BMW Mini Produktion in Großbritannien

War mal kein Problem: Produktion von Autos in Großbritannien. Doch ein möglicher Brexit sorgt für Kopfzerbrechen. - (Bild: BMW)

Der Genfer Autosalon steht vor der Tür, die erste große Autoshow des neuen Jahres. Die Frühlingsmesse war die letzten Jahre traditionell eine gutgelaunte Leistungsschau der Automobilhersteller. Doch die Vorzeichen haben sich geändert. „Ein zwiespältiges Umfeld prägt in diesem Jahr den Genfer Autosalon“, sagt Prof. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen.

Zwar sei die Lage nicht so extrem wie 2009, dem Jahr der Weltfinanzkrise, die durch die Lehman-Pleite 2008 ins Rollen kam. „Aber das Umfeld der Messe könnte besser sein. Die Branche fürchtet den Brexit, der türkische Automarkt liegt am Boden, die erhoffte Erhebung des iranischen Automarkts wurde durch die Sanktionen von Donald Trump zunichtegemacht, im Inland kämpfen die Autobauer mit der Umstellung auf den WLTP-Zyklus und weitere Bußgelder drohen beim Diesel“, fasst Dudenhöffer die Probleme zusammen. Und als wäre das nicht genug ist Trump auch mit Europa auf Zollkriegskurs.

Darüber hinaus verharre der so wichtige chinesische Automarkt in der Rezession, wie der Autoexperte anmerkt. „Als wäre das nicht schon genug wurde von der EU mit den CO2-Regeln für 2030 nochmals der Druck auf Investitionen für eine klimaneutralere Mobilität erheblich gesteigert“, so Dudenhöffer. Das sehe man an der Fülle von Elektromodellen, die die OEMs dieses Jahr nach Genf bringen.

Was wird aus dem Produktionsstandort Großbritannien

Im Kontext des Weltautomarkts hat Großbritannien nur eine eingeschränkte Bedeutung. 2018 verkauften die Autobauer dort rund 2,34 Millionen Fahrzeuge. Das sind 2,8 Prozent der weltweiten Verkäufe. „Selbst, wenn der britische Automarkt um 25 Prozent einbrechen würde, was keinesfalls zu erwarten ist, würde der weltweite Nachfrageausfall gerade mal 0,7 Prozent des Weltmarktes ausmachen.“, erklärt Dudenhöffer. Daher seien überzogene Befürchtungen auf der Nachfrageseite wenig realistisch. Für den VW-Konzern oder Daimler sei ein Brexit verdaubar.

„Schwieriger wird es für Autobauer und Zulieferer mit Produktionsstandorten auf der Insel. Am schlimmsten dürfte es Jaguar Land Rover treffen, denn dort ist man extrem vom Produktionsstandort England abhängig“, sagt der Autoexperte. Aber auch für Ford und Opel bereitet ein Briten-Austritt Kopfzerbrechen. 

Dudenhöffer: „Ford Europe macht bereits Verluste und bei Opel-Vauxhall hat das Werk Ellesmere Port einen sehr schweren Stand.“  Des Weiteren dürften laut dem Autoexperten die hohen Wachstumsraten der BMW-Mini-Produktion in Großbritannien der Vergangenheit angehören.

„Es sieht so aus, als würde die englische Premierministerin Theresa May zur Totengräberin der englischen Autoindustrie“, Prof. Ferdinand Dudenhöffer, Direktor des CAR-Instituts an der Universität Duisburg-Essen.

Verkaufszahlen der Autobauer sinken weltweit

Doch nicht der Brexit, sondern der darbende chinesische Automarkt dürfte zur Nagelprobe für die Automobilindustrie werden. „Im Jahr 2019 werden nach unserer Prognose weltweit 81,9 Millionen Pkw verkauft werden. Das ist ein Rückgang von 1,8 Millionen Pkw-Verkäufen gegenüber dem Vorjahr; gegenüber dem Jahr 2017 fehlen 3 Millionen Pkw-Verkäufe“, kalkuliert Dudenhöffer.

Damit sei von nicht-ausgelasteten Produktionskapazitäten von deutlich mehr als fünf Millionen Neuwagen weltweit auszugehen. Und nicht-ausgelastete Produktionskapazitäten sind im Autogeschäft mit Verlusten gleichzusetzen.

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Deutsche Autobauer verzeichnen erstes Umsatzminus seit 2009

Die deutsche Automobilindustrie musste bereits im vergangenen Jahr einen herben Wachstumsdämpfer verdauen: Die in Deutschland ansässigen Autohersteller und –zulieferer steigerten ihre Umsätze 2018 nur noch um 0,4 Prozent auf knapp 425 Milliarden Euro.

Aus einer Analyse der Unternehmensberatung EY geht hervor, dass dabei die Zulieferer mit einem Wachstum von 2,1 Prozent deutlich besser abschnitten als die Autobauer. Letztere verzeichneten einen Umsatzrückgang von 0,2 Prozent. Es ist der erste Rückgang seit dem Jahr 2009. Zum Vergleich: 2017 lag das Umsatzplus noch bei 4,5 Prozent.

Trotz der schwachen Umsatzentwicklung kletterte die Beschäftigung in der deutschen Autobranche auf ein neues Rekordniveau: Die Zahl der Mitarbeiter stieg um 1,7 Prozent auf knapp 834.000.

„Im Jahr 2018 musste die deutsche Automobilindustrie mit kräftigem Gegenwind kämpfen“, Constantin Gall, Leiter des Bereiches Automotive und Transportation bei EY.

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Ausblick: Schwieriges Jahr 2019 erwartet

Im laufenden Jahr stehen die Zeichen ebenfalls nicht auf Wachstum, warnt Peter Fuß, Partner bei EY: „Der europäische Absatzmarkt ist schwach ins neue Jahr gestartet und wird in diesem Jahr im besten Fall stagnieren. Auch in den USA und China dürfte es kaum noch aufwärtsgehen – vor allem, wenn sich der Handelsstreit zwischen beiden Ländern weiter verschärft.“

Nachdem die Umstellung auf den WLTP-Prüfzyklus schon im vergangenen Jahr zu kräftigen Absatzeinbußen und Produktionsunterbrechungen geführt hat, steht zudem die nächste Bewährungsprobe noch im Jahr 2019 bevor: Ab September gelten ergänzte beziehungsweise neue Bestimmungen innerhalb des WLTP-Verfahrens, die erneut hohe Test- und Dokumentationsaufwände mit sich bringen und womöglich neue Lieferengpässe verursachen werden.

„So massiv wie im vergangenen Jahr werden die Auswirkungen sicher nicht – aber der Aufwand wird erneut hoch sein und die Unternehmen viel Geld und Zeit kosten“, kommentiert Fuß.

Deutlich stärkere Auswirkungen in Form von Umsatz- und Gewinneinbußen auch am Standort Deutschland hätten die drohenden US-Sonderzölle auf europäische Autos in Höhe von 25 Prozent, die nach wie vor zur Debatte stehen. Massive Probleme wären obendrein im Fall eines ungeordneten Brexits zu erwarten.

Einbußen am Standort Deutschland

Constantin Gall, Leiter des Bereiches Automotive und Transportation bei EY, warnt: „Die Vereinigten Staaten und Großbritannien sind zwei der drei wichtigsten Exportmärkte für die deutsche Autobranche – und beide Länder erweisen sich derzeit als Hochrisikomärkte. Sie sind zudem auch wichtige Produktionsstandorte für viele deutsche Zulieferer und Hersteller und elementarer Bestandteil der weltweiten Produktionsverbünde. Sowohl ein chaotischer Brexit als auch eine drastische Zollerhöhung auf deutsche Autoeinfuhren in die USA würden definitiv zu spürbaren Einbußen am Standort Deutschland führen.“

Zudem würden beide Szenarien – sowohl ein harter Brexit als auch US-Strafzölle – zusätzliche Risiken für den Export der dort produzierten Fahrzeuge im Lichte möglicher Zölle und Strafzölle von Drittländern mit sich bringen.

Produktion des i3. BMW fertigt den Stromer am Standort Leipzig.
Produktion des i3. BMW fertigt den Stromer am Standort Leipzig. - (Bild: BMW)

Mehr Elektroautos, aber weniger Arbeiter?

Die Beschäftigungssituation in der deutschen Automobilbranche ist derzeit noch hervorragend: Nie zuvor arbeiteten so viele Menschen bei den Herstellern und Zulieferern in Deutschland.

Allerdings dürfte das derzeitige Beschäftigungswachstum zu einem erheblichen Teil auf Sondereffekte zurückzuführen und obendrein nicht nachhaltig sein: Aufwändige neue Zertifizierungsverfahren erfordern zusätzliche – auch personelle – Kapazitäten. Und die Umrüstung vieler Fabriken auf die Elektromobilität führt zu einem erhöhten Personalbedarf, der aber nur vorübergehend sein dürfte.

Fuß: „Es ist klar, dass die Herstellung von Elektrofahrzeugen, die vielfach einhergeht mit einer stärker digitalisierten und automatisierten Produktion, weniger personalintensiv ist als die Herstellung von Pkw mit konventionellen oder Hybrid-Antrieben. Sollte sich der Elektroantrieb tatsächlich durchsetzen und mittelfristig den Verbrennungsmotor ganz oder teilweise verdrängen, wird das zu einer deutlich niedrigeren Beschäftigung am Standort Deutschland führen.“

Noch sei es aber nicht so weit, so Fuß. Im Gegenteil: „Das Hochfahren der Elektromobilität, die gleichzeitige Produktion von Elektroautos und Fahrzeugen mit konventionellem Antrieb und hohe Investitionen in Industrie 4.0-Produktion führen derzeit zu einem sehr hohen Personalbedarf. Dem versuchen die Unternehmen – gerade angesichts der angespannten Umsatz- und Gewinnsituation – allerdings verstärkt mit Kostensenkungsprogrammen zu begegnen.“ Ein weiteres Beschäftigungswachstum im laufenden Jahr sei daher eher unwahrscheinlich, so Fuß abschließend.

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