Die Osram-Chefetage empfiehlt den Aktionären des zum Verkauf stehenden Lichtkonzerns ein Übernahmeangebot aus Österreich, dessen Erfolgschancen die Manager selbst bezweifeln. In der am Montag veröffentlichten Stellungnahme äußerten Vorstand und Aufsichtsrat des Münchner Traditionsunternehmens eine ganze Reihe gravierender Bedenken gegen die Offerte des österreichischen Sensorherstellers AMS.
So sieht die Osram-Leitung das Risiko, dass die wesentlich kleinere AMS sich sowohl finanziell als auch organisatorisch überheben könnte. Die IG Metall will die Übernahme weiter verhindern; auch Konzern- und Gesamtbetriebsrat bei Osram leisten Widerstand.
Doch da AMS den Osram-Aktionären gut 300 Millionen Euro mehr bietet als die eigentlich vom Vorstand bevorzugten US-Finanzinvestoren, sprechen sich Management und Aufseher dennoch für AMS aus. Die Arbeitnehmer gaben im Aufsichtsrat ein Sondervotum gegen AMS ab, wurden aber überstimmt.
Was die Österreicher vorhaben
Die Österreicher haben große Pläne: "Wir haben die Möglichkeit, einen europäischen Champion zu schaffen", sagte AMS-Chef Alexander Everke in München. Als Beispiele nannte AMS die Entwicklung neuer optoelektronischer Produkte für Mobiltelefone, Autoindustrie und Medizintechnik, die Sensoren und LED-Beleuchtung kombinieren. Hauptkunde von AMS ist Apple, unter anderem liefern die Österreicher die Sensorik für iPhone-Displays und 3D-Gesichtserkennung.
AMS bietet 38,50 Euro je Aktie. Das wären insgesamt etwa 3,7 Milliarden Euro, während die US-Finanzinvestoren Bain Capital und Carlyle nur knapp 3,4 Milliarden Euro offerieren. AMS senkte die Annahmeschwelle für das Angebot.
Das in der Steiermark ansässige Unternehmen will sich nun zufrieden geben, wenn die Eigentümer von 62,5 Prozent der Osram-Aktien zustimmen. Die IG Metall forderte die Osram-Aktionäre auf, nicht zuzustimmen. Die ursprüngliche Schwelle war 70 Prozent.
AMS-Chef Everke gab sich siegesgewiss, dass der Übernahmeversuch trotz des Widerstands erfolgreich sein wird: "Wir kriegen sie (die Schwelle). Ich bin kein Fan von Plan B oder C." AMS will nach eigenen Angaben mit der Senkung der Übernahmeschwelle schneller zum Ziel kommen.
Wo die Bedenken liegen
Hauptbedenken sowohl im Osram-Management als auch bei den Arbeitnehmern sind die von AMS geplante Milliardenfinanzierung auf Pump, Zweifel an der Fähigkeit der Österreicher, die Übernahme zu bewältigen, und Angst vor einer drohenden Zerschlagung des mehr als 110 Jahre alten Münchner Traditionsunternehmens.
"David übernimmt hier Goliath", sagte Irene Schulz, geschäftsführendes Vorstandsmitglied der IG Metall. "Das Konzept halten wir für sehr überambitioniert. AMS hat keine Erfahrung mit Übernahmen dieser Größenordnung."
Im Zuge der Übernahme will AMS "mehrere hundert Stellen" in Deutschland abbauen, aber auch einige hundert Ingenieure einstellen, wie AMS-Chef Everke sagte. Den Widerstand der IG Metall und des Osram-Betriebsrats will AMS überwinden: "Wir wollen und werden dort nicht aufgeben und einen konstruktiven Dialog haben", sagte Everke.
Doch auch das Osram-Management ist von der Offerte keineswegs überzeugt, wie aus der Stellungnahme von Vorstand und Aufsichtsrat hervorgeht. Vorstandschef Olaf Berlien will seine eigenen 31 750 Aktien nicht an die Österreicher verkaufen.
Experten sehen Gefahr
Um Osram übernehmen zu können, will AMS ungeachtet einer jetzt schon hohen langfristigen Verschuldung von mehr als 1,4 Milliarden Euro weitere Kredite in Höhe von knapp 3,9 Milliarden Euro aufnehmen. Eine Kapitalerhöhung von 1,5 Milliarden Euro soll frisches Geld bringen.
Dass das wie vorgesehen gelingt, sehen Vorstand und Aufsichtsrat bei Osram skeptisch. Sollte die Refinanzierung nicht gelingen, würde dies negative Folgen nicht nur für die Aktionäre des zusammengeschlossenen Unternehmens, sondern auch für Mitarbeiter, Geschäftspartner und andere Stakeholder nach sich ziehen, heißt es in der Stellungnahme.
Außerdem sehen Osram-Vorstand und -Aufsichtsrat die Gefahr, dass AMS sich mit Osram schlicht überheben könnte: AMS könnte wegen geringer Erfahrung mit der Integration großer Unternehmen die Integration von Osram misslingen, warnt die Osram-Chefetage.
Die ins Hintertreffen geratenen US-Finanzinvestoren Bain Capital und Carlyle haben noch die Möglichkeit, ihr Angebot zu erhöhen. Die Annahmefrist für beide Offerten läuft bis zum 1. Oktober.
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