Eine Person deutet auf einer Glaswand auf das Wort Transformation. Daneben passende Symbole

Die Elektroindustrie fordert mehr Tempo bei der Digitalisierung. - (Bild: Funtap - stock.adobe.com)

Die Bundestagswahl ist entschieden, doch es wird noch einige Zeit dauern, bis es eine neue Regierung geben wird. Zu lange sollten die Sondierungsgespräche und Koalitionsverhandlungen jedoch nicht dauern, machte Dr. Gunther Kegel, Präsident des Elektroverbands ZVEI heute klar. „Die Aufgaben, die wir haben, sind so dringlich, wir können keine weiteren drei Monate damit verschwenden, nur Sondierungsgespräche zu führen“, sagte er. Sein Appell deshalb: Die neue Regierung müsse schnell handlungsfähig sein.

Ein Thema ist dem ZVEI dabei besonders wichtig: Die Digitalisierung. In den derzeitigen Gesprächen habe das Thema zum Glück einen deutlich höheren Stellenwert, als im Wahlkampf, sagte Geschäftsführer Wolfgang Weber.

Diese drei Erwartungen hat die Elektroindustrie an die neue Bundesregierung:

1. Künstliche Intelligenz: Neue Prioritäten setzen

In vielen Bereichen wird das automatische erfassen von Daten und künstliche Intelligenz immer wichtiger. Jedoch gibt es oft hohe regulative und bürokratische Hürden. Laut ZVEI fühlt sich deshalb jedes zweite Unternehmen eingeschränkt. Der Verband schlägt deshalb vor, die Regulierungsbedarfe bei industrieller KI anders zu bewerten, als bei konsumentennahen Anwendungen.

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Wichtig sei auch, das Abwägen von Chancen und Risiken neu auszutarieren, sagte Kegel. Derzeit werde sich in der Politik noch zu stark an der Frage der Risikominimierung orientiert. Dabei werden die großen Chancen, die neue Technologien einbringen, vernachlässigt, so der ZVEI-Präsident. „KI muss als Chance und nicht als Risiko gesehen werden.“

KI sollte deshalb in Europa noch entschlossener gefördert werden – vor allem an Hochschulen für angewandte Wissenschaften, so Kegel. Zudem muss die KI-Förderung laut ZVEI dort angesetzt werden, wo Deutschland führend ist. Zum Beispiel beim Zusammenspiel von Künstlicher Intelligenz mit Edge-Technologien und Cybersicherheit.

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2. Datenschutz überarbeiten und Potenzial der Daten erkennen

„Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der Politik, damit wir Daten nicht nur erheben, sondern auch sinnstiftend nutzen können“, sagte Kegel. In einer Umfrage des ZVEI gab die Hälfte der Unternehmen an, sich bei der Datennutzung eingeschränkt zu fühlen. Dazu trägt auch die DSGVO bei: Für mehr als ein Drittel der Elektrounternehmen ist die fehlende Rechtssicherheit ein wesentliches Hemmnis bei der Digitalisierung.

„Die neue Bundesregierung muss einen pragmatischen Weg finden, wie sich auch personenbezogene Daten rechtssicher im Rahmen der DSGVO nutzen lassen – etwa durch klar definierte Anonymisierungsverfahren“, erklärte Kegel. Hier dürfe Deutschland im internationalen Wettbewerb nicht noch weiter zurückfallen.

In diesem Zusammenhang mahnt der Verband auch an, digitale Datenaustauschmodell in der Industrie nicht durch zusätzliche Regulierungen einzuschränken.

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3. Mikroelektronikbranche in Deutschland und Europa stärken

Die Halbleiterkrise zieht weiter Kreise, wie wir unter anderem hier berichten. Bosch und Infineon haben kürzlich neue Werke eröffnet (zu den Berichten gelangen Sie hier und hier). Dennoch wird der Chipmangel nach Einschätzung Kegels noch weit ins kommende Jahr hineinreichen. Er erwartet erst 2023 eine Normalisierung. Einer der Gründe: der Bedarf an Halbleitern wird in den kommenden Jahren massiv steigen.

„Deshalb reicht es nicht aus, nur Löcher zu stopfen“, sagte Kegel. „Wir müssen die technologische Souveränität Europas sichern.“ Nur acht Prozent der weltweiten Halbleiterwerke liegen momentan in Europa. Der ZVEI fordert deshalb die Förderung beim Produktionsausbau in Bereichen, in denen Europa stark sei, aber auch Investitionen in Bereichen, in denen Europa aufholen müsse. „Wenn andere Regionen klotzen, dürfen wir nicht kleckern“, so der Verbandspräsident. Das zweite europäische IPCEI für Mikroelektronik müsse jetzt schnell Fahrt aufnehmen und zusätzlich durch eine deutlich aktivere Standortpolitik flankiert werden.

Zudem solle eine langfristige Strategie aufgesetzt und umgesetzt werden, um die technologische Souveränität Europas zu sichern. 

Weiteres wichtiges Thema: Klimaschutz

Auch im Bereich erneuerbare Energien sieht der ZVEI massiven Handlungsbedarf. Klimaschutz sei auch eine Chance für Wachstum und Innovation, sagte Kegel. Mit Blick auf die Sondierungsgespräche zwischen den Grünen und FDP erklärte er, die beiden Parteien werden sich in der Zielstellung schnell einig sein. Die große Differenz liege darin, wie das Ziel erreicht werden solle.

Klimaschutz sei ein wichtiges Thema in den Unternehmen. Was jedoch fehlt, seien ausreichend erneuerbare Energien. Wenn der nachhaltige Strom weiter von Kohlekraftwerken komme, mache das keinen Sinn. Deshalb sei das A und O, im Bereich erneuerbare Energien schneller zu werden.

Welche Pläne die Parteien beim Thema Klimaschutz in der Industrie haben, lesen Sie hier.

Ausblick: So ist die Lage in der Elektro- und Digitalindustrie

Für das laufende Jahr erwartet der Verband ein Produktionsplus von acht Prozent – trotz Materialknappheit und Lieferschwierigkeiten. Anders als in anderen Branchen können die Krisenverluste aus dem Corona-Jahr 2020 mehr als wettgemacht werden.

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