Trotz der Menge an Regeln, legt der Gesetzgeber jährlich weiterhin Verordnungen vor und ändert bestehende. Alle geltenden Vorschriften zu beachten, ist daher fast unmöglich. Gerade in der Produktion können sich Geschäftsführer in vielen Fällen strafbar machen, wenn sie Dokumentationen nicht lückenlos vorlegen können. Denn im Falle eines Rechtsstreits sind Unternehmer in der Beweispflicht.
Vorgesetzte haften für Datenchaos
Besonders kritisch ist es, wenn Führungskräfte für Schadensfälle persönlich haften. Falsche oder veraltete Dokumente in Umlauf zu bringen, kann dann teuer werden. Deshalb ist es wichtig, hinsichtlich Vorschriften und Gesetzen stets auf dem neuesten Stand zu sein. „Wer vor Gericht Sachverhalte nicht einwandfrei belegen kann, hat keine Chance“, sagt Johannes Woithon, Geschäftsführer der Softwareunternehmen Orgavision. Der Unternehmer stößt immer wieder auf schlechte oder unzureichende Dokumentationen. Das Problem: Prozessbeschreibungen, Richtlinien oder Formulare sind in vielen Firmen in mehreren Versionen vorhanden. Schuld sind herkömmliche Ordnerstrukturen auf Laufwerken. Sie verleiten Nutzer dazu, Dateien unübersichtlich abzulegen.
Woithon erläutert, wie Programme zur Dokumentenlenkung aufgebaut sein sollten: Vor allem sollten sie verhindern, dass Nutzer mehrere Versionen speichern können. Dadurch entsteht eine klare Ablage, inklusive einer Änderungshistorie. Eine Suchfunktion hilft Dateien über Schlagworte zu finden. Das erhöht die Transparenz in den Daten-Landschaften von Unternehmen und sorgt dafür, dass jeder weiß, was zu tun ist oder wo er nachschauen kann. Wichtig für Chefs: „Mit einer gut strukturierten und aktuellen Dokumentenablage sinkt das Haftungsrisiko“, verdeutlicht Woithon.
Webbasierte Systeme können Abhilfe schaffen
Florian Schmezer, Controller der S.I.S.-Gruppe, einem technischen Dienstleister im Bereich Kraftwerke und Industrie, arbeitete lange mit Lotus Notes und der dahinterliegenden Datenbank. Dort sammelte das Unternehmen mit 2200 Mitarbeitern Formulare, Stammblätter, Arbeitsanweisungen, Referenzdokumente und viele weitere Papiere. Mit Bekanntgabe von IBM, dass der Konzern Lotus Notes auslaufen lasse, kam Handlungsbedarf auf. Mittlerweile laufen bei der S.I.S.-Gruppe mehr als 500 Datenblätter, Erfahrungsberichte und Dokumente über ein webbasiertes Managementsystem. Nun haben alle Nutzer besseren Zugriff auf diverse Zertifikate, Unterlagen, Formulare und Dokumente. „Alles ist geordnet und vor allem immer aktuell“, sagt Schmezer.
So können Dokumente mit einem Datum hinterlegt werden, zu dem die Software eine Prüfungs-Erinnerung sendet. Zum Beispiel Formulare, die das Einhalten von Arbeitsschutzgesetzen nachweisen, ablaufende IT-Zertifikate oder Schutzbestimmungen, die gesetzlichen Änderungen unterliegen und daher regelmäßig auf den neuesten Stand gebracht werden müssen. Über eine eingebaute Historie ist lückenlos nachvollziehbar, wer wann etwas änderte. Wichtig wiederum für Geschäftsführer, wenn sie etwa vor dem Arbeitsgericht oder einer Umweltbehörde eine geschlossene Beweiskette liefern müssen.
Die Informationsflut eindämmen
Ein anderer Aspekt gilt dem Eindämmen der Informationsflut. Am Beispiel einer Blechwarenfabrik wird deutlich, wie die Daten-Welle reduziert werden kann. Der Qualitätsmanager erzählt: „Ein wichtiges Dokument an alle Mitarbeiter zu schicken, war früher eine aufwändige und leidige Prozedur“. Der Verteiler änderte sich ständig und nach dem E-Mail Versand liefen Dutzende Rückläufer ins Postfach.
Seit der Einführung einer Software-Lösung ist das Dokumenten-Management einfacher geworden, sagt der leitende Angestellte. Inzwischen läuft der Prozess automatisch: Mit wenigen Klicks ist die Datei am Ablage-Platz. Das Programm sendet eine elektronische Nachricht an alle Kollegen und lenkt sie per Link an die richtige Stelle.
Dringender Nachholbedarf im Mittelstand
Während bereits 90 Prozent der Großunternehmen eine digitale Dokumentenverwaltung nutzen, sind es im Mittelstand nur etwas mehr als 30 Prozent, so das Ergebnis einer Bitkom-Studie aus dem vergangenen Jahr. Zudem dominieren Insellösungen für einzelne Abteilungen, statt der unternehmensweite Einsatz eines Dokumenten-Management-Systems (DMS). So nutzen in der Buchhaltung beispielsweise knapp 50 Prozent eine digitale Dokumentenverwaltung, in der Produktion lediglich 15 Prozent.
„Man könnte auch sagen: Der Mittelstand hat einen hausgemachten Wettbewerbsnachteil gegenüber den Großen, wenn es um die die digitale Transformation geht“, so Jürgen Biffar, Vorstandsvorsitzender des Kompetenzbereichs Enterprise-Content-Management im Digitalverband Bitkom. Deutliche Unterschiede gibt es auch bei den DMS-Funktionen, die über klassische Verwaltungs-Funktionen hinausgehen. Nur 17 Prozent der 600 befragten mittelständischen Betriebe ziehen aus zusätzlichen DMS-Werkzeugen einen Nutzen für die Teamarbeit, gerade einmal vier Prozent profitieren beim Wissensmanagement. Bei den Großunternehmen liegen die Anteile mit 49 und 17 Prozent deutlich darüber.