Flagge von Afghanistan

Afghanistan ist wirtschaftlich stark von Importen abhängig. - (Bild: natanaelginting - stock.adobe.com)

Es sind schockierende Bilder, die uns derzeit täglich aus Afghanistan erreichen. Nach der Machtübernahme der Taliban sind die Zustände vielerorts chaotisch, viele fürchten um ihr Leben. Die Evakuierung so vieler gefährdeter Menschen wie möglich steht derzeit ohne Frage an erster Stelle. Doch schon jetzt zeichnet sich ab: Der Machtwechsel in Afghanistan hat auch wirtschaftliche Folgen – auch für deutsche Firmen.

Erst im November hat Siemens Energy ein Abkommen mit Afghanistan unterzeichnet. Das Ziel: Die Entwicklung eines modernen, nachhaltigen und kostengünstigen Energiesystems als Energie-Drehscheibe in Zentralasien. „Dabei soll das enorme Potenzial der Erneuerbaren Energien vor Ort berücksichtigt und mit einbezogen werden“, hieß es in einer Pressemitteilung.

Das Abkommen baut auf einer Absichtserklärung auf, die Siemens Anfang 2019 mit der afghanischen Regierung unterzeichnet hatte, um die nachhaltige Entwicklung des Landes zu unterstützen. Laut Unternehmen haben nur etwa 28 Prozent der 37 Millionen Einwohner Afghanistans Zugang zu elektrischer Energie. Was nun mit dem Projekt wird, weiß Siemens Energy nicht, sagte ein Sprecher dem ‚Handelsblatt‘.

Die Sicherheitsabteilung des Konzerns teilte am Montag mit, dass man mit „externen Partnern und Behörden“ zusammenarbeite, um die Sicherheit von Mitarbeitern vor Ort gewährleisten zu können. Details nannte der Konzern laut ‚Wirtschaftswoche‘ nicht.

Afghanistan ist von Importen abhängig

In den vergangenen Jahren hatten laut ‚BR‘ auch der Baukonzern Hochtief und der Münchner Geldschein-Hersteller Giesecke&Devrient Geschäftsbeziehungen mit Afghanistan. Wie viele deutsche Firmen noch in Afghanistan vertreten waren, wissen weder die Außenhandelskammern noch der BDI, schreibt der ‚BR‘.

Der afghanischen Wirtschaft droht nun ein schwerer Rückschlag. Schon vor der Übernahme war kaum Industrieproduktion vorhanden. 80 Prozent der Menschen ist in der Landwirtschaft tätig. Zudem ist Afghanistan stark importanhängig. Im vergangenen Jahr lagen die Gesamtimporte bei rund 5,3 Millionen US-Dollar, die Exporte bei 1,2 Milliarden US-Dollar. 

Deutschland hat 2020 Waren im Wert von knapp 70 Millionen Euro nach Afghanistan exportiert – damit ist das südasiatische Land auf Rang 130 von 239 Handelspartnern. „Es ist anzunehmen, dass deutsche Exporteure manche Lieferungen über die Vereinigten Arabischen Emirate und andere Drittländer abwickeln“, schreibt Heena Nazi in Ihrer Einschätzung für das GTAI. Bei den deutschen Einfuhrgütern liegen Maschinen – und hier vor allem Reparaturen – übrigens mit 30,9 Prozent auf Platz 2.

Riesige Rohstoff-Reserven im Land

Die wichtigsten Handelspartner für Afghanistan sind jedoch laut GATI die Nachbarländer Iran, China und Pakistan. Vor allem China wird wohl in Zukunft eine noch größere Rolle spielen. Denn Afghanistan hat viele Rohstoffe wie Eisen, Kupfer, Lithium und Gold.

Und der Reichtum ist groß: US-Geologen schätzen laut ‚Tagesschau‘, dass Afghanistan über Rohstoffe im Wert von drei Billionen Dollar verfügt. So sollen allein die Lithium-Reserven so groß sein, wie die Reserven in Bolivien – dem weltweit größten Lithium-Lieferanten. Daneben gibt es laut ‚Handelsblatt‘ unter anderem auch reiche Vorkommen Seltener Erden, die für die Elektromobilität gebraucht werden.

Nach der Machtübernahme der Taliban sieht China nun seine Chance, an die Rohstoffe zu kommen, und bietet den neuen Machthabern Hilfe an. „Während die USA gezwungen sind, das Land zu verlassen, nachdem sie es zerstört haben, kann Chinas Hilfe zum Hoffnungsstrahl für die kriegsgeschundene Nation werden“, hieß es zum Beispiel von Chinas staatlichem Auslandssender CGTN. China könnte außerdem versuchen, Afghanistan an seine Neue Seidenstraße anzuschließen.

Aber auch der Iran, Indien und die Türkei haben ein Auge auf die Bodenschätze geworfen. Allerdings wäre es laut Experten sehr kostenintensiv, die Rohstoffe zu bergen. Der Grund: Eine fehlende Infrastruktur.

Russland verfolgt ebenfalls Interessen in Afghanistan. Gazprom möchte schon seit Jahren die Gasfelder an der afghanisch-turkmenischen Grenze erschließen. Auch drei russische Wasserkraftwerke sind geplant.

Landeswährung Afghani stürzt auf Allzeittief

Die Machtergreifung der Taliban hat im Übrigen auch Auswirkungen auf den Finanzmarkt. Anfang der Woche stürzte die Landeswährung Afghani auf ein Allzeittief gegenüber dem Dollar. Der Ökonom Ajmal Ahmady berichtet außerdem, dass die Währung bereits am Wochenende um 20 Prozent sank. Auf Twitter hat der Chef der afghanischen Zentralbank die Tage vor der Übernahme Kabul beschrieben.

Er berichtet unter anderem, dass die Zentralbank am Freitag wegen der verschärften Lage im Land keine Dollar-Lieferungen mehr erhalten hat. Man habe daraufhin am Samstag die Versorgung der Finanzmärkte zurückfahren müssen, was weiter Panik geschürt habe. Ahmady ist inzwischen mit einem Militärflugzeug aus dem Land geflohen.

Darauf warten 25 Robotik-Expertinnen des Afghan Girls Robotic Teams noch. Die jungen Frauen zwischen zwölf und 18 Jahren sorgen seit vier Jahren immer wieder für Schlagzeilen, weil sie zum Beispiel ein Beatmungsgerät aus ausrangierten Autoteilen entwickelt haben.

Doch das wird unter den Taliban kaum mehr möglich sein. Die kanadische Menschenrechtsanwältin Kimberley Motley bittet in einer Kolumne in der 'Washington Post' die kanadischen und amerikanischen Regierungen um Unterstützung.

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