MÜNCHEN (sp). Auch die Automatisierung befindet sich längst im viel beschworenen Zeitalter der Kommunikation. Zum Beispiel wäre der industrielle Computer als Steuergerät ohne ständigen Informationsaustausch mit den Feldgeräten wenig sinnvoll. Dazu benötigt er den so genannten Feldbus, über den die Daten und Befehle gleichzeitig laufen und abgearbeitet werden und bei dem genormte Protokolle bestimmen, wann welches Gerät was zu tun hat. „Die Geschichte hat bewiesen: Eine gemeinsame Sprache ist die Triebfeder des Fortschritts. Dies gilt auch, wenn Maschinen kommunizieren“, kommentiert Dr. Bernd-Josef Schäfer, Vorstandsvorsitzender von Sercos International.
Kostenersparnis und höhere Flexibilität sind nur einige der Vorteile
Die erste Generation der Feldbustechnik wurde vor mehr als einem Vierteljahrhundert entwickelt; sie löste als digitale Übertragungstechnik die einstige ‚handgeschmiedete‘ Parallelverdrahtung binärer Signale sowie die analoge Signalübertragung ab. Auch heute noch befindet sich eine Vielzahl verschiedenster, in der Norm IEC 61158 weltweit standardisierten (und damit in ihrer Vielfalt festgeschriebenen) Feldbussysteme der ersten Generation im Betrieb. Die meist von herstellenden Industriebetrieben entwickelten Lösungen werden seit geraumer Zeit über Nutzergruppen oder Organisationen weiterentwickelt. Feldbusse, die rasch zur Triebfeder der Automatisierung wurden, überzeugten durch hohe Kosteneinsparungen bei gleichzeitig höherer Flexibilität, verbesserter Diagnose und größeren Datenmengen. Längst sind mehr als 100 Mio Feldbusknoten weltweit installiert; die Unterstützung durch die führenden SPS-Hersteller trug dabei wesentlich zum Erfolg bei: in Europa und China Siemens mit der Profibus-Familie, in den USA Rockwell mit CIP und in Japan Panasonic/Mitsubishi mit CC-Link.
Ein einheitlicher Standard freilich bleibt ein Traum; wie bei den Feldbussystemen sind auch bei Industrial Ethernet miteinander konkurrierende Protokollstandards entstanden, die sich meist an den zugrunde liegenden Feldbusstandards orientieren. Einzig bei der Übertragungstechnik (Ebene 1) und dem Buszugriffsprotokoll (Ebene 2) hat sich mit Fast Ethernet ein gemeinsamer Kern herausgebildet, der heute einheitlich bei allen Systemen zur Anwendung kommt. Darüber hinaus sollten Gerätehersteller ihre Schnittstellen so gestalten, dass sowohl Anbindungen an alle relevanten Kommunikationssysteme als auch die Realisierung technischer Weiterentwicklungen ohne größereUmgestaltung möglich ist. Erleichtert wird das durch Lösungen, die auf einem einzigen Chip integriert sind.
Neue Einsatzgebiete im Bereich der Erneuerbaren Energien
Die unablässig wachsende Bedeutung der industriellen Kommunikationssysteme ist unbestritten; kaum eine größere Maschine oder Anlage wird noch ohne ein Feldbus- oder Industrial-Ethernet-Netzwerk ausgeliefert. Auch die Automobilindustrie trägt aktiv zur Verbreitung von Industrial Ethernet bei, und selbst die eher konservative Prozessautomatisierung steigt allmählich auf den Trend um. Völlig neue Einsatzfelder entstehen im Bereich der erneuerbaren Energien. Kein Wunder also, dass sämtliche Prognosen den (völlig unterschiedlich bewerteten) Systemen für industrielle Kommunikationssysteme ein überdurchschnittliches Wachstum vorhersagen. Zum Beispiel ordnet der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie (ZVEI) in seiner Schrift „Integrierte Technologie-Roadmap Automation 2015+“ die Vernetzung und Kommunikation als Schlüsseltechnologie mit hohem Nutzwert und Marktpotenzial ein. Das gilt weltweit: Jörg Freitag (Siemens), Chairman der Profibus Nutzerorganisation, überreichte unlängst in Peking die chinesischen Profibus-Standards, die von der SCA als Norm verabschiedet wurden. Das ist ein Grund dafür, dass nach wie vor immer noch weitere Kommunikationssysteme und Protokolle entstehen. Nach Ansicht der Branchenkenner gibt es kaum einen anderen Technikzweig, in dem so viele unterschiedliche Lösungsansätze für das gleiche Grundproblem zur Verfügung stehen.
Als stabil erweisen sich bei den Standard-Feldbussen die Systeme Profibus, DeviceNet, CANopen und CC-Link, während sich die Industrial-Ethernet-Netzwerke im ständigen kreativen Auf- und Umschwung befinden: Mit der Einführung von Ethernet als gemeinsamer Basistechnologie aller Varianten wachsen die industriellen Netzwerke und die Bürokommunikation mit den offenen IT-Standards für Webseiten und E-Mail immer enger zusammen.
Echtzeit- Ethernet
Als Industrial Ethernet oder Echtzeit-Ethernet bezeichnet man die Vernetzung von Geräten in der Automatisierungstechnik gemäß der internationalen Norm IEE 802.xx. Der Paradigmenwechsel begann 1999 auf der SPS/IPC/DRIVES, als unter der Federführung der IAONA Unternehmen und Verbände gemeinsam überlegten, wie man Ethernet in Verbindung mit den weit verbreiteten TCP/IP-Protokollen als Basis für ein einheitliches Echtzeitprotokoll für die Kommunikation in der Automatisierungstechnik nutzen kann.
Ethernet im Maschinenbau
Thomas Quest vom gleichnamigen Marktforschungsintitut befragte eine repräsentative Auswahl deutscher Maschinenhersteller zur aktuellen und künftigen Nutzung von Ethernet als Feldbus, wobei alle wesentlichen Protokolle erfasst wurden. Fazit: Jede zweite ausgelieferte Maschine ist bereits mit Ethernet ausgestattet (29 % mit Ethernet TCP/IP und 21 % mit Echtzeit-Ethernet). Und dieser Wert soll bis 201 auf 72 % steigen, wobei Echtzeit-Ethernet überproportional wächst. Weitere Erkenntnisse: am schnellsten breitet sich ProfiNet mit seinen drei Varianten aus, EtherCat wächst durchschnittlich und hält dabei seinen Anteil (25%) stabil, wohingegen Ethernet IP und Powerlink mit einem Anteil von ca. 20 % Marktanteile verlieren.