Tarifstreit,IG Metall,Streik,Warnstreik

Im aktuellen Tarifstreit in der metall-
und Elektroindustrie stehen die Zeichen auf Sturm. - (Bild: Frank-Vincentz/Wikimedia/CC-BY-SA-3.0)

Die Tarifrunde in der deutschen Metall- und Elektroindustrie mit ihren rund 3,9 Millionen Beschäftigten geht in die heiße Phase. Die IG Metall will sich nicht lange mit den gerade begonnenen Warnstreiks aufhalten, die bereits ab kommenden Montag (8. Januar) zu stundenweisen Ausständen mit zehntausenden Teilnehmern führen werden. Sollte eine Annäherung bis Ende Januar nicht erkennbar sein, will die Gewerkschaft entweder zu ihren neuen 24-Stunden-Warnstreiks greifen oder gleich zur Urabstimmung für Flächenstreiks aufrufen.

Ein unbefristeter Arbeitskampf in den auf Hochtouren laufenden Schlüsselbranchen wie Auto, Maschinenbau und Elektro wäre für die Unternehmen schmerzhaft und durchaus außergewöhnlich. Der letzte Metall- und Elektro-Streik datiert aus dem Jahr 2003, als die IG Metall auch im Osten die 35-Stunden-Woche durchsetzen wollte und damit nach vier Streikwochen krachend scheiterte. Immer noch müssen ostdeutsche Tarifbeschäftigte für das gleiche Geld drei Stunden in der Woche länger arbeiten als ihre Kollegen im Westen.

Jetzt hat die mächtigste und nach vielen Jahren ohne Streiks auch finanzkräftigste Gewerkschaft Deutschlands neben 6 Prozent mehr Geld ein schwieriges Arbeitszeit-Thema aufgerufen: Jeder Beschäftigte soll das Recht erhalten, seine Wochenarbeitszeit für einen Zeitraum von bis zu zwei Jahren von 35 auf 28 Stunden zu reduzieren. Nicht wenige Beschäftigte sollen zusätzlich einen unterschiedlich ausgestalteten Teillohnausgleich erhalten: Alle Schichtarbeiter, Eltern junger Kinder sowie Beschäftigte, die zu Hause Angehörige pflegen.

Schon heute Personalmangel

Wie viele Menschen in den Genuss des als "tarifliche Sozialleistung" gepriesenen Lohnausgleichs kommen könnten, ist umstritten: Die Arbeitgeber befürchten mehr als zwei Drittel. Es drohe ein faktischer Einstieg in die 28-Stunden-Woche, warnt Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger und weist auf knappe Personaldecken hin. "Uns fehlt heute schon das Personal, um die Aufträge hier in den deutschen Werken abarbeiten zu können. Den Engpass darf man nicht noch verschärfen." Viel lieber würde Gesamtmetall flexiblere Arbeitszeitmodelle vereinbaren, die auch eine generelle Ausweitung nach oben zu 40 Stunden Wochenarbeitszeit ermöglichten.

Die IG Metall meint indes, dass nur ein kleinerer Teil der um die 40 Prozent Anspruchsberechtigten beruflich kürzer treten würde. Der Erste Vorsitzende Jörg Hofmann sieht die Unternehmen in der sozialen Pflicht: "Gesundheitsprävention und Sorgearbeit löst die soziale Mitverantwortung der Arbeitgeber aus, denn Eigentum verpflichtet." Ein genereller Einstieg in die 4-Tage-Woche sei nicht geplant, es müssten vielmehr moderne Arbeitsverhältnisse begründet werden.

Schon jeder zusätzliche Lohn-Prozentpunkt würde die Arbeitgeber laut Gesamtmetall rund zwei Milliarden Euro im Jahr kosten, während die finanziellen Folgen der vorgeschlagenen Arbeitszeitverkürzung wegen der unklaren Teilnehmerzahlen kaum absehbar sind. Gestützt auf ein Rechtsgutachten halten die Arbeitgeber die Ausgleichszahlungen ohnehin für illegal, weil damit Teilzeitkräfte benachteiligt würden, die schon jetzt freiwillig weniger arbeiten. Konkret ist die IG Metall bislang nur für die rund eine Million Schichtarbeiter geworden: Jeder soll fünf Freischichten pro Jahr erhalten, auf unterem Niveau bezahlt, was über den Daumen rund 750 Euro pro Fall ausmachen würde. Weitere, unbezahlte Freischichten wären möglich.

Erheblichen Rückenwind haben die Gewerkschaften durch die gute konjunkturelle Lage mit überdurchschnittlichen Wachstumsraten und einer starken Nachfrage nach deutschen Industrieprodukten aus dem Ausland. Auch wenn der Aufschwung nach Einschätzung der Deutschen Bundesbank mittelfristig an Schwung verlieren dürfte, bleibt vor allem das Angebot an Arbeitskraft knapp und begrenzt weiteres Wachstum. Die Unternehmen müssen gute Leute halten, neue anwerben oder massiv Produktionsteile ins Ausland verlagern.

Es wird eng für die Arbeitgeber

Die Bundesbank prognostiziert für dieses Jahr einen dynamischeren Lohnanstieg als zuletzt, der auch zu teureren Waren und Dienstleistungen führen werde. Und Ifo-Institut aus München erwartet für dieses und das kommende Jahr bei den Bruttolöhnen ein Plus von 3,4 beziehungsweise 3,5 Prozent. Der Experte Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sieht daher die Tarifbeschäftigten bei den Verhandlungen in einer starken Position. "Durch die zunehmende Arbeitskräfteknappheit wird es in den Lohnrunden enger für die Arbeitgeber", sagte er dem "Handelsblatt".

Die nächste Verhandlungsrunde ist für den kommenden Donnerstag (11. Januar) in Stuttgart anberaumt. Die extreme Komplexität der Materie spricht eigentlich für einen erneuten Pilotabschluss im Metall-Musterländle Baden-Württemberg. Seit der Wiedervereinigung wurden dort 9 von insgesamt 17 Abschlüssen in der Metall- und Elektroindustrie geschlossen.

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dpa