
Bei der Elektronikfertigung erreicht Europa aktuell nur noch zehn Prozent des globalen Marktvolumens. Das ist zu wenig, warnt der ZVEI. (Bild: Ansgar Pudenz)
Deutschland und Europa dürfen den Rückgang ihrer Leiterplattenindustrie und ihrer Elektronikfertigungsdienstleister (EMS) nicht weiter tatenlos hinnehmen. Das fordert der ZVEI in einer Mitteilung. Mittlerweile werden demnach nur noch zwei Prozent der weltweit produzierten Leiterplatten in Europa gefertigt. Bei der Elektronikfertigung erreicht Europa aktuell nur noch zehn Prozent des globalen Marktvolumens. Leiterplatten und EMS-Fertigung sind jedoch unverzichtbar für den sicheren Betrieb kritischer Infrastrukturen und für die Verteidigungsindustrie. Wenn Deutschland und Europa nicht mehr auf eigene Kapazitäten und Kompetenzen zurückgreifen können, ist dies mit erheblichen Risiken verbunden: Lieferungen könnten zurückgehalten oder gar manipuliert werden.
„Wir brauchen eine verlässliche De-Risking-Strategie, die unsere europäischen Interessen durch zielführende Maßnahmen sichert“, fordert Wolfgang Weber, Vorsitzender der ZVEI-Geschäftsführung.
Leiterplatten aus Fernost können Sicherheit gefährden
Da Leiterplatten und die EMS-Fertigung (Electronic Manufacturing Services) eine maßgebliche Rolle für das Mikroelektronik-Ökosystem spielen, muss sich auch die neue Bundesregierung dieser Thematik annehmen. Eine zunehmende Abhängigkeit von wenigen Anbietern aus Fernost ist im gegenwärtigen geopolitischen Kontext mit hohen Risiken verbunden, die die europäische Sicherheit infrage stellen. Im schlimmsten Fall könnten technische Infrastrukturen und Verteidigungstechnologie manipuliert werden. Solche Manipulationen ließen sich zum Beispiel durch „Hardware-Trojaner“ oder versteckte Hintertüren in elektronischen Systemen mit geringem Aufwand in jeder Phase der Fertigung vornehmen. Ihre Entdeckung wäre dagegen extrem schwierig.
Zudem droht eine weitere Verschärfung der Lage durch die von Präsident Trump verhängten Zölle auf chinesische Produkte. Es besteht die Gefahr, dass Leiterplatten aus günstiger chinesischer Produktion verstärkt auf den europäischen Markt kommen, was gravierende Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit heimischer Anbieter hätte. Europa muss deshalb seine Unabhängigkeit und Resilienz entschieden verteidigen. Dazu gehört insbesondere auch eine Stärkung der Leiterplatten- und EMS-Fertigungsindustrie durch eine Kombination aus Handels- und Industriepolitik. „Wir müssen handelspolitische Schutzinstrumente – wie Antisubventions- oder Antidumpingmaßnahmen – prüfen und dort, wo sie gerechtfertigt sind, auch verhängen“, erklärt Weber weiter.
Außerdem gelte es vertrauenswürdige Bezugsquellen zu etablieren: Um kritische Infrastrukturen und Verteidigung zu schützen, sollten Leiterplatten und Elektronik-Fertigung nur aus verlässlichen und vertrauenswürdigen Quellen bezogen werden. Weber: „Wir müssen auch über einen Zollabbau beim Basismaterial nachdenken: Europäische Leiterplattenhersteller müssen Basismaterialien importieren, die jedoch mit Zöllen belegt sind. Gleichzeitig sind Leiterplatten aus China zollbefreit. Das ist absurd und kann nicht so bleiben, weil es einen widersinnigen Wettbewerbsnachteil für die europäische Produktion erzeugt.“
Industriepolitisch müsse durch gezielte Förderung die Wettbewerbsfähigkeit der Leiterplattenhersteller und Elektronikfertigung im internationalen Wettbewerb erhöht werden und bei der Fortführung des European Chips Act insbesondere die nachgelagerten Fertigungsschritte (PCB, Packaging, Advanced Packaging, EMS) und auch beim Prozess-Know-how in der Wertschöpfungskette berücksichtigt werden.
Weitergehende Informationen dazu enthält das ZVEI-Positionspapier „Stärkung der europäischen Leiterplatten und Elektronikfertigung für kritische Infrastrukturen“. Es steht zum Herunterladen bereit unter: https://www.zvei.org/p...strukturen