Destina - stock.adobe.com)

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