Industrieanlage in der Nacht mit Beleuchtung

Der Großanlagenbau musste 2020 Verluste verkraften. - (Bild: industrieblick - stock.adobe.com)

Für den Großanlagenbau war 2020 ein sehr schwieriges Jahr. Mit knapp zwölf Milliarden Euro sind die Aufträge um 35 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Das erklärte die VDMA Arbeitsgemeinschaft Großanlagenbau (AGAB) jetzt auf einer Pressekonferenz. Vor allem im Neuanlagengeschäft wurden Investitionen verschoben.

Weitere Einbrüche gab es auch bei den Großaufträgen: Konnte die Branche 2019 noch 95 solcher Aufträge an Land ziehen, waren es im vergangenen Jahr nur noch 70 – darunter war allerdings auch ein Megaauftrag mit mehr als 500 Millionen Euro Projektvolumen. 48.600 Mitarbeiter hat die Branche Ende 2020 in Deutschland und Österreich beschäftigt. Das sind zehn Prozent weniger als im Jahr davor. Ein gutes Drittel davon waren Ingenieure.

Dennoch konnten sich die Unternehmen laut VDMA im schrumpfenden Markt behaupten. Gründe dafür waren laut AGAB die Flexibilität der Mitarbeitenden, der hohen Innovationskraft der Firmen und die auf Langfristigkeit aufgestellten Geschäftsmodelle. Auftragsbestände aus den vergangenen Jahren halfen dabei, Umsätze zu erzielen, die mit 16,3 Milliarden Euro auf Vorjahresniveau lagen. „Dies ermöglichte es unseren Mitgliedern, auch während der Krise notwendige Investitionen in die Zukunftsfähigkeit der Branche – etwa in den Bereichen Digitalisierung und Nachhaltigkeit – zu tätigen“, sagte Jürgen Nowicki, Sprecher der AGAB und CEO von Linde Engineering.

Historischer Einbruch im Exportgeschäft

Schmerzen dürfte den Unternehmen vor allem der historische Einbruch im Exportgeschäft bereiten. Die Ausfuhrquote des Großanlagenbaus lag 2020 bei rund 73 Prozent. Der Auftragseingang sank jedoch um 42 Prozent auf 8,6 Milliarden Euro – das ist das Niveau von 1989. Mit Ausnahme Osteuropas waren alle Regionen in ähnlichem Ausmaß betroffen. Wichtigster Auslandsmarkt war Russland mit Bestellungen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro. Die Nachfrage aus anderen wichtigen Märkten wie China, Indien und den USA fiel dagegen auf „langjährige Tiefstwerte“, so Nowicki.

Der Rückgang betrifft dabei alle Branchen. Am größten war er Ersatzteil- und Kleinaufträgen mit 72 Prozent gefolgt von Hütten- und Walzwerken (55 Prozent) sowie Chemieanlagen. Die Aufträge bei den Kraftwerken gingen um 29 Prozent zurück.

Trotz der schlechten Zahlen blickt die AGAB optimistisch in die Zukunft. Mehr als 90 Prozent der Mitgliedsunternehmen gehen von konstanten oder steigenden Bestellungen im laufenden Jahr aus. Dafür sieht die Branche mehrere Gründe: die weltwirtschaftliche Erholung, eine Deeskalation von Handelskonflikten und umfangreiche Konjunkturprogramme.

Aufholprozess wird noch zwei Jahre dauern

„Darüber hinaus bietet der Großanlagenbau seinen Kunden mit digitalen Services, Mitarbeiterschulungen und Technologien für mehr Nachhaltigkeit genau die Lösungen an, die im aktuellen Marktumfeld besonders gefragt sind“, erklärte Nowicki. Probleme bei der Projektabwicklung machen derzeit aber weiterhin die Reisebeschränkungen und Quarantäneauflagen. Viele Anlagenbauer rechnen daher nur mit einem schrittweisen Aufholprozess, der sich noch bis 2023 ziehen könnte.

Durch die steigende Nachfrage an Technologien zur Einsparung von Energie und Treibhausgasen eröffnen sich dem Großanlagenbau Chancen, neue Angebote im Markt zu platzieren und die Betreiber von Anlagen zu einer ressourcenschonenden Produktion zu befähigen“, sagte Nowicki außerdem.

Die Branche liefere unter anderem Elektrolyseure und Gesamtanlagen zur Erzeugung von Wasserstoff, der in der Energiewirtschaft der Zukunft eine zentrale Rolle spielen könnte. „Als Voraussetzung für die Etablierung eines solchen nachhaltigen Systems muss die Politik jedoch verlässliche Rahmenbedingungen schaffen – etwa für den Ausbau der regenerativen Stromerzeugung“, erklärte Nowicki. Ohne die Nutzung erneuerbarer Energien könne kein Sektor entscheidende Beiträge zum Klimaschutz erbringen.

Digitalisierungsschub im Großanlagenbau

Die VDMA Arbeitsgemeinschaft rief die Politik außerdem dazu auf, die Wettbewerbschancen der europäischen Unternehmen zu verbessern. Zum Thema europäischen Regeln für eine nachhaltige Finanzierung sagte Nowicki: „Alle Technologien, die den Pariser Umweltzielen entsprechen und zu einer Emissionsreduktion beitragen, müssen aus der Sicht des Großanlagenbaus Zugang zu nachhaltiger Finanzierung erhalten und durch Exportkreditgarantien flankiert werden können.“ Generell beobachtet die Branche einen gestiegenen Preis- und Konsolidierungsdruck.

Durch die Corona-Pandemie erlebt der Großanlagenbau außerdem einen Digitalisierungsschub. Ferninbetriebnahmen, Fernwartungen und Fernaudits haben deutlich an Bedeutung gewonnen.  „Technologien wie Roboter und Drohnen oder auch Virtual-Reality-Anwendungen könnten auf Baustellen zukünftig eine wichtigere Rolle spielen und manuelle Tätigkeiten unterstützen oder sogar vollständig ablösen“, erklärte Nowicki.

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