Das Jahr 2021 ist gerade einmal zwei Wochen alt, schon macht der verlängerte Lockdown und das erhöhte Infektionsgeschehen vielen Unternehmen einen Strich durch die Rechnung. Die meisten Volkswirte rechnen frühestens Ende 2021 mit einer Rückkehr der deutschen Wirtschaft zum Vorkrisenniveau. Doch es gibt auch Branchen, die sich schneller von den Auswirkungen der Pandemie erholen werden.
Dazu zählen laut den Experten des Wirtschaftsforschungs- und Beratungsunternehmens Prognos die Autoindustrie und der Maschinenbau. Während die Branchenkenner für 2021 eine Wachstumsrate des BIP von 3,9 Prozent erwarten, gehen sie davon aus, dass die Automobilindustrie um rund 15 Prozent und der Maschinenbau und die Metallindustrie zwischen vier und sieben Prozent wachsen.
Die Autobranche profitiere dabei von der wieder anziehenden Weltkonjunktur, sagte Michael Böhmer, Partner und Chief Economist Corporate Solutions bei Prognos bei der Vorstellung der Konjunkturdaten. Ein weiteres Plus: Die Lieferketten scheinen stabil. Die schlechte Nachricht: Trotz des Aufschwungs wird die Branche nur weniger als die Hälfte der Verluste aus dem Jahr 2020 aufholen können, so Böhmer.
Der Maschinenbau und die Metallindustrie profitieren derzeit vor allem von der anziehenden Auslandsnachfrage. Böhmer rechnet damit, dass im Laufe des Jahres auch die Nachfrage in Deutschland steigen wird. Etwa zwei Drittel der Verluste aus 2020 könnten dieses Jahr aufgeholt werden, schätzte der Experte.
PRODUKTION wollte wissen, wie die Industrie die wirtschaftliche Lage und Trends für 2021 einschätzt und was die großen Trends dieses Jahres sind und hat dafür Verbände und Unternehmen befragt. Einige konnten aufgrund der aktuellen Lage keine Einschätzung geben. Andere wiederrum haben einen Ausblick gewagt.
In einer kleinen Serie stellen wir Ihnen nun nach und nach die Ergebnisse vor. Heute beschäftigen wir uns mit der Konjunktur und den USA und haben den VDMA, VDW, ZVEI und die Unternehmen ZF und Ceratizit gefragt:
Welche Schulnote würden Sie der Konjunktur für das Jahr 2021 geben (1-6)?
Hier sind sich alle einig: besser als eine Note 3 wird die Konjunktur nicht werden. Befriedigend – also Note 3 – ist die Konjunktur im Jahr 2021 für den ZVEI. „Erholung ja – allein schon aufgrund von Basiseffekten – aber eine Rückkehr zum Vorkrisenniveau bereits in diesem Jahr sehen wir nicht. Der Grad an konjunktureller Unsicherheit bleibt erst einmal hoch“, sagt Chefvolkswirt Andreas Gontermann.
Die VDMA-Experten Chefvolkswirt Ralph Wiechers und Bianca Illner, Leiterin der Abteilung Business Advisory, geben mit der 4 eine Note schlechter. Die gleiche Note gibt auch Thierry Wolter, Vorstandsmitglied des Werkzeugherstellers Ceratizit. Sogar mangelhaft – also Note 5 – ist die Konjunktur für 2021 für Wilfried Schäfer, Geschäftsführer des VDW.
Eine genaue Note konnte Gabriel González-Alonso, Senior Vice President Corporate Production bei ZF nicht nennen. Er erklärt: „Wann die gesamtwirtschaftliche Lage wieder Bestnoten erreicht, hängt maßgeblich vom weiteren weltweiten Verlauf der Pandemie ab. Daher ist entscheidend, dass wir die Hygienemaßnahmen konsequent einhalten, um einen erneuten flächendeckenden Lockdown zu vermeiden und die wirtschaftliche Erholung nicht zu gefährden.“
Ein wichtiges Thema wird in diesem Jahr natürlich der Präsidentschaftswechsel in den USA sein. Viele erhoffen sich dadurch eine Verbesserung der transatlantischen Beziehungen. Wir wollten deshalb wissen:
Was erwarten Sie von der neuen US-Regierung für die deutsch-amerikanischen Handelsbeziehungen?
„Die deutsch-amerikanischen Handelsbeziehungen werden unter US-Präsident Joe Biden wieder ehrlicher und verlässlicher“, sagen Bianca Illner und Ralph Wiechers vom VDMA. Biden bekenne sich eindeutig zu multilateralen Vereinbarungen, wie dem Pariser Klimaabkommen oder der WTO. Die beiden Experten sehen durch den anvisierten Umbau der US-Industrie hin zu einer deutlich klimaorientierten Wirtschaft zudem neue Chancen für den deutschen und europäischen Maschinenbau.
Der Verband hat aber auch Erwartungen an den neuen US-Präsidenten: Die „inflationäre Androhung von Strafzöllen zum angeblichen Schutz der nationalen Sicherheit der USA“ sollte ein Ende haben, erklären Illner und Wiechers. Außerdem erwarte der VDMA, dass die Androhung von extraterritorialen Sanktionen seitens der USA beendet werde. „Die EU ist gefordert, wieder einen engeren Schulterschluss mit den USA zu suchen“, sagen sie.
Die USA ist für die deutsche Werkzeugmaschinen-Branche zudem der zweitgrößte Exportmarkt. Wilfried Schäfer vom VDW, erklärt, deutsche Anbieter haben gute Chancen, ihr dortiges Geschäft auszubauen, sobald die US-Wirtschaft wieder wächst, weil es nur noch wenige US-amerikanische Werkzeugmaschinenhersteller gebe. „Unternehmen brauchen dafür offene Märkte und eine verlässliche Handelspolitik“, sagt er. „Schließlich haben die Handelskonflikte der vergangenen Jahre Investitionen rund um den Globus stark ausgebremst. Das hat unsere Branche auch jenseits von Corona einiges an Wachstum gekostet.“
Die Ankündigung Joe Bidens, das Verhältnis seines Landes zu den transatlantischen Partnern auf eine neue Basis zu stellen und das geplante Konjunkturpaket, seien gute Voraussetzungen für die Branche. „Auch die Wiederaufnahme der Verhandlungen über ein transatlantisches Handelsabkommen könnte Schwung auslösen“, so Schäfer.
Genau wie die beiden anderen Verbände erwartet auch der ZVEI die Rückkehr zu einem partnerschaftlichen Dialog, erklärt Johannes Kirsch, Senior Director International Affairs. Die neue Regierung werde zudem eventuell einige Entscheidungen der Vorgängerregierung abmildern, wie zum Beispiel die Strafzölle Stahl und Aluminium, schätzt der Experte. Er ist aber auch skeptisch: Es bleibe dennoch fraglich, wie sich die neue Administration in konkreten Fällen positionieren werde. Es sei zum Beispiel nicht abzusehen, ob es im Streit Boeing/Airbus zu einer Belegung kommen werde.
„Die Sanktionen und weitergehende Drohungen gegen Nordstream II und mittelbar beteiligte Firmen werden bleiben, ebenso die extraterritorialen Genehmigungspflichten für den Handel mit Hochtechnologie, denen auch deutsche Firmen unter heftigen Strafandrohungen unterliegen“, sagt Kirsch. Die Frage eines möglichen Handelsabkommens zwischen EU und USA müsse auf europäischer Ebene besprochen werden. Aus deutscher Sicht wäre ein solches Abkommen wünschenswert, wenn damit nicht nur Zölle, sondern auch die nichttarifären Handelshemmnisse abgebaut würden, sagt Kirsch.
„Als global tätiges Unternehmen, das seit mehr als vierzig Jahren in den USA präsent ist und dort rund ein Viertel seines Umsatzes erwirtschaftet, hat ZF – unabhängig von Personen – stets hohes Interesse an einer verlässlichen und kooperativen US-Politik“, erklärt Gabriel González-Alonso. Wichtig sind dem Unternehmen laut González-Alonso vor allem klare Bekenntnisse zu internationalen Abkommen und Institutionen. Und weiter: „Wir wünschen uns weiterhin einen freien Welthandel, der auf zusätzliche Handelsschranken verzichtet und auch in der Vergangenheit eine Voraussetzung für den wirtschaftlichen Erfolg unseres Unternehmens und der Industrie weltweit war.“
Auch Thierry Wolter von Ceratizit, erwartet eine Rückbesinnung auf die internationale Zusammenarbeit. Das bedeute aber nicht, dass plötzlich alle Meinungsverschiedenheit in Handelsfragen aus der Welt seien, betont er. „Aber es wird sicher ein Ende der enthemmten, konfrontativen Handelspolitik geben, die von der Trump-Administration in den vergangenen vier Jahren nicht nur gegenüber Rivalen, sondern auch gegenüber Partnern wie der Europäischen Union rücksichtslos vorangetrieben wurde.“ Diese protektionistische Politik und der Aufbau von Handelsbarrieren haben letztlich allen Seiten geschadet und müssen ein Ende haben, erklärt Wolter.
Nicht nur die USA hat in den vergangenen Jahren einiges durcheinandergewirbelt. Auch die Corona-Pandemie hat ihre Spuren hinterlassen. Wir wollten deshalb wissen: Wie hat Corona die Zusammenarbeit innerhalb der Unternehmen verändert?
Diese Frage beantworten die Experten nächste Woche im zweiten Teil unserer Serie zu den Industrietrends 2021.