Georg Stieler informiert sich auf der CIIF in Shanghai über Robotik und Automation.

Georg Stieler, Managing Director von 'Stieler Enterprise Management Consulting', informierte sich auf der China International Industry Fair (CIIF) in Shanghai über die neuesten Trends aus Robotik und Automation. - (Bild: Stieler)

China bleibt der weltweit wichtigste Absatzmarkt für Robotik. Das belegen auch die Zahlen der International Federation of Robotics (IFR). 36 Prozent aller weltweit installierten Roboter fanden demnach 2018 ihr neues Zu Hause in Chinas Fabriken.

Dennoch macht sich die Konjunktur-Flaute in China auch im Robotik- und Automatisierungssektor bemerkbar. Georg Stieler ist Managing Director der Beratung ‚Stieler Enterprise Management Consulting‘ in Shanghai und hat drei Thesen aufgestellt, warum der chinesische Markt derzeit auch im Bereich Robotik und Automation schwächelt.

1. Wachstumsschwäche ist strukturell, Strafzölle bisher nur ein Nebeneffekt

Die Wachstumsschwäche der chinesischen Volkswirtschaft sind laut Stieler in erster Linie strukturell bedingt. So sei das Wachstum in den vergangenen zehn Jahre vorrangig schuldengetrieben gewesen, während die Faktorproduktivität nicht zugenommen hat.

Nach Berechnungen der ‚Bank for International Settlements‘ ist der Privatsektor in China mittlerweile stärker verschuldet als in den USA, berichtet Stieler. „Und das basiert auf offiziellen Zahlen, die reale Situation könnte noch schlimmer sein“, erläutert der China-Experte.

Die staatlichen Maßnahmen zur Konjunkturbelebung wirken allerdings immer weniger, erklärt Stieler: „Es fließt immer mehr Kapital in schlechte Investments, die Anzahl platzender Anleihen steigt. Das Ganze funktioniert eigentlich nur noch aufgrund der stetigen Ausweitung der Geldmenge bei gleichzeitig strengen Kapitalverkehrskontrollen. Würden viele Autohersteller ihre Fahrzeuge nicht mit Rabatten von bis zu 50 Prozent anbieten, hätte China dieses Jahr wohl eine Inflation von über 20 Prozent.“

Zu dieser Entwicklung kommen jetzt noch die Strafzölle aus den USA. Sie haben laut Stieler bereits im vergangenen Jahr für Unsicherheit bei Investitionen gesorgt. Allerdings schlagen sie sich erst jetzt in den Quartalsergebnissen der Unternehmen nieder, teilt der China-Kenner mit.

Zu den Strafzöllen berichtet Stieler weiter: „Es ist wahr, dass die chinesischen Vergeltungsmaßnahmen auf die amerikanischen Strafzölle insbesondere deutsche Autohersteller im vergangenen Jahr stark getroffen hat. Sie gehören zu den größten Exporteuren aus den USA nach China. Allerdings hätte es ohne den Druck der Amerikaner auch keine Zugeständnisse in der Form gegeben, dass BASF sein neues Werk in Guangzhou ohne chinesischen Partner bauen darf. Oder deutsche Autokonzerne nun die Anteile an ihren chinesischen Joint-Ventures aufstocken dürfen.“

Die offiziellen 6,2 Prozent GDP-Wachstum im zweiten Quartal 2019 sind Stielers Einschätzung nach wohl deutlich zu optimistisch. Denn wichtige Industriezweige wie Automobile oder Smartphones wachsen nicht mehr. Auch die rückgängige Entwicklung der Exporte von Chinas Nachbarländern legt laut Stieler nahe, dass das reale Wachstum deutlich geringer sein dürfte. „Spätestens seitdem zweiten Halbjahr 18 muss uns klar sein, dass die linearen Annahmen der letzten Jahre nicht mehr gelten“, fasst der China-Experte zusammen. Dies zu akzeptieren falle schwer, nachdem China für viele deutsche Unternehmen in den vergangenen zehn Jahren der wichtigste Wachstumsmarkt war.

Was ist die China Robot Industry Alliance (CRIA)?

Die China Robot Industry Alliance ist eine gemeinnützige Organisation, die sich aus insgesamt 360 freiwilligen Unternehmen, Manufakturen, Universitäten, Forschungsinstituten, regionalen oder lokalen Roboter Verbänden, verwandten Organisationen sowie staatlich geförderten Organisationen in den Bereichen Forschung und Entwicklung, Herstellung, Anwendung und Dienstleistungen der Roboterindustrie in China zusammensetzt. Die Organisation bietet eine Plattform für Informationsaustausch, Anwendungsförderung sowie Ausbildung und Training. Gleichzeitig soll die Zusammenarbeit zwischen Robotern und Industrie beschleunigt und die Anwendung von Robotertechnologie und -produkten international stärker verbreitet werden.

2. Robotik- und Automationsmarkt: Absatzgaranten Auto und 3C schwach

Wie Georg Stieler berichtet, war 2018 das erste Jahr seit 1990, in dem der Autoabsatz in China zurückging, Tendenz weiter fallend. Die Überkapazitäten in der chinesischen Autoindustrie sind seiner Einschätzung nach größer als die gesamten Fertigungskapazitäten in den USA. Dementsprechend sei eine rückläufige Entwicklung natürlich fatal. Bisher seien in erster Linie Hersteller aus dem Low und Mid End Segment betroffen. „Peugeot und FCA planen, sich aus dem Markt zurückzuziehen“, berichtet Stieler.

New Energy Vehicles (NEV) taugen indessen nur bedingt als Lichtblick, fährt der China-Experte fort. Nach Kürzung der großzügigen Subventionen im zweiten Quartal seien die Verkäufe von Elektrofahrzeugen eingebrochen. „Das gerade auch in der deutschen Fachpresse sehr gehypte EV-Startup NIO hat im Juli weniger als 840 Fahrzeuge verkauft“, erklärt Georg Stieler. Wettbewerber Byton habe noch nicht einmal ein Serienfahrzeug auf der Straße. Das gesamte Marktsegment NEVs schrumpfte im Juli 4,7 Prozent und im August sogar um 21 Prozent, teilt Stieler mit.

Auch die Nachfrage nach Smartphones ist laut Stieler seit dem vergangenen Jahr zurückgegangen. Der einzige Hersteller, der nennenswert wächst, sei Huawei. Gleichzeitig sieht Stielers Management-Beratung gerade auch im Elektronikbereich eine verstärkte Tendenz zur Verlagerung von Produktionskapazitäten in andere Schwellenländer. Samsung, immer noch der weltweite Marktführer in diesem Segment, habe beispielsweise angekündigt, in diesem Jahr seine letzte Smartphonefabrik in China zu schließen.

Wie Stieler beobachtet, zeigen sich in diesem Jahr die Absatzmärkte Plastics & Rubber, Food & Beverage sowie der allgemeine Maschinenbau (hier insbesondere Baumaschinen) relativ stabil. Obwohl die Stimmung auf der ‚China International Industry Fair‘ CIIF in Shanghai besser war als erwartet, rechnet Stielers Management-Beratung für das 3. Quartal 2019 mit einem Rückgang bei den Roboterverkäufen in China von 8 Prozent. Grund dafür sind Aussagen der Top4-Roboterhersteller sowie die Rückmeldungen der großen Systemintegratoren, mit denen das Unternehmen in China zusammenarbeitet.

3. China technologisch nicht führend, einheimische Roboterhersteller dennoch im Vorteil

In den vergangenen zwei, drei Jahren hat man in Deutschland viel darüber gelesen, wie sich China vom Billiglohnstandort zu einem globalen Innovationsmotor entwickelt. In diesem Zusammenhang wurden laut Stieler auch häufig Robotik und Künstliche Intelligenz genannt, weil sie Teil der Made in China 2025-Strategie der chinesischen Regierung waren. „Aufgrund der verhältnismäßig immer noch geringen Arbeitskosten sehen wir die anspruchsvollsten Robotik- und Automationslösungen allerdings immer noch eher in Hochlohnländern“, sagt Georg Stieler.

Wie der China-Experte beobachtet, setzt sich der Trend aus dem vergangenen Jahr fort, dass einheimische Roboterhersteller ihren Marktanteil steigern können. Ein Rückgang der Robotik-Investitionen bei den führenden Unternehmen in den Bereichen Automotive und 3C führte laut Stieler außerdem zu einem Umsatzrückgang bei ausländischen High-End-Roboterherstellern.

Stieler erläutert: „Kleine und mittlere Unternehmen mit geringerem Automatisierungsgrad und geringeren Qualitätsanforderungen ziehen es vor, günstigere einheimische Produkte einzusetzen wie zum Beispiel die Lichtbogenschweißlösungen von Honyen oder die Metallbiegelösungen von Estun. Wir haben auf der CIIF günstige 5-Achs-Roboter für Anwendungen in der Elektronikindustrie für umgerechnet 3600 Euro gesehen. Die günstigsten Schweißroboter gehen mittlerweile bei knapp über 5000 Euro los.“ Wie diese Unternehmen das wirtschaftlich darstellen, sei teilweise nur schwer nachvollziehbar. Ausländische Hersteller hätten sich diesem Druck zu beugen. Fanuc verkauft in China Stielers Erfahrung nach etwa 30 Prozent unter dem japanischen Preisniveau.

Ein weiterer Vorteil einheimischer Anbieter ist laut Stieler die Tatsache, dass sie schneller sind. Es bestehe eine größere Bereitschaft, Entscheidungen zu treffen und Risiken einzugehen. Anpassungen könnten falls notwendig während der Umsetzung vorgenommen werden. Für einheimische Mitarbeiter scheint dies häufig der überzeugendere Ansatz, berichtet Stieler. „So sind etwa einige Schlüsselpersonen aus dem Vertrieb und Marketing von Universal Robots zu dem Newcomer Elite gewechselt“, erklärt Stieler.

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Fazit

Die Tatsache, dass europäische Unternehmen ihren chinesischen Konkurrenten technologisch noch überlegen sind, darf kein Grund zur Selbstzufriedenheit sein, warnt Stieler. „Chinesische Wettbewerber lernen schnell und zeigen die Bereitschaft, härter und mehr zu arbeiten“, berichtet Stieler. Meetings am Wochenende seien hier keine Seltenheit.

„Autozulieferer bringen Produktionslinien aus Europa oder Japan nach China und tauschen in weiteren Linien europäische Komponenten gegen günstigere chinesische Produkte aus“, fährt der China-Experte fort. Teilweise gingen diese dann in andere asiatische Länder oder auch schon nach Lateinamerika. Damit findet Robotik und Automationstechnik aus China bereits heute ihren Weg in andere Länder und Regionen, teilt Stieler mit. „Der Vorsprung in Europa ist nicht in Stein gemeißelt und droht gerade, verspielt zu werden“, sagt der China-Kenner abschließend.

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