Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will in der aktuellen Konjunkturkrise den Zusammenbruch ganzer Industriezweige und den Verlust Tausender Arbeitsplätze in Deutschland verhindern. „Es kann ja nicht sein, dass die Beschäftigten heute allein die Zeche zu zahlen haben für die Managementfehler von gestern“, sagte Heil in einem dpa-Videointerview in Berlin. „Wer jetzt zuguckt, dass diese industrielle Basis verschwindet, der versündigt sich am Wohlstand der Zukunft dieses Landes.“
Wegen wegbrechender Aufträge schicken viele Unternehmen derzeit wieder Teile ihrer Belegschaften in Kurzarbeit, etwa im Maschinenbau, einem Rückgrat der deutschen Industrie. Im September gab es rund 268.000 Kurzarbeiter - laut Heils Ministerium 76 Prozent mehr als im Vorjahr und fast dreimal so viele wie im September 2022. Die Regierung hat die Möglichkeit zur Kurzarbeit per Kabinettsbeschluss in dieser Woche auf 24 Monate ausgeweitet.
Heil will industrielle Basis erneuern
Seit Monaten weisen die Prognosen auf eine anhaltende Wachstumsschwäche und steigende Arbeitslosenzahlen im Vergleich zum Vorjahr hin. Heil: „Da geht es um die Automobilwirtschaft, nicht nur die großen Unternehmen wie Volkswagen, sondern die Zulieferindustrie. Es geht um den Maschinenbau, es geht auch um die chemische Industrie, die Grundstoffindustrien.“
Gleichzeitig beobachte man hierzulande mit wachsender Sorge, dass China und die USA ihre Zukunftsindustrien mit großen staatlichen Programmen unterstützen. „Wenn wir in Deutschland zugucken, wie die Basis verschwindet, während in den USA - Stichwort Trump -, aber auch schon bei der Biden-Administration - eine robuste Industriepolitik gemacht wird, mit Steueranreizen, mit Handelsbarrieren, und das gleiche übrigens in China passiert, dann wären wir in Deutschland, in Europa wirklich verrückt, wenn wir unsere industrielle Basis preisgeben“, sagte Heil.
Beispiel Stahl
„In der Stahlindustrie muss beispielsweise dafür gesorgt werden, dass wir nicht mit Dumpingstahl tatsächlich hier in Europa erleben, dass unsere Stahlindustrie in die Knie geht“, mahnte der Arbeitsminister. In der EU gab es zuletzt immer wieder Befürchtungen, dass chinesische Stahlprodukte zu übermäßig niedrigen Preisen verkauft werden. China hat große Produktionskapazitäten aufgebaut, die Inlandsnachfrage war zuletzt eher schwach, weshalb mehr Stahl exportiert wurde.
Der SPD-Politiker Heil warnte vor dem Unions-Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU), der in den Umfragen vor der Bundestagswahl derzeit deutlich vor Amtsinhaber Olaf Scholz (SPD) liegt. „Wer Friedrich Merz kennt, weiß, dass ihm eine aktive Wirtschaftspolitik und eine aktive Industriepolitik zuwider ist.“ Merz glaube, der Markt regele alles allein. „Es wäre in Zeiten von aktiver Wirtschafts- und Industriepolitik in anderen Teilen der Erde geradezu naiv und fahrlässig, das in Europa und Deutschland genau so zu sehen.“
Was der Staat tun soll
Heil selbst denkt nach eigenen Worten an staatlich unterstützte Auswege im Schulterschluss von Unternehmen und Belegschaft, wenn ein Betrieb in eine prekäre Lage gerät. Wichtig seien «gemeinsame Lösungen». Standorte sollten möglichst gesichert und betriebsbedingte Kündigungen vermieden werden. Staatliche Hilfen sollten an Bedingungen geknüpft sein und nicht etwa für überholte Unternehmenskonzepte fließen.
„Unsere Aufgabe als Staat und Politik ist, mit einer aktiven Industriepolitik das so zu begleiten, dass wir ein starkes Land bleiben“ Bereits während der Corona-Krise wurden unter Heils Führung beispielsweise das Kurzarbeitergeld stark ausgeweitet und mehr Förderinstrumente für die Weiterqualifizierung von Beschäftigten auf den Weg gebracht. Dies sollte - neben den damaligen Corona-Direkthilfen - den Unternehmen helfen, ihre Belegschaften zu halten und für veränderte Jobprofile fit zu machen. Beim Kurzarbeitergeld übernimmt der Staat einen Teil des Lohns, wenn Unternehmen ihre Beschäftigten wegen Auftragseinbrüchen vorübergehend nicht beschäftigen können.
dpa