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Ohne Vorgesetzte müssen Mitarbeiter ihre Konflikte untereinander lösen. Das mag Zeit kosten, ist mittelfristig aber lohnend, weil die Klärungen wesentlich grundlegender sind. - (Bild: Spinner)

Ein Beispiel für agile Strukturen ist Hema. Nach einer Vorauswahl durch die Geschäftsführung, entscheiden die Teams sich für ihre neuen Kollegen. Kürzlich fiel die Wahl auf einen Barkeeper, der sich zum Industriemechaniker umschulen ließ. Aus Sicht der Mitarbeiter ein Fachmann, der den Dienstleistungsgedanken verinnerlicht hat.

„Ich sehe, wie sich die Mitarbeiter entwickeln“, freut sich Unternehmenschef Christoph Heermann. Vor rund drei Jahren stellte das schwäbische Unternehmen von klassischem Projektmanagement auf agiles Management um. Der Eindruck des Chefs ist, die Mitarbeiter werden fachlich gezielter eingesetzt und arbeiten kooperativer zusammen.

So produziert Hema seine Säge- und Schneidemaschinen agil. Die Mitarbeiter tragen mehr Verantwortung und treffen überraschende Entscheidungen.

Nach einer Vorauswahl durch die Geschäftsführung, entscheiden die Teams sich für ihre neuen Kollegen. Kürzlich fiel die Wahl auf einen Barkeeper, der sich zum Industriemechaniker umschulen ließ. Aus Sicht der Mitarbeiter ein Fachmann, der den Dienstleistungsgedanken verinnerlicht hat. „Ich sehe, wie sich die Mitarbeiter entwickeln“, freut sich Unternehmenschef Christoph Heermann.

Vor rund drei Jahren stellte das schwäbische Unternehmen von klassischem Projektmanagement auf agiles Management um. Der Eindruck des Chefs ist, die Mitarbeiter werden fachlich gezielter eingesetzt und arbeiten kooperativer zusammen.

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• Hema-Regelkomm.: Marco Niebling (am Flipchart): Agile Strukturen benötigen eine Fehlerkultur, in der gemeinsames Denken und ausprobieren möglich sind. - (Bild: Hema)

Immer mehr Sonderanfertigungen

Heermann Maschinenbau (Hema) produzierte zu Beginn der 2000er Jahre zu 80 Prozent Standardmaschinen. Doch der Anteil Sonderanfertigungen stieg kontinuierlich, mit seinen klassischen Führungsmethoden stieß der kleine Mittelständler an Grenzen. Die waren mit einem Großprojekt überschritten. Das Projekthandbuch war zu bürokratisch und verhieß wenig Effizienz und Profit. Der Wirtschaftsingenieur Marco Niebling sprach mit der Geschäftsführung über Agiles Management. Und nach reiflicher Überlegung macht sich das Unternehmen am Fuße der Alb auf diesen Weg.

Inzwischen hat sich Hema auf Leichtbau und hochwertige Dämmstoffe spezialisiert. Die 45 Mitarbeiter wirtschaften 18 Prozent produktiver. Das zeige sich am Einsatz von Ressourcen und dem Umsatz. Und der Auftragsschwerpunkt hat sich gedreht: Heute machen Sonderanfertigungen 60 Prozent des Umsatzes aus. Der 35-jährige Niebling macht allerdings klar: „Ohne gemeinsames Ziel führt Selbstorganisation ins Chaos“.

Im HR-Report „Kompetenzen für eine digitale Welt“ aus dem Frühjahr nennen die knapp 600 befragten Führungskräfte aus der DACH-Region als größte Herausforderungen: Arbeitsstrukturen flexibilisieren und Mitarbeiter auf die digitale Transformation vorbereiten. Ob in Konzernen, bei Mittelständlern oder in kleinen Unternehmen – kontinuierlich lösen sich die klassischen Arbeitsstrukturen auf.

Am stärksten bei Unternehmen mit mehr als 5000 Mitarbeitern, so das Ergebnis der Hays-Studie, die das Ludwigshafener Institut für Beschäftigung und Employability (IBE) durchgeführt hat. Der rasche Wandel zeigt sich in den Top-Themen des vergangenen Jahres: Führung, Unternehmenskultur und Mitarbeiterbindung. Flexible Strukturen und Digitalisierung hatten vor zwölf Monaten noch nicht die Priorität wie heute.

Frank Schabel
Hays-Sprecher Frank Schabel: Führungskräfte müssen kritische Mitarbeiter mitnehmen und wertschätzend agieren. - (Bild: Hays AG)

Die wichtigsten Aufgaben für die Führungskräfte sind deshalb Managen der Komplexität in der Kooperation (58 Prozent), eine neue Führungskultur (53 Prozent) und neue Vernetzungsformen (50 Prozent).

„Es sind vor allem deren mentale und soziale Kompetenzen gefragt“, sagt Hays-Sprecher Frank Schabel, denn Vorgesetzte müssen in der Lage sein, kritische Mitarbeiter mitzunehmen, offen und wertschätzend zu reagieren, eine Feedback- und Fehlerkultur zu entwickeln und Möglichkeiten zum Informationsaustausch zwischen den Mitarbeitern aufbauen.

Offener Umgang mit Fehlern

Seine 65 Mitarbeiter für ein anderes Arbeiten zu gewinnen, damit hatte Dominik Jauch dagegen kaum Schwierigkeiten. Bereits 2012 stellte der Inhaber und Geschäftsführer sein Unternehmen Spinner Automation in Markgröningen vom Kopf auf die Füße. Allerdings ist er auch offen mit seinen Fehlern umgegangen. „Im Maschinenbau gab es damals kaum Erfahrungen mit Agilität und der in der IT üblichen Projektmanagement-Methode Scrum."

Doch genau diese offene Kommunikation, Fehler-Kultur und Transparenz gehörten zur modernen Unternehmenskultur. Einerseits seien diese Fähigkeiten und Werte Voraussetzung für kreatives Arbeiten, andererseits gebe es keine Vorgesetzten mehr, die viel Zeit investieren, um Konflikte zwischen den Mitarbeitern zu lösen. „Weil sie das jetzt untereinander austragen, sind die Klärungen wesentlich grundsätzlicher“, so Jauchs Beobachtungen. Das möge zunächst Zeit kosten, die sich mittelfristige jedoch lohne. Und da über die Monate und Jahre jeder mit jedem arbeitet, wandelt sich das Betriebsklima insgesamt. Für „Silodenken“ gibt es keine Basis mehr.

Dominik Jauch
Inhaber Dominik Jauch ist überzeugt: "Kundenwünsche sind zu komplex für hierarchische Strukturen". - (Bild: Spinner)

„Solche Beispiele zeigen, dass Unternehmenskultur ein Dauerbrenner bleiben wird“, sagt Frank Schabel. Die zeige sich eben vor allem, wie die Beschäftigten miteinander kommunizieren.

Eine hohe Bedeutung müsse dann der Umgang mit kritischen Themen haben, die wertschätzende und hierarchieübergreifende Kommunikation sowie eine etablierte Feedbackkultur. Führung sei für Wissensarbeiter immer weniger fachlich begründet, sondern Führungskräfte müssen methodisch als Coach oder Mentor ihren Mitarbeitern zur Seite stehen.

Genau diese Kultur fördert Spinner Automation: Um gemeinsam zu denken, werden Projektzahlen und –stand transparent gemacht. Zudem legt jeder legt offen, an welchem Punkt es gerade klemmt und woran es liegt. Denn nur dann können seine Kollegen aus ihrem Blickwinkel etwas Neues zur Lösung beitragen. Pro Jahr erzielt das Unternehmen etwa 15 Millionen Euro Umsatz mit 50 Anlagen.

Standardmaschinen werden an die Bedürfnisse des Kunden angepasst: Das kann ein Roboter sein, der die Maschine mit dem Rohstoff versorgt und am Ende die Fertigteile automatisch weiterleitet oder eine Messtechnik zur Qualitätskontrolle, die die Ergebnisse an die Maschine rückmeldet, die sich dann selbst entsprechend nachjustiert.

Lösungen aus dem Zusammenspiel

„Die Kundenwünsche sind zu komplex für hierarchische Strukturen“, urteilt Dominik Jauch. Hintergrund: Die Lösungen für die Wünsche seiner Kunden entstehen erst durch das Zusammenspiel etwa von Vertrieb, CAD-Konstruktion, Produktion und IT-Entwicklung sowie durch detailliertere Gespräche mit dem Kunden. „Einer allein kann die Komplexität nicht mehr überblicken“, sagt der 38-jährige Ingenieur. Das gelte auch für ihn als Chef. Deshalb scheitert auch das klassische Projektmanagement mit einem Leiter und durchgeplanten Projektschritten. Seine Konsequenz: Er übergibt die Verantwortung inzwischen Teams, die über die notwendigen Kompetenzen verfügen und gemeinsam die passende Lösung entwickeln. Für ihn ist das die Zukunft der deutschen Industrie: „Unsere Stärke ist die individuelle Fertigung und deren Komplexität können wir nur durch agile Arbeitsorganisation bewältigen“.

Jens Gieseler

 

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