Es war ein erfolgreiches erstes Jahr für Roland Busch als neuer Siemens-Chef– und das trotz Corona und der derzeitigen Lieferkrise. Denn die Zahlen, die der Konzern am heutigen Donnerstag (11.11.) auf der Jahrespressekonferenz präsentiert hat, sprechen für sich: Siemens konnte seine Prognose, die der Konzern während des Geschäftsjahres immer wieder erhöht hatte, übertreffen.
Der Gewinn stieg demnach im Vergleich zum Vorjahr um fast 60 Prozent auf 6,7 Milliarden Euro. Ebenfalls zweistellig gewachsen sind der Auftragseingang – von 58 Milliarden Euro 2020 auf nun 71, 4 Milliarden Euro – und der Umsatz (2020: 55,3 Milliarden Euro; 2021: 62,3 Milliarden Euro). Siemens schlägt den Aktionären deshalb eine Dividende von vier Euro pro Aktie vor. Das sind 50 Cent mehr als im Geschäftsjahr 2020.
Und auch die einzelnen Sparten entwickelten sich dementsprechend, zum Beispiel Digital Industries. Hier stieg der Umsatz um 13 Prozent und übertraf damit die Wachstumsziele. Der Bereich Smart Infrastructure erreichte mit acht Prozent Wachstum seine Ziele. Das zeige, wie Siemens trotz Schwierigkeiten in der Lieferkette in der Lage war, die Kunden zu bedienen, so Busch.
Längere Lieferzeiten auch 2022
Denn das Thema Lieferengpässe beschäftigt natürlich auch die Siemens-Führungsetagen. Busch gab sich auf der Pressekonferenz jedoch relativ gelassen: „Unsere Teams konnten die Auswirkungen von Engpässen bei Bauteilen bislang sehr erfolgreich minimieren und deswegen sind wir auf hohem Niveau lieferfähig geblieben“, sagte er. Siemens bündle seine Nachfrage nach Rohstoffen und Bauteilen, „was uns den Rang eines relevanten Partners bei mehr als 1.500 strategischen Zulieferern sichert“, so Busch.
Dennoch rechnet der Siemens-Chef auch für die erste Hälfte des Geschäftsjahres 2022 weiterhin mit längeren Lieferzeiten. Der Grund: Der Konzern müsse einen hohen Auftragsbestand abarbeiten bei gleichzeitigen Engpässen bei Bauteilen, höheren Materialpreisen, steigenden Transportkosten und teilweise Fachkräftemangel. Durch „preisliche Anpassungen“ über das Jahr hinweg sollen die Auswirkungen auf die Profitabilität begrenzt werden.
Derzeit profitiert Siemens vor allem von der Erholung der Märkte und den durch Corona entstandenen Entwicklungen. Man sehe einen „unglaublichen Zug“ beim Bedarf nach Digitalisierung, Automatisierung und Nachhaltigkeit, sagte Busch. „Das spielt unserem Portfolio in die Hände.“
Was passiert mit der Kernsparte Mobility?
Natürlich blickt Siemens schon nach vorne. Busch verkündete, dass mit Siemens Large Drives ein weiterer Geschäftsteil, der nicht zum Kerngeschäft gehört, ausgegliedert werden soll. „Wir werden dem Geschäft für große Antriebe mehr unternehmerische Freiheit geben, damit es sich noch besser entwickeln kann“, so Busch zur Entscheidung. Zudem soll Siemens Logistics in zwei Geschäftsteile aufgeteilt werden: zu Logistiklösungen für Post und Pakete und Logistiklösungen für Flughäfen.
Festhalten will Busch dagegen an der kleinsten Kernsparte – Mobility. Konkurrent General Electric (GE) hatte diese Woche angekündigt, seinen Konzern aufzuspalten. Auch bei Siemens wird von externen Experten immer wieder infrage gestellt, ob Mobility weiter zum Kernportfolio passt.
Busch betonte, er sehe „überhaupt keinen Grund“, etwas zu ändern. Einen kleinen Seitenhieb in Richtung GE konnte er sich dabei nicht verkneifen: Im Vergleich zum amerikanischen Konkurrenten sei man eigentlich zwei Schritte voraus, sagte er. Zur Erinnerung: Siemens Energy wurde vergangenes Jahr abgespalten, Siemens Healthineers schon 2018.
Verhaltene Prognose für das Geschäftsjahr 2022
Derzeit beschäftigt sich Siemens unter anderem mit den Themen Nachhaltigkeit und Elektromobilität. So erklärte Busch schon zu Beginn seiner Rede: „Während wir hier sprechen, beraten die Regierungen der Welt in Glasgow, wie wir die Ziele des Pariser Abkommens erreichen können. Es geht um nichts weniger als die Zukunft der Menschheit.“ Man könne die Herausforderungen dieser Zeit nur gemeinsam mit Innovationen lösen.
Den Worten will Siemens auch Taten folgen lassen: Das Unternehmen hat bereits sein Rahmenwerk „Degree“ vorgestellt. Darin sind sechs Handlungsfelder festgehalten, dessen Ziele nun umgesetzt werden sollen. Dazu zählen Themen wie Dekarbonisierung und Ressourceneffizienz. Als konkretes Beispiel nannte Busch die Aktivitäten in China. Hier wolle man in vielen Industriebereichen die gesamte Lieferkette dekarbonisieren.
Auf Nachfrage eines Journalisten erklärte Busch zudem, er sehe viel Potential in der Elektromobilität und zwar bei den Themen Ladeinfrastruktur und Mittelspannungsnetzen. Dieses Portfolio bediene Siemens, sagte der CEO. Auch bei der Automatisierung und Digitalisierung der Batteriefertigung will der Großkonzern mitmischen.
Mit Blick in die Zukunft sind die Siemensianer verhalten optimistisch: Der Umsatz soll laut Prognose nur noch im mittleren einstelligen Prozentbereich wachsen. Zum Vergleich: 2021 stieg der Umsatz um 13 Prozent. Das Unternehmen gehe davon aus, dass sowohl die Engpässe in den Versorgungsketten als auch die Auswirkungen der Coronakrise im Verlauf des Geschäftsjahres 2022 nachlassen werden, erklärte Finanzvorstand Ralf Thomas.
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