Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des VDMA

Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des VDMA. - (Bild: VDMA)

Produktion: Herr Brodtmann, der deutsche Maschinen- und Anlagenbau schaut gespannt auf das Setting für den kommenden, den 10. Maschinenbau-Gipfel. Was brennt der Branche am heftigsten unter den Nägeln?

Thilo Brodtmann: "Der Maschinen- und Anlagenbau erfreut sich einer insgesamt starken Position, das zeigt sich beeindruckend am Umsatz von 226 Milliarden Euro im Jahr 2017 sowie einer Produktionsprognose von real plus 5 Prozent für das laufende Jahr. Zugleich sind die Herausforderungen groß und die Breite an Themen mit Handlungsbedarf ist enorm:
Global betrachtet beschäftigt uns besonders die akute Gefahr von Protek­tionismus und Handelsbarrieren. Denn für den Maschinenbau als exportstarke Industrie sind offene Grenzen unverzichtbar, daran sind unmittelbar auch Arbeitsplätze und Wohlstand geknüpft.

Mit Blick auf Deutschland und die EU treibt uns das Thema der zunehmenden Bürokratisierung um. Die Verhältnismäßigkeit von Aufwand und Nutzen ist häufig nicht mehr gegeben, und das trifft insbesondere die kleineren und mittelständischen Unternehmen. Bestes Beispiel hierfür ist die Entsenderichtlinie. Aus technologischer Perspektive steht die Digitalisierung oben auf der Agenda. Dem Maschinen- und Anlagenbau kommt dabei eine wichtige Rolle zu, denn unsere Industrie steht bei Thema Indus­trie 4.0 als Anbieter und Anwender der Technologien um Zentrum der Entwicklung. Damit verbunden ist häufig auch ein Wandel von Geschäftsmodellen und der Unternehmensorganisation."

Produktion: Thema Europa - Wie wichtig ist eine starke EU für den exportorientierten Maschinen- und Anlagenbau und wie werden sich die Beziehungen zu Großbritannien zukünftig gestalten?

Brodtmann: "Europa ist wichtig und ein starkes Europa noch wichtiger! Für den Maschinen- und Anlagenbau sind die EU-Partnerländer bedeutsame Absatzmärkte, und die VDMA-Volkswirte gehen davon aus, dass die Lieferungen in diese Länder weiter zulegen.

Der Brexit hingegen wird deutliche Spuren bei den Investitionen auf der Insel hinterlassen, das bedeutet perspektivisch einen Rückgang des Geschäfts mit Großbritannien. Insgesamt wird der Brexit die Beziehungen der EU-Partnerländer zu Großbritannien auf eine Probe stellen. Denn es geht nicht nur um Mehrkosten und zusätzliche Bürokratie, es drohen auch neue technische Handelshemmnisse durch unterschiedliche Regulierung. Insgesamt eine für alle Beteiligten nachteilige Entwicklung, von gesellschaftspolitischen Aspekten einmal ganz abgesehen…"

Produktion: "In technologischer Hinsicht muss sich die Branche mit einer sich ändernden Mobilität, aber auch mit Ableitungen aus der Klimapolitik beschäftigen. Wie werden diese Themen den Maschinen- und Anlagenbau verändern?

Brodtmann: "Die Relevanz des Maschinen- und Anlagenbaus bei diesen Themen ist hoch. Denn technologische Lösungen sind für den Wandel in der Mobilität und im Energie- und Umweltbereich essentiell. Um diese Rolle als Lösungsgeber erfüllen zu können, brauchen wir bestmögliche Rahmenbedingungen für Forschung und Entwicklung sowie den grundsätzlichen Ansatz von Technologieoffenheit. Die beste Technik muss sich durchsetzen können, nicht politische Meinungen.

Klar ist auch, dass die Unternehmen im Maschinen- und Anlagenbau den Wandel nicht nur technologisch mitgestalten, sondern auch miterleben und sich ebenfalls umstellen müssen. Denn Mobilität, Logistik und Energie sind die wichtigen Bausteine des industriellen Alltags."

Produktion: Auch die Zukunft der Arbeit lässt dem Maschinen- und Anlagenbau keine Ruhe, der Fachkräftemangel ist teils deutlich spürbar. Wird das die erfolgsgewöhnte Branche ausbremsen?

Brodtmann: "Der Mensch steht im Maschinen- und Anlagenbau im Mittelpunkt, von seinen Fähigkeiten und Qualifikationen leben technologische Innovation, Lösungskompetenz und das tägliche ‚doing‘. Vor diesem Hintergrund muss der steigende Fachkräftemangel wirksam bekämpft werden, es darf dabei keine Zeit verloren werden. Die Ausbildungsquote im deutschen Maschinen- und Anlagenbau liegt seit 15 Jahren höher als 6 Prozent und damit über dem Durchschnitt des Verarbeitenden Gewerbes von rund 5 Prozent.

Trotz enormer Anstrengungen gelingt es den Maschinenbauunternehmen jedoch nicht, alle Ausbildungsplätze zu besetzen. Hier droht eine Wachstumsbremse. Es braucht daher in Deutschland eine Investitions- und Modernisierungsoffensive insbesondere für Berufsschulen, die innerhalb der Bildungspolitik allzu oft personell und materiell stiefmütterlich behandelt werden. Denn die duale Ausbildung ist das wichtigste Instrument, um den Fachkräftebedarf langfristig zu decken. Dieses Modell darf nicht leerlaufen."

Produktion: Wie wichtig ist es Ihnen als Hauptgeschäftsführer des größten deutschen Branchenverbandes, dass Deutschlands Maschinenbauer in Berlin Flagge zeigen und die Gelegenheit zur politischen Einflussnahme auch nutzen?

Brodtmann: "Der Maschinen- und Anlagenbau ist mit 1,35 Millionen Erwerbstätigen im Inland der größte industrielle Arbeitgeber im Land, er ist das industrielle Rückgrat. Daher ist es wichtig, unsere Positionen und unsere Expertisen mit einer deutlich wahrnehmbaren Stimme in der Bundespolitik zu platzieren. Für den VDMA ist die ständige Präsenz in Berlin daher sehr wichtig.

Der Maschinenbau-Gipfel ist in diesem Zusammenhang ein besonderes Highlight unter unseren zahlreichen Aktivitäten in der Hauptstadt. Er ist die große Bühne des Maschinen- und Anlagenbaus und diese Bühne wird von Politik, Medien und unserem Netzwerk sehr stark wahrgenommen. Ich freue mich deshalb auf die zehnte Auflage des Maschinenbau-Gipfels in diesem Oktober!"

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