Demnächst soll es ein europaweites Lieferkettengesetz geben.

Demnächst soll es ein europaweites Lieferkettengesetz geben. (Bild: N. Theiss - stock.adobe.com)

Unterhändler des Europaparlaments und der EU-Staaten haben sich auf ein Lieferkettengesetz geeinigt. Damit sollen große Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden, wenn sie etwa von Kinder- oder Zwangsarbeit außerhalb der EU profitieren, wie aus Mitteilungen des Europaparlaments und der EU-Staaten von Donnerstag hervorgeht.

Firmen müssen demnach die so genannte "Sorgfaltspflicht" in ihre Unternehmenspolitik und ihr Risikomanagement integrieren. Sie müssen zudem einen Plan verabschieden, der sicherstellt, dass ihr Geschäftsmodell mit der Begrenzung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad vereinbar ist.

VDMA-Hauptgeschäftsführer Thilo Brodtmann kritisiert das EU-Lieferkettengesetz scharf: "Mit der heutigen Einigung im Trilog für ein europäisches Lieferkettengesetz liefert die EU den nächsten Sargnagel für die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie", erklärt er in einer Pressemitteilung. Deshalb sei der EU-Ministerrat gefordert, die Notbremse zu ziehen und den erzielten Kompromiss abzulehnen.

"Im Trilog ist keine Spur von der Ankündigung Ursula von der Leyens übriggeblieben, die europäischen Unternehmen von 25 Prozent der Bürokratiepflichten zu entlasten", so Brodtmann weiter. "Stattdessen werden jetzt sogar mittelständische Unternehmen verpflichtet, hochkomplexe und weitverzweigte Lieferketten bis in den letzten Winkel auszuleuchten."

Das geht weit über das hinaus, was im deutschen Lieferkettengesetz geregelt sei, zumal den Unternehmen nach der europäischen Regelung auch eine zivilrechtliche Haftung drohe. "Und das Lieferkettengesetz ist kein Einzelfall, sondern steht in einer langen Reihe anderer bürokratischer Exzesse aus Brüssel, die vom industriellen Mittelstand geschultert werden müssen", sagt der VDMA-Hauptgeschäftsführer. "Diese viel zu weit gehende europäische Regelung wird die Menschenrechte außerhalb Europas nicht stärken." Stattdessen werden europäische Unternehmen sich eher aus schwierigen Märkten zurückziehen, um ein Risiko, das sie nicht mehr beherrschen, zu reduzieren, meint er.

BDI: Wettbewerbsfähigkeit bedroht

Auch BDI-Hauptgeschäftsführerin Tanja Gönner kritisierte das EU-Lieferkettengesetz. "Der politische Kompromiss im Trilog-Verfahren bedroht Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Diversifizierung der europäischen Wirtschaft, da sich Unternehmen aufgrund rechtsunsicherer Bestimmungen und dadurch drohender Sanktions- und Haftungsrisiken aus wichtigen Drittländern zurückziehen könnten", sagt sie.

Menschenrechte und Umweltschutz seien Anliegen, die Politik und Wirtschaft einen. "Angesichts der Größe der Herausforderung ist es falsch, die Aufgabe des Schutzes dieser Rechte vorrangig auf die Unternehmen abzuwälzen", so Gönner. Unternehmen wollen Nachhaltigkeit in den Lieferketten und tun der BDI-Hauptgeschäftsführerin zufolge schon heute das ihnen Mögliche, ihrer Verantwortung gerecht zu werden.

Der Kompromiss gehe außerdem in zentralen Punkten über die in Deutschland geltenden Bestimmungen hinaus und enthalte zahlreiche Rechtsunsicherheiten - zum Beispiel bei der Definition der Liefer- bzw. Wertschöpfungsketten. "Bereits bei der Umsetzung des deutschen Lieferkettengesetzes zeigen sich viele negative und unbeabsichtigte Auswirkungen und hohe bürokratische Belastungen. Deutschlands Partnerländer empfinden die Lieferkettenregelungen als protektionistisch. Das kann im globalen Wettbewerb nicht im Interesse Europas sein", meint Gönner.

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