1) Achim Baier, Geschäftsführer Arconsis IT Solutions
„Die Themen KI und Machine Learning – kurz ML – sind nicht neu und es stellt sich die Frage, weshalb man sich gerade jetzt damit befassen sollte? Es gibt verschiedene Aspekte, zum einen den technologischen, beziehungsweise praktischen Aspekt: Die Forschung im Bereich ML und die dazugehörige Algorithmik hat eine Reife erreicht, die es möglich macht, selbst sehr komplexe KI-Probleme auf bestehender Hardware laufen zu lassen. Der technische Fortschritt in der Entwicklung von CPUs und GPUs, der immense Grad an Vernetzung von Systemen sowie die Verfügbarkeit von Rechenleistung an allen Orten und zu jeder Zeit, sei es in der Cloud, auf mobilen Endgeräten oder in IoT-Umgebungen mit eingebetteten Systemen, macht den Einsatz von Machine Learning erst möglich.
Die IT-Riesen wie Google, Apple und Facebook sowie die Unterstützung der Universitäten und Forschungsinstitute haben die technologischen Werkzeuge geschaffen und mittels Open Source bereitgestellt, die eine Adaption und Verwendung zahlreicher marktreifer Werkzeuge für Deep-Learning-Systeme erlauben.
Ebenso wurden Konzepte, Standards und Best Practices geschaffen, die es nun möglich machen, verschiedenste bestehende neuronale Netze als modulare Bausteine in eigene Lösungsketten zu integrieren. Hinzu kommt der in den vergangenen Jahren stark aufkommende Trend, im Rahmen von Big-Data-Initiativen gigantische Datenmengen zu sammeln und auswertbar zu machen. Das ist ein idealer technologischer Nährboden für KI und ML.
Ein weiterer Aspekt sind Wirtschaftlichkeit und Innovationsmöglichkeiten: Ähnlich wie einst Elektrotechnik und Mechatronik ein nicht wegzudenkender Aspekt für den modernen Maschinenbau waren, wird es, oder ist es schon, die IT. Das Thema Software und Softwareentwicklung stellt einen zentralen Baustein für die Zukunftsfähigkeit des Maschinenbaus dar.
Systeme, die ML adaptieren, haben ein enormes Potenzial, effizienter zu werden und die Leistungsfähigkeit von Systemen und Maschinen kontinuierlich zu steigern. Denn sie lernen ganz intrinsisch durch ihre Funktionsweise dazu. Es wird verstärkt möglich sein, auch komplexe Vorgänge durch ML-Verfahren zu automatisieren. Damit lassen sich mittel- bis langfristig Kosten einsparen, Qualität und Produktivität steigern.
Ebenso gibt es Anwendungsgebiete aus dem ML, die es überhaupt erst ermöglichen, komplett neue Konzepte und Verfahren im Maschinenbau umzusetzen. ML birgt als Katalysator für Innovation ein hohes Potenzial. Zahlreiche Maschinenbau-Unternehmen verfügen über große Mengen an gesammelten Daten und Maschinen, die kontinuierlich weitere Daten erzeugen. Hierbei handelt es sich oft um ungehobene Schätze an Wissen, die über maschinelle Analyse und Lernverfahren wieder zur Verbesserung der bestehenden und zukünftigen Werkzeuge, Prozesse und Verfahren einfließen können. In analysierter, strukturierter Form, wie etwa als Grundlage eines trainierten neuronalen Netzes, stellt dieses Netz selbst wieder einen Mehrwert dar.“
2) Prof. Thomas Bauernhansel, Fraunhofer IPA
„KI und maschinelles Lernen fördern Innovation und somit den Umsatz in digitalisierten Geschäften. Unternehmen besitzen häufig große Mengen an Daten, machen aber kein Wissen daraus. Das maschinelle Lernen verändert dies. Mithilfe von KI, die strukturierte und unstrukturierte Daten verwenden kann, lassen sich Schlüsse aus unübersichtlichen Datenmengen ziehen. Diese Analysen zeigen häufig völlig neue Zusammenhänge auf, die genutzt werden können, um zu überlegenen Entscheidungen und automatisch generierten Dienstleistungen zu kommen.
Ohne maschinelles Lernen kann die Wettbewerbsfähigkeit schnell verloren gehen, weil im Zentrum der digitalen Transformation die effiziente und zunehmend automatisierte Nutzung großer Datenmengen steht. Wie maschinelles Lernen Maschinenfunktionen verbessern kann, zeigen zahlreiche Beispiele aus unseren Forschungsprojekten am Fraunhofer IPA. Mit dem ‚Griff in die Kiste‘ ist ein Roboter in der Lage, aus unsortierten Bauteilen die Richtigen zu greifen und verbessert dabei die Genauigkeit selbstständig: Je häufiger er greift, desto besser wird er.
Im Projekt ‚Smarte Systemanalyse‘ war es möglich, die Gesamtanlageneffizienz von verketteten Anlagen mit KI-Algorithmen in kürzester Zeit um mehr als zehn Prozent zu steigern. Start-ups, die solche Dienste entwickeln, machen sich KI zunutze und sind dabei sehr erfolgreich, weil etablierte Unternehmen in diesem Bereich häufig zu zögerlich sind.“
3) Prof. Torsten Kröger, Karlsruher Institut für Technologie (KIT)
„Traditionell hat Wertschöpfung in mechanischen und elektrischen Komponenten stattgefunden. Heute findet immer mehr Wertschöpfung durch die Entwicklung von Algorithmen statt. In Zukunft wird diese Wertschöpfung immer mehr in Algorithmen liegen, die von Daten lernen.
In vielen Bereichen sind diese lernenden Algorithmen klassischen Algorithmen bereits heute zum Teil weit überlegen, sodass entweder neue Applikationen entstehen oder bestehende Applikationen verbessert werden können. Dieser Trend wird sich in Zukunft fortsetzen. Das bedeutet, dass Daten, die von solchen Algorithmen zum Lernen verwendet werden können, immer weiter an Bedeutung gewinnen werden, und schließlich wichtiger werden als die Algorithmen an sich.
Dies wird natürlich nicht überall funktionieren. Bereiche, die wir mit klassischen Lösungen bereits ‚optimal‘ beherrschen, können auch von lernenden Algorithmen nicht verbessert werden. Dazu gehören zum Beispiel viele kinematische Modelle oder Regler elektrischer Antriebe. Es gibt jedoch im Maschinenbau viele Bereiche, die bisher noch nicht ausgeschöpftes Optimierungspotenzial haben. Beispiele sind: anwendungsspezifische Bewegungsplanung von Robotern und Maschinen, Taktzeitoptimierung von Fertigungsstraßen – oder Teilen davon, Maschinen mit kognitiven Fähigkeiten, Mensch-Roboter-Interaktion, oder automatisierte Programmierung von Robotermontageaufgaben."