Ruhig bleiben - Bundeskanzler Olaf Scholz verteidigte die Maßnahmen der Ampel-Koalition für bessere Wirtschaftsbedingungen.

Ruhig bleiben - Bundeskanzler Olaf Scholz verteidigte die Maßnahmen der Ampel-Koalition für bessere Wirtschaftsbedingungen. (Bild: Deutsche Messe)

Die deutsche Industrie sieht den Wirtschaftsstandort Deutschland in Gefahr und fordert deutliche Reformen. Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung seien zwar lobenswert, jedoch nicht ausreichend, um die rückläufige Entwicklung der Industrieproduktion zu stoppen, die seit Jahren zu beobachten ist. „Es reicht halt nicht“, erklärte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, am Montag zum Auftakt der Hannover Messe.

„Wir brauchen wettbewerbsfähige und langfristig planbare Energiepreise“, forderte Russwurm von der Ampel-Regierung aus SPD, Grünen und FDP. Zudem müssten die Unternehmenssteuern gesenkt werden.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am Vorabend erklärt, die Großhandelspreise für Gas und Strom lägen mittlerweile auf dem Vorkrisenniveau oder sogar darunter. Dies gelte insbesondere für energieintensive Unternehmen. Des Weiteren sei der Abstand zu den Energiepreisen in den USA und anderen energiereichen Ländern inzwischen wieder auf einem Niveau, mit dem die Unternehmen „seit Jahren und Jahrzehnten umgehen müssen”, wie der SPD-Politiker erläuterte.

BDI-Präsident schrieb dem Kanzler bei der Eröffnung der Hannover Messe deutliche Worte ins Stammbuch.
BDI-Präsident schrieb dem Kanzler bei der Eröffnung der Hannover Messe deutliche Worte ins Stammbuch. (Bild: Deutsche Messe)

Industrie prognostiziert einen weiteren Rückgang

Die vom Bund eingeleiteten Reformen, wie das Wachstumsförderungsgesetz und der Bürokratieabbau, werden von der Industrie als unzureichend erachtet. Laut BDI wird die deutsche Industrieproduktion im Vergleich zu 2023 um schätzungsweise 1,5 Prozent zurückgehen. „Trotz moderater Erholungsaussichten dürfen wir uns nichts vormachen: Insgesamt zeigen die Produktionszahlen seit Jahren einen besorgniserregenden Abwärtstrend, wie Russwurm ausführte.

Zu der Frage, warum Scholz ein so ganz anders Bild zeichnete als er, sagte Russwurm: „Der Kanzler beschreibt Input-Maßnahmen der Bundesregierung. Aber wir als Unternehmen sind es gewohnt, zu schauen, was dabei rauskommt.“

Auch der Präsident des Verbandes Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Karl Haeusgen, äußerte seine Besorgnis und forderte mehr Tempo. „Neue Investitionsvorhaben finden aktuell vor allem im Ausland statt, etwa in den USA. Das wird, wenn wir dem nichts entgegensetzen, zu einer anhaltenden Schwächung unserer Wirtschaft führen“, warnte Haeusgen.

Die Umstellung auf eine klimaschonendere Produktion ist das zentrale Thema der Hannover Messe, die mit rund 4.000 Ausstellern aus 60 Ländern und zuletzt rund 130.000 Besuchern eine weltweit führende Industrieschau darstellt. Die Hoffnungen ruhen dabei insbesondere auf Künstlicher Intelligenz (KI) und Wasserstoff als Energieträger. Zu sehen sind etwa Brennstoffzellen zur Umwandlung von Wasserstoff in Strom und Kabelummantelungen auf der Basis von Mais statt Plastik.

Kanzler Scholz äußerte bei einem Rundgang, dass KI heute selbst in kleinsten Produkten schon zu finden sei. Dies helfe auch, weniger Ressourcen zu verbrauchen. „Viele der Dinge, die wir heute gesehen haben, wären bei einer Einführung vor fünf Jahren noch Science-Fiction gewesen“, ergänzte der Ministerpräsident des Messe-Partnerlandes Norwegen, Jonas Gahr Støre.

Doch auch von den Ausstellern gab es Forderungen an den Kanzler. So betonte der Sensorhersteller Pepperl und Fuchs, es brauche Augenmaß bei der Regulierung von KI, wenn es um nicht personenbezogene Daten gehe. Der Energie-Systemanbieter GP Joule warb dafür, die Elektrolyse zur Herstellung von Wasserstoff auch in Deutschland anzusiedeln. Anderenfalls werde die Energiewende hierzulande auf jeden Fall teurer. Als Abnehmer für grünen Wasserstoff steht unter anderem der Stahlkonzern Salzgitter bereit, der bis 2033 seine Produktion komplett umstellen will.

Technik hört nicht auf den Kanzler

Am Stand von Siemens erlebte der Kanzler zudem, dass nicht nur das Zusammenspiel zwischen Industrie und Politik sondern auch das von Mensch und KI manchmal noch ruckelt. Als er einen Roboter-Greifarm per Sprachsteuerung beschleunigen sollte, sagte Scholz: «Können wir das Tempo schneller machen? Schneller. Noch schneller.» Doch es tat sich zunächst - nichts. Erst nach einigen Wiederholungen wurde der Befehl umgesetzt.

Siemens-Vorstand Cedrik Neike nahm es mit Humor. „Es ist wie in der Politik. Es dauert etwas länger, bis es klappt, aber wenn es klappt, klappt es richtig“, sagte Neike.

dpa

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