Die Aufwendungen für Innovationen im deutschen Maschinenbau steigen seit 2020 kaum an - auch nicht im Jahr 2023. Es droht das Szenario, den Anschluss an andere Nationen zu verlieren.

Die Aufwendungen für Innovationen im deutschen Maschinenbau bleiben seit 2020 faktisch gleich. Der Branche droht, den Anschluss an andere Nationen zu verlieren. (Bild: Tongpool - stock.adobe.com)

Ausgaben für Innovation steigen fast nicht

Die Investitionen für Innovationen des deutschen Maschinenbaus sind seit dem Pandemie-Jahr ins Stocken geraten. So waren im Jahr 2020 erstmals seit zehn Jahren die Ausgaben für Neuheiten gesunken. Inwieweit es bedenklich ist, dass es seitdem im Maschinenbau kaum mit den Aufwendungen für Innovationen aufwärts gegangen ist (Grafik unten), weiß ZEW-Experte Christian Rammer: „Der erste Grund dafür ist, dass wir eine wirtschaftliche Situation haben, die nicht mit früheren Krisen verglichen werden kann. Der Maschinenbau als zyklische Branche überzeichnet als Hersteller von Anlagegütern jeden Konjunkturzyklus. In Aufschwungphasen ist die Nachfrage besonders hoch, wie auch der Wunsch nach Innovationen, weil die Kunden bei der Anschaffung neuer Anlagen, um die Produktion auszuweiten, immer die neuesten Technologien wollen.“

Die nachfolgende Statistik des ZEW (Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim) zeigt die Entwicklung der Innovationsausgaben im Maschinenbau in Deutschland in den Jahren 1998 bis 2023.

Innovationsausgaben im Maschinenbau in Deutschland in den Jahren 1998 bis 2022 - Die Statistik des ZEW zeigt die Entwicklung der Innovationsausgaben im Maschinenbau in Deutschland in den Jahren 1998 bis 2023. Die Innovationsausgaben beziehen sich auf die Aufwendungen für laufende, abgeschlossene und abgebrochene Projekte, die die Entwicklung und Einführung von Produkt- oder Prozessinnovationen zum Ziel haben.
Innovationsausgaben im Maschinenbau in Deutschland in den Jahren 1998 bis 2022. (Bild: Statista, ZEW)

Im Aufschwung mehr Innovationen in Kundenanwendungen

In den von Rammer angesprochenen Aufschwungphasen weist der Maschinenbau daher ein sehr hohes Produktionsniveau beziehungsweise eine hohe Kapazitätsauslastung auf. Im Innovationsbereich dominiere dann die Anwendungsentwicklung zum Kunden hin. „War dann der Höhepunkt des Investitionszyklus erreicht, was meist der Fall ist, bevor die gesamtwirtschaftliche Konjunktur nachlässt und es zu einer Rezession kommt, dann folgten immer zwei bis drei Jahre mit sehr schwachem Geschäft“, erläutert Rammer.

In dieser Zeit weiteten Maschinenbaufirmen häufig ihre Forschung aus, die aus eigenen Rücklagen finanziert werde. Entwicklungsaufwendungen seien dagegen überwiegend über Kundenaufträge finanziert.

Christian Rammer ZEW
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Jetzt sind wir in einer Abfolge von Unsicherheiten und derzeit tut dem Maschinenbau die Deglobalisierung enorm weh. Denn Innovationen sind auch immer gekoppelt an internationale Kunden und durch die augenblicklichen Verwerfungen sind die Bedingungen einfach schlecht, so dass die Unternehmen schlichtweg abwarten.

Christian Rammer ZEW
(Bild: ZEW)

Maschinenbau in einer Abfolge von Unsicherheiten

"Doch jetzt haben wir eine andere Situation, da es sich um keine wirkliche Konjunkturkrise handelt, wenngleich es eine Abschwächung der Konjunktur ab 2018 gab", so der Experte. 2019 seien die Unternehmen wieder stärker in die Forschung und weniger in die Entwicklung gegangen. "Dann kam aber die Coronakrise und das ließ sich so nicht fortsetzen. Da folgte die Unterbrechung des Arbeitens der Teams aufgrund der Pandemiebeschränkungen, was den Rückgang im Jahr 2020 zur Folge hatte. Auch konnten internationale Projekte mit Entwicklungsleistungen am Kundenstandort wegen der Verkehrsbeschränkungen kaum umgesetzt werden", verdeutlicht Rammer.

Im Anschluss sei dann zu erwarten gewesen, dass die Investitionen in Innovationen wieder anstiegen. "Aber dann kamen gleich die nächsten Unsicherheiten. Jetzt sind wir in einer Abfolge von Unsicherheiten und derzeit tut dem Maschinenbau die Deglobalisierung enorm weh. Denn Innovationen sind auch immer gekoppelt an internationale Kunden und durch die augenblicklichen Verwerfungen sind die Bedingungen einfach schlecht, so dass die Unternehmen schlichtweg abwarten", fügt der ZEW-Experte hinzu.

Rammer betont aber auch, dass der Maschinenbau weiterhin das Niveau halte, denn es würden ja keine Labore geschlossen und Ingenieure entlassen.

Fachkräftemangel: Weniger Leute, weniger Innovationen

Hinzu komme noch, dass der Fachkräftemangel immer stärker werde. In dieser Situation sei es für die Unternehmen bequem, das Innovationstempo nicht wieder zu erhöhen, wenn es ohnehin schwierig sei, neue Leute zu finden. "So setzt man lieber die Leute, die man hat, auf neue Themen wie beispielsweise das Thema Energieeffizienz, das jetzt sicherlich nochmals verschärft worden ist", stellt Rammer dar.

Zusammenfassend erklärt der ZEW-Experte, dass der klassische Zyklus derzeit nicht mehr funktioniere, denn es gebe Krisen, die keine typischen Konjunkturkrisen seien, sondern es gebe eine Beschränkung des internationalen Geschäfts - begonnen mit den Reiseeinschränkungen der Corona-Pandemie, als beispielsweise kaum Flugzeuge flogen. "Die Multikrisen aus Corona-Pandemie, Fachkräftemangel, Ukrainekrieg, Energiekrise sowie Deglobalisierung kommen zusammen, wobei die Deglobalisierung sogar doppelt schwer wiegt, da es sich um eine Schwächung der Absatzmärkte und der Bezugsmärkte handelt – Stichwort Lieferkettenproblematik", verdeutlicht Rammer die neue Situation.

Kerngeschäft statt Neuerungen

Auf die Frage, welche Probleme können dadurch entstehen, dass der Maschinenbau bei den Aufwendungen für Innovationen eher zurückhaltend sei. Rammer: sagt, „dass bei den Unternehmen eine Priorisierung von Themen stattgefunden hat, sodass man sich auf das Kerngeschäft und die Kerntechnologien konzentriert hat. Das kann zu einem Problem führen, wenn es zu einem unerwarteten technologischen Wandel kommt.“ So zum Beispiel, falls Wasserstofftechnologien schnell diffundierten und dann auch viele Maschinenbauer für diese Technologie zumindest Angebote machen müssten, um auch mit dieser Energiequelle Maschinen und Anlagen zu betreiben.

Bei den Innovationsmöglichkeiten zwischen Konzernen und KMUs sieht der Experte im Maschinenbau nur eine geringe Differenzierung. „Denn es gib ganz wenig sehr große Maschinenbauer, wie wir sie in der Auto-, Elektro- oder Chemieindustrie sehen, die sehr marktmächtig sind. Auch die kleineren Maschinenbauer in Deutschland sind schon alle sehr, sehr fit und sehr gut aufgestellt. Da gibt es keine schwachen Unternehmen. Von daher sehe ich im Maschinenbau keine ‚Klein versus Groß‘-Problematik“, findet Rammer.

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