PRODUKTION: Herr Wiechers, wie groß ist Ihre Angst um die deutsche Industrie?
Ralph Wiechers: Die deutsche Industrie hat noch in jeder Krise ihre Stärke bewiesen und sich dank Wettbewerbsstärke und Flexibilität recht schnell wieder erholt. Von zentraler Bedeutung ist allerdings, dass es nicht zu einem allgemeinen „Shutdown“ kommt. Die Betriebe müssen so weit als möglich und vertretbar weiterarbeiten dürfen. Dazu gehört Produktion ebenso wie Wartung und Service.
Immer wieder kommen Vergleiche zur Finanzkrise 2008 auf. Kann man die momentane Situation damit vergleichen?
Wiechers: Die Corona-Pandemie ist einzigartig. Wir haben zeitgleich einen Angebots- und einen Nachfrageschock - und das weltweit. Außerdem sind dieses Mal fast ausnahmslos alle Geschäftszweige betroffen, anders als in der Finanzkrise. Seinerzeit kam die Krise in vielen Wirtschaftssektoren wenn überhaupt nur verzögert und abgemildert an. Beispielsweise wurden keine Ladengeschäfte und Restaurants geschlossen oder Reisen verboten. Insofern ist die aktuelle Situation aus gesamtwirtschaftlicher Sicht schwieriger als 2008.
Immer mehr Unternehmen melden Kurzarbeit an und beantragen Soforthilfe. Können Sie schon einschätzen, wie groß das Ausmaß der staatlichen Hilfen werden wird?
Wiechers: Die Belastungen für den Staatshaushalt werden enorm sein, aber dies abzuschätzen ist Sache der Regierung und der Konjunkturinstitute. Kurzarbeit ist aber auf jeden Fall das richtige Mittel, um die Belegschaften so weit als möglich halten zu können. Denn wir brauchen unsere Fachleute unbedingt, wenn die Wirtschaft wieder hochgefahren werden soll.
Brauchen Unternehmen Ihrer Einschätzung nach noch andere Hilfen, um gut aus der Krise zu kommen?
Wiechers: Wichtig wäre jetzt vor allem eine verlässliche Perspektive, wann die Lockerungen der wirtschaftlichen Beschränkungen erfolgen und mit welchen Maßnahmen eine solche „Exit“-Strategie“ begleitet wird. Darüber hinaus wäre es wichtig, den Unternehmen nicht nur mit Krediten zu helfen, sondern mit finanzpolitischen Maßnahmen, die sofort und dauerhaft wirken. Dazu zählt eine degressive Abschreibung, eine Reform des Verlustrücktrags und eine Absenkung der Zinsen auf Pensionsrückstellungen. Hier darf es ausdrücklich nicht nur temporär begrenzte Impulse geben. Denn wir müssen nicht nur die Investitionen wieder in Gang bringen. Wir müssen auch einen tiefgreifenden Strukturwandel beispielsweise der Automobilindustrie bewältigen. Das ist aktuell aus nachvollziehbaren Gründen etwas aus dem Fokus geraten.
Es wird auch diskutiert, wie lange die Wirtschaft einen Lockdown aushält. Wie sieht das im Maschinen- und Anlagenbau aus?
Wiechers: Die Frage ist doch, was man unter einem „Lockdown“ versteht. Wenn alle Betriebe zwangsgeschlossen würden, hält das keine Firma lange durch. Aber davon ist zum Glück hierzulande nicht die Rede. Bezogen auf unternehmensindividuelle Schließungen gibt es keine allgemeingültige Antwort für den Maschinenbau, das hängt für jeden Betrieb im Einzelfall von seiner Liquidität, seinen Kunden, seiner Produktionsfähigkeit ab.
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Viele Menschen haben jetzt Angst um Ihre Arbeitsplätze. Rechnen Sie mit einem großen Anstieg der Arbeitslosigkeit? Welche Branchen werden Ihrer Meinung nach besonders betroffen sein?
Wiechers: Wir können nicht vorhersehen, wie es in anderen Branchen laufen wird. Auch im Maschinenbau wird es zu Personalabbau kommen, je länger die Pandemie andauert. Es wird Teilbranchen geben, die Personal abzubauen gezwungen sind, und solche, die das vermeiden können. Aber die Betriebe werden alles tun, um möglichst viele Fachkräfte auch in und nach der Krise zu halten.
Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wie lange wird die Industrie brauchen, um sich von der Coronakrise zu erholen?
Wiechers: Das hängt ganz entscheidend von der Dauer der Beschränkungen ab und wie sich andere wichtige Absatzländer verhalten. Seien wir guten Muts, dass wir im zweiten Halbjahr wieder eine merkliche Dynamik der europäischen und globalen Konjunktur erleben werden.