Maschinengewehr bei einer Waffenausstellung

Rüstungsgüter aus den unterschiedlichsten Ländern sind nach Afghanistan exportiert worden (Symbolbild). - (Bild: Dmitry / stock.adobe.com)

Die Bundesregierung hat seit Beginn des internationalen Militäreinsatzes in Afghanistan vor knapp 20 Jahren den Export von Kriegswaffen und anderen Rüstungsgütern für mehr als 400 Millionen Euro in das Land genehmigt. Der weitaus größte Teil wurde an die Streitkräfte der Nato-Verbündeten, an Botschaften oder an die Vereinten Nationen geliefert, darunter Panzer, gepanzerte Fahrzeuge sowie Handfeuerwaffen wie Gewehre und Maschinenpistolen.

An afghanische Sicherheitskräfte ging nur ein geringer Teil. Das geht aus den jährlichen Rüstungsexportberichten der Regierung und einer aktuellen Aufstellung des Bundeswirtschaftsministeriums hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Der ab 2003 von der Nato geführte Einsatz internationaler Truppen in Afghanistan hatte nach der Anschlagsserie in den USA am 11. September 2001 mit mehr als 3.000 Toten begonnen. Seit Anfang 2002 bis heute wurden Rüstungsexporte für 418,8 Millionen Euro in das zentralasiatische Land genehmigt. Die letzten Ausfuhrerlaubnisse wurden noch in diesem Jahr erteilt: Es ging um besonders geschützte Geländewagen für die Nato und den Internationalen Währungsfonds (IWF) im Wert von zusammen 2,8 Millionen Euro.

USA haben Afghanistans Armee aufgerüstet

Ob ein Teil der exportierten Rüstungsgüter heute in den Händen der militant-islamistsichen Taliban ist, ist unklar. Die afghanischen Streitkräfte, die sich vielerorts kampflos den Taliban ergaben, sind vor allem von den USA ausgerüstet worden. Und in Washington räumt man auch schon freimütig ein, dass viel von dem militärischen Gerät nun wohl von den Islamisten genutzt werde.

"Wir haben natürlich kein vollständiges Bild davon, wohin die einzelnen Rüstungsgüter gegangen sind, aber sicherlich ist eine ganze Menge davon in die Hände der Taliban gefallen", hatte Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan am Dienstag gesagt. Inzwischen machen Bilder die Runde, auf denen Taliban-Kämpfer mit ihrer Beute für die Kameras posieren. Der US-Sender CNN schrieb am Sonntag: "Die Taliban feiern ihr neues amerikanisches Arsenal".

Alleine zwischen 2013 und 2016 statteten die USA die afghanische Armee und Polizei mit fast 600.000 Schusswaffen, 76.000 Fahrzeugen und mehr als 200 Flugzeugen aus, wie das 'Wall Street Journal' am Freitag unter Berufung auf einen US-Regierungsbericht aus dem Jahr 2017 schrieb.

CNN berichtete unter Berufung auf einen weiteren Bericht einer US-Behörde, zwischen 2017 und 2019 habe das US-Verteidigungsministerium 7.000 Maschinengewehre, 4.700 gepanzerte Humvee-Geländewagen und mehr als 20.000 Granaten geliefert. Außerdem seien Millionen Schuss Munition nach Afghanistan geschickt worden.

Rüstung: Das lieferte Deutschland nach Afghanistan

Das ist bei weitem nicht mit den Rüstungslieferungen vergleichbar, die aus Deutschland an die afghanischen Streitkräfte gingen. Deutsche Kriegswaffen wurden in erster Linie an verbündete Armeen geliefert, vor allem an die Kanadier, die 2007 sogar Kampfpanzer bekamen. Aber auch die niederländischen, ungarischen und US-Streitkräfte in Afghanistan wurden bedient.

Von den mehr als 400 Exportgenehmigungen seit 2002 ist nach Angaben aus Regierungskreisen nur etwa ein Zehntel für afghanische Empfänger erteilt worden. Dabei habe es sich vor allem um besonders geschützte Fahrzeuge, Minenräumgeräte, verstärkte Container und Schutzausrüstung wie Splitterschutzwesten oder Helme sowie Kommunikationsgeräte gehandelt, hieß es.

Nicht in den Exportzahlen enthalten sind mögliche Abgaben der Bundeswehr an die afghanischen Streitkräfte im Zuge ihrer Ausbildungs- und Unterstützungsmission. Das Verteidigungsministerium konnte dazu am Wochenende keine Angaben machen und teilte nur mit, dass die Bundeswehr bei ihrem Ende Juni abgeschlossen Abzug aus Afghanistan keine Waffen oder Ausrüstung zurückgelassen habe. "Uns liegen auch keine Erkenntnisse vor, dass Waffen der Bundeswehr in Händen der Taliban gelangt sind", hieß es weiter.

Rüstungsexporte: Das fordert die Opposition

Die Linken-Außenpolitikerin Sevim Dagdelen forderte die Bundesregierung trotzdem auf, aus dem Scheitern in Afghanistan Konsequenzen auch für die Rüstungsexportpolitik zu ziehen. «Eine Lehre aus dem Fiasko in Afghanistan muss sein, die Waffenexporte in den Vorderen und Mittleren Osten sofort zu stoppen», sagte sie. Nur so könne verhindert werden, dass Waffen in die Hände von Islamisten gerieten.

Die Grünen-Rüstungsexpertin Katja Keul stellte die Ausbildung von Streitkräften in Krisengebieten grundsätzlich in Frage. "Ohne eine stabile, legitime Regierung kann man keine loyalen Streitkräfte ausbilden oder ausrüsten", sagte sie der dpa. "Denn dann landen die militärischen Güter in den falschen Händen."

Deswegen könne auch die Ausbildungsmission der Europäischen Union im westafrikanischen Mali in der jetzigen Form keinen Erfolg haben. Dort hat es erst im Mai wieder einen Militärputsch gegeben. "Wir müssen die Fehler endlich nutzen um daraus zu lernen", forderte Keul.

Nicht jedes Kriegsgerät von Taliban sofort bedienbar

Nicht mit jedem Kriegsgerät werden die Taliban wohl auf Anhieb etwas anfangen können. Um Hubschrauber und Flugzeuge zu fliegen und in Stand zu halten, ist langes Training erforderlich. Anders sieht das aber mit Schusswaffen, Artillerie und Fahrzeugen aus. Für deren Nutzung dürften die kampferprobten Taliban keine weiteren Kenntnisse benötigen.

Das Ganze weckt böse Erinnerungen an einen anderen Konflikt: In einer Untersuchung der unabhängigen Organisation Conflict Armament Research (CAR) hieß es 2017, dass viele Waffen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) aus Lieferungen der USA stammten - die anscheinend für syrische Oppositionskräfte gedacht waren.

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