In der Luftfahrtindustrie spielen Klebstoffe bei weitem noch keine solch wichtige Rolle wie im Automobilbau, wo sie andere Fügeverfahren bereits oft ersetzt haben. Doch der Flugzeugbau setzt auf neue Werkstoffe – und benötigt dafür innovative Fügeverfahren.
von Anke Müller
LEIPZIG (mg). Aus dem Automobilbau sind moderne Klebstoffe nicht mehr wegzudenken. Innerhalb weniger Jahre haben sie bei vielen Arbeitsschritten andere Fügeverfahren ersetzt. In der Luftfahrt hingegen spielen sie offenbar derzeit noch keine wichtige Rolle. So teilte eine Sprecherin von Airbus mit, Klebstoffe seien dort „generell kein großes Thema“. Dabei hat es schon einmal Passagierflugzeuge gegeben, die überwiegend mit Hilfe von Klebstoffen montiert worden sind, berichtet Dr. Dirk Niermann, der Leiter der im Großforschungszentrum CFK Nord in Stade tätigen Fraunhofer-Projektgruppe Fügen und Montieren FFM des Bremer Fraunhofer-Instituts für Fertigungstechnik und Angewandte Materialforschung IFAM: „Die Fokker F-27, seit 1958 im Flugbetrieb eingesetzt, gilt als unverwüstlich. Einige dieser Maschinen fliegen noch heute.“ Dass dieses Propeller-Flugzeug damals geklebt wurde, obwohl seine Strukturen bereits hauptsächlich aus Aluminium bestehen, werde aus der Geschichte des Flugzeugbaus heraus verständlich, erläutert Niermann: „In der Flugzeugproduktion wurde zunächst sehr viel Holz verarbeitet. Es wurde häufig mit Phenolharzen verklebt.“ Sie hielten auch Metalle zuverlässig und dauerhaft zusammen. Dennoch wurden die heißhärtenden Phenolharzklebstoffe bald ersetzt: „Der Aufwand war zu groß, und außerdem waren diese Klebstoffe giftig. Deshalb wurden sie durch moderne Epoxidharzsysteme abgelöst.“ Damit ergab sich aber ein Problem, so der Wissenschaftler: „Phenolharzklebstoffe unterdrücken die Korrosion. Epoxidharz kann das nicht.“ Und daher sei im Flugzeugbau das Fügen durch Nieten zum Standard geworden.
Üblich sei auch das Laserstrahlschweißen, berichtet Dr.-Ing. Jens Standfuß, Gruppenleiter Schweißverfahren am Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik IWS in Dresden: „Es wird beispielsweise bei der Montage des Airbus A380 verwendet. Das Laserstrahlschweißen hat einige Vorteile. So ist die Fügegeschwindigkeit deutlich höher als beim Nieten. Man bekommt eine höhere Struktursteifigkeit, es ist keine Dichtmasse erforderlich, und die Niete fallen weg. Das bedeutet zugleich ein Gewichtseinsparungspotenzial von zehn bis 20 Prozent.“ Geschweißte Strukturen aber sind nur im unteren Rumpfbereich gefragt, so Standfuß. Dort wird nach wie vor Aluminium verwendet.
Zunehmend kommen im Flugzeugbau jedoch neue Werkstoffe zum Einsatz: glasfaserverstärktes Aluminium (glas fibre reinforced aluminium, Glare) – ein Laminat, in dem sich Schichten aus Aluminium und Glasfaserlagen abwechseln – und Kohlefaser-Verbundwerkstoff (CFK). Das Fraunhofer IFAM arbeitet daran, auch dafür geeignete Fügeverfahren zu entwickeln, die es möglich machen sollen, auf das Nieten zu verzichten. „In CFK-Strukturen sind Nietlöcher ein größeres Problem als beim Aluminium, denn sie vermindern die Belastbarkeit des Materials“, sagt Niermann. Beim Kleben hingegen bleiben die Fügeteile unversehrt. „Wir gehen mit Respekt an diese Aufgabe heran. Die Grundfrage lautet: Wie kann ich zu möglichst geringen Kosten in möglichst kurzer Zeit eine möglichst hohe Qualität erreichen?“ An Antworten auf diese Frage arbeitet auch Henkel, Weltmarktführer im Bereich der Industrieklebstoffe. Henkel bietet eine Vielzahl von Strukturklebstoffen und -harzen, die die Fertigung von Verbundwerkstoffen für Flugzeuge erleichtern. „Neue Methoden und Produkte für die Herstellung von Fügeteilen ermöglichen einfachere und kosteneffizientere Produktionsprozesse und führen zu einer höheren Leistung des Endprodukts“, sagt David Leach, Global Market Manager Composites.
Die Sicherheitsvorstellungen freilich seien heute andere als zur Zeit der Fokker F-27, meint Niermann. „Mit einem Blick auf das Nietelement erkennen erfahrene Fachleute, ob die Stabilität einer Verbindung noch ausreicht.“ Klebverbindungen hingegen wollen die Forscher zukünftig mit Sensoren überwachen, die schon kleinste Anrisse erkennen: „Denn eine Klebnaht sieht man nicht.“
aus Produktion Nr. 41, 2011