Ein Businessmann schaut auf ein Tablet, aus dem Stichwörter zum Thema Cloud "herauskommen".

Die europäische Cloud-Initiative Gaia-X steht kurz vor der Gründung. - (Bild: Adobe Stock/everythingpossible)

Immer mehr Firmen wollen sich am Aufbau der europäischen Cloud- und Dateninfrastruktur Gaia-X beteiligen. Neben den 22 Gründungsunternehmen aus Deutschland und Frankreich haben nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums "weit mehr als 100 weitere Unternehmen" ihr Interesse bekundet, "Mitglied der ersten Stunde" bei der in Gründung befindlichen Gaia-X-Organisation zu werden.

Bei dem im Oktober 2019 vorgestellten Projekt geht es darum, in Europa nicht alternativlos auf die großen IT-Konzerne aus den USA und China angewiesen zu sein. Dafür soll ein Konzept erarbeitet werden, mit dem neue und bestehende Angebote über Open-Source-Anwendungen und offene Standards miteinander vernetzt werden.

Gaia-X strebt aber nicht an, selbst einen "Hyperscaler" nach dem Vorbild von Google, Amazon oder Microsoft zu schaffen. Vielmehr will Gaia-X den Cloud-Riesen mit einer Vernetzung von vielen kleineren Anbietern aus Europa entgegentreten. Der Betrieb dynamisch verteilter Systeme wie einer Cloud-Umgebung ist allerdings gerade für kleinere Anbieter und die IT-Abteilungen in mittelständischen Unternehmen nur schwer zu meistern.

Bei der Entwicklung von Gaia-X setzten die Initiatoren nicht von Anfang an auf eine umfangreiche und allumfassende Lösung, betonte das Wirtschaftsministerium am Mittwoch (18.11.) zum Auftakt eines zweitägigen virtuellen Gaia-X-Treffens. Vielmehr wolle man im kommenden Jahr mit einem "Minimum Viable Product" ("minimal funktionsfähiges Produkt") an den Start gehen: Dies sei der Ausgangspunkt für Prototypen, den Test kritischer Funktionalitäten und weitere Entwicklungen.

Das soll Gaia-X können

"Das Verfahren zur Zertifizierung, ob Dienste Gaia-X-konform sind, braucht noch etwas Zeit", sagte Boris Otto, Leiter des Fraunhofer-Instituts für Software- und Systemtechnik (ISST), dem 'Tagesspiegel Background Digitalisierung und KI'. "Wir werden Mitte nächsten Jahres die ersten zertifizierten Gaia-X-Anwendungen sehen."

Die auf Gaia-X basierenden Anwendungen sollen es erlauben, Daten untereinander branchen- und länderübergreifend sicher auszutauschen. Außerdem sollen Cloud-Lösungen möglich gemacht werden, die dem europäischen Recht entsprechen. Gegen Dienste aus den USA wie Microsoft Azure, Google Cloud und Amazon AWS gibt es insbesondere nach dem Urteil des EuGH ("Schrems II") Vorbehalte, weil diese sowohl der Europäischen Datenschutzgrundverordnung als auch dem US-amerikanischen Cloud Act entsprechen müssen. Dies ist selbst mit individuellen Rahmenverträgen nach Einschätzung von Datenschützern kaum möglich.

BDI fordert Angebote mit konkretem Mehrwert

Vor diesem Hintergrund sind US-Konzerne wie Amazon, Google, IBM und Microsoft selbst in der Gaia-X-Initiative aktiv. Dies widerspricht der Vorgabe aus der Politik nicht: So hatte Minister Altmaier mehrfach erklärt, dass auch Tech-Konzerne aus den USA Angebote entwickeln sollten, die mit den Richtlinien von Gaia-X konform sind.

Der Industrieverband BDI forderte, schnellstmöglich Angebote mit einem konkreten Mehrwert für Unternehmen zu schaffen. "Gaia-X muss der europäische Goldstandard in der Industrie werden", sagte Iris Plöger, Mitglied der BDI-Hauptgeschäftsführung. Die Politik sollte stärker Forschungs- und Entwicklungsprojekte in wirtschaftlichen Anwendungsbereichen fördern.

Bund, Länder und Kommunen müssten die Chance nutzen, mit Gaia-X die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung voranzutreiben: "Deutschland liegt mit seinen digitalen Diensten auf einem inakzeptablen 21. Platz im Ranking der 27 EU-Staaten. Eine hohe Nachfrage aus dem öffentlichen Sektor würde Gaia-X die dringend notwendige Starthilfe geben."

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dpa