
Dieser Roboter spritzt Schicht für Schicht in einem additiven Verfahren Beton in die vorgegebene Form. Die Technik könnte die Produktion von Fertigbetonbauteilen revolutionieren. - (Bild: Kuka)
An was denken Sie beim Thema Baustelle? Bagger, Betonmischer und Co? Dann geht es Ihnen voraussichtlich wie dem Großteil der Menschen. Die großen Maschinen werden allesamt von Menschen gesteuert und sind mobil einsatzfähig – wie es auf der Baustelle notwendig ist. Roboter hingegen gehören in die Industrie. Auch da wird der Großteil zustimmen. Dort verrichten sie seit Jahren zuverlässig ihren Dienst: sie schweißen Karosseriebauteile zusammen, palettieren unermüdlich Tag für Tag die schwersten Güter oder montieren in Höchstgeschwindigkeit auch kleine Bauteile.
In Zukunft könnte sich das jedoch ändern. Denn die blechernen Helden der Industrieautomatisierung haben das Potenzial, die Baubranche zu revolutionieren. Wie das funktionieren könnte und was der Roboterhersteller Kuka sowie das Start-up Aeditive aus Norderstedt bei Hamburg damit zu tun haben, lesen Sie in diesem Beitrag.
Warum die Baubranche überhaupt Automatisierung benötigt

Die Baubranche boomt. Auf der einen Seite ist Wohnraum knapp und immer schwerer erschwinglich, gerade mit Blick auf Ballungszentren und Großstädte. Und das weltweit. Neuer Wohnraum muss also kontinuierlich gebaut werden. Gleichzeitig setzt die Branche viele Infrastrukturprojekte oder Industriebauten um.
Auf der anderen Seite herrscht Fachkräftemangel. Denn immer weniger Menschen wollen ihr Leben mit einem körperlich anstrengenden Job auf dem Bau verbringen. „Achtzig Prozent aller Häuser werden noch genauso gebaut wie vor dreißig Jahren, die meisten Bauwerke entstehen immer noch per Hand“, bringt es Alois Buchstab, Vice President für Advanced Robotic Applications beim Roboterbauer Kuka, auf den Punkt.
Lange Zeit bestand einfach kein Druck, zu automatisieren. Doch mit dem steigenden Fachkräftemangel steigt dieser Druck. Außerdem ist die Verständigung von Architekten, Bauherren und Konstrukteuren nach wie vorhäufig von Silo-Denken geprägt. Digitale Daten liegen meist nicht vor. „Der Dachdecker erhält die Infos zum bereits gebauten Haus zum Beispiel per Brief oder Telefon“, nennt Buchstab ein Beispiel.
Die Daten digital vorzuhalten wäre dabei auch heute schon möglich – mit dem sogenannten Building Information Modeling. Damit man ein solches Tool für alle Gewerke sinnvoll nutzen kann, müssten aber alle Daten für ein Bauprojekt von Anfang an digital vorliegen, bis hin zu jedem geplanten Fenster.
„Momentan ist die Baubranche noch ein Pflänzchen für Kuka“, erläutert Buchstab. Er sieht aber aufgrund des steigenden Automatisierungsdrucks viel Potenzial.
Was Roboter bereits in der Bauindustrie leisten
Roboter unterstützen die Baubranche bereits in ausgewählten Applikationen. So gibt es bereits digitale Fertigungsansätze im Holzfertigbau, berichtet Buchstab. Hier werden komplette Wände per Roboter vorproduziert und anschließend an Ort und Stelle geliefert.
Indirekt leisten Roboter auch schon ihren Beitrag beim Fertigbeton-Bau. Denn Beton wird ja stets in sogenannte Stahlarmierungen gegossen. Und bei der Produktion dieser Stahlarmierungen wiederum kommen Roboter zum Einsatz, erklärt Buchstab.
Auch eine robotische Fertigung in der Architektur ist möglich. So hatte Kuka im Rahmen eines Forschungsprojekts gemeinsam mit dem ‚Institute for Computational Design and Construction' der Uni Stuttgart einen Pavillion in Holzleichtbauweise entwickelt, der sich nur mit Hilfe von Robotern fertigen ließ. Zu sehen war das Gebäude auf der Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn.

Wie 3D-Druck und Robotik die Baubranche verändern können

Nun plant das Startup Aeditive aus Norderstedt bei Hamburg, einen noch viel größeren Teil der Baubranche mit Hilfe von Robotik effizienter zu gestalten. Dazu hat das Unternehmen ein Verfahren entwickelt, mit dem sich Betonbauteile per Roboter im Sinne von 3D-Druck produzieren lassen.
Das gesamte System trägt den Namen ‚Concrete Aeditor‘ und kann sowohl in Fertigteilwerken als auch auf Baustellen eingesetzt werden. „Es geht uns nicht darum, Bauarbeiter zu ersetzen“, stellt CEO Alexander Türk klar. Man finde einfach nicht mehr genügend Fachkräfte für den Bau. Das roboterbasierte System helfe daher, manuelle Tätigkeiten zu reduzieren und so die Produktivität zu erhöhen.
Die Anlage arbeitet mit zwei Robotern von Kuka. Einer trägt den Beton Schicht für Schicht additiv in die Stahlarmierung auf. Der zweite Roboter glättet am Schluss die Außenseiten des Fertigbauteils. Weiterhin verfügt das System über Rohstoffsilos und Mischvorrichtungen.
Damit das System in Zukunft auch mobil auf Baustellen genutzt werden kann, ist es in Container eingehaust, die sich transportieren lassen. Die Anlage funktioniert autonom, sodass nur Strom- und Wasseranschluss benötigt werden. Wie Türk berichtet, ist ein ähnliches Verfahren bereits im Tunnelbau etabliert.
Video: So funktioniert roboterbasierter Beton-3D-Druck
Wann Roboter auf Baustellen zum Einsatz kommen
Momentan hat Aeditive in Norderstedt eine fertige Pilotanlage errichtet, mit der auch Prototypen gefertigt werden können. Wie CEO Türk verrät, konnte gerade der erste Kunde gewonnen werden, der die Technologie in sein Fertigteilwerk integrieren möchte, das vor allem Infrastrukturbauprojekte beliefert.
„Die Serienproduktion unseres Produkts soll somit 2021 starten“, freut sich der Firmengründer. Er ist mit weiteren Fertigteilwerken auch aus den USA und dem mittleren Osten im Gespräch, die sich für die roboterbasierte Lösung interessieren.
Türk ist aber auch fest überzeugt, dass sein Produkt in naher Zukunft auf Baustellen zu finden ist. „Es lohnt sich, unser System mobil vor Ort zu nutzen, sobald die Logistikkosten für den Transport der Beton-Bauteile vom Fertigteilwerk zu groß werden“, erläutert er. Sein Plan ist es, den Einsatz auf der Baustelle im Jahr 2022 zu realisieren.