‚Cyber-Produktioner‘ tragen ihr persönliches Computersystem – sogenannte Wearables – direkt am Körper. Mithilfe dieser smarten Tools sollen sich in Zukunft viele Prozesse in der Industrie vereinfachen. „Aus meiner Sicht haben Smart Glasses momentan die Qualität, die Reife und auch die Zuverlässigkeit, um damit zu experimentieren“, sagt Wolfgang Prinz, stellvertretender Institutsleiter am Fraunhofer FIT, und fährt fort: „In Spezialanwendungen funktionieren sie jetzt schon in Industrieanwendungen, spätestens mit den übernächsten Brillengenerationen, die 2017 auf den Markt kommen, werden wir dann unter Serienbedingungen arbeiten können.“
Bei WS Kunststoff-Service führen Datenbrillen die Werker bereits durch die Montage. Wichtig ist es laut Geschäftsführer Wassim Saeidi, die Mitarbeiter von Beginn an bei der Einführung solcher Smart Devices einzubinden. Dann könnten Wearables nicht nur Effizienz und Produktivität steigern, sondern auch den Spaß bei der Arbeit.
Produktion zeigt auf den folgenden Seiten 5 wichtige Tools für Cyber-Produktioner.
Tool 1 - Werkerführung per Datenbrille
WS Kunststoff-Service hat eine Produktionslinie mit dem Datenbrillen-Werkerführungssystem xMake von Ubimax ausgestattet. Durch die Verwendung der Smart Glasses haben Werker stets die relevanten Anleitungen im Blickfeld und beide Hände frei zur Ausübung der Montagearbeiten.
Dank des intuitiven Designs erfolgt die Anlernphase für neue Mitarbeiter in kürzester Zeit, weshalb die Anwendung ebenfalls im Bereich Training eingesetzt wird. Insgesamt profitiert WS Kunststoff-Service durch eine hohe Produktionsgeschwindigkeit, eine niedrigere Fehlerrate und eine größere Prozesssicherheit.
„Die Einbindung der Mitarbeiter und das gesamte Thema Change-Management waren bei der Einführung der Datenbrillen erfolgsentscheidend“, berichtet Wassim Saeidi aus der Geschäftsleitung von WS Kunststoff-Service. Die Werker hätten den ergonomischen sowie den prozessualen Mehrwert der innovativen Technologie schnell erkannt, was zur schnellen Akzeptanz mit beigetragen hat. „Mit zusätzlichen Gamification-Features von xMake, wie dem Fortschrittsbalken oder dem anonymen Feedback der persönlichen Performance, konnte mit den Smart Glasses ebenfalls der Spaß bei der Arbeit gesteigert werden.“
Tool 2 - Armband für die Gestensteuerung
In der Vorserienentwicklung prüft Audi virtuell einzelne Montageschritte auf ihre Praxistauglichkeit. Die Tests finden in der sogenannten CAVE (Cave Automatic Virtual Environment) statt. Sie besteht aus Projektionsflächen auf dem Boden und an der Wand, auf die Beamer 3D-Bilder von Bauteilen werfen. Dadurch entsteht eine virtuelle Realität, in die Audi-Ingenieure mit 3D-Brillen eintauchen.
Im Serienbetrieb steuern die Vorserienentwickler die virtuellen Bauteile mit dem Controller einer Spielekonsole. Schon bald soll das über einfache Gesten funktionieren. Ein Team rund um Entwicklungsingenieurin Katharina Kunz testet dazu das sogenannte Myo – ein in der Gaming-Branche entwickeltes Armband zur Gestensteuerung. Es misst die Muskelströme am Unterarm und erhält dadurch Rückschlüsse darauf, wie der Nutzer seinen Arm und seine Finger bewegt. Die Bewegungsdaten sendet das Armband dann via Bluetooth an einen Rechner. Dieser sammelt darüber hinaus die Positionskoordinaten des Nutzers mithilfe einer Infrarotkamera an der Decke.
Damit das Myo-Armband nicht jede beliebige Bewegung als Steuergeste interpretiert, aktiviert der Nutzer das System durch eine Berührung von Daumen und Mittelfinger.
Tool 3 - Smart Glasses in Ausbildung, Wartung oder Qualitätssicherung
Im ‚Smart Glass Experience Lab‘ am Fraunhofer FIT können aktuell am Markt verfügbare Smart Glasses, VR-Glasses und Smartwatches von verschiedenen Herstellern getestet werden. „Wir haben drei Bereiche in der industriellen Produktion identifiziert, für die sich Smart Glasses eignen“, sagt der stellvertretende Institutsleiter Wolfgang Prinz. Der erste Bereich ist die Ausbildung. Über Smart Glasses könnten zum Beispiel Informationen eingeblendet werden, die dem Auszubildenden helfen, die Funktionsweise der Maschine zu verstehen.
Die zweite Anwendung ist die Wartung von Maschinen. „Trägt der Operator vor Ort Smart Glasses, kann sich ein Experte aus der Unternehmenszentrale per Videokonferenz dazu schalten“, erläutert Prinz. Über das Kamerabild der Datenbrille sehe der Experte aus der Ferne sehr schnell, wo das Problem liegt. Er könne dann in das Sichtfeld des Operators zum Beispiel Reparaturanweisungen einblenden oder Handreichungen geben, indem er etwa einen virtuellen Pfeil auf eine bestimmte Schraube an der Maschine augmentiert, die als nächstes gelöst werden muss.
Der dritte Fall sind Protokollierungsaufgaben im Rahmen der Qualitätssicherung. „Hier lassen sich mit Smart Glasses Fotos oder Videos in der Anlage erstellen, man kann aber auch Audionotizen aufnehmen und gleichzeitig die Eckdaten der Maschine einblenden“ sagt Prinz. Die Datenbrille speichert das direkt im Firmennetz. Später müssten die Dateien nur noch geordnet werden, Audiodateien würden automatisch in Textdateien umgewandelt und das Prüfprotokoll ließe sich ohne weiteren Aufwand erstellen.
Tool 4 - Smarter Schutzhelm
Mit dem sogenannten ‚Smart Helmet‘ des US-amerikanischen Herstellers Daqri lassen sich Informationen in das Blickfeld des Trägers augmentieren. Gleichzeitig behält der Anwender beide Hände frei, um seiner Arbeit nachgehen zu können.
Der Helm ist robust gebaut und für den Einsatz in der Industrie konzipiert. Laut Angaben von Daqri lassen sich die meisten Brillen zum Ausgleich einer Sehschwäche unter dem Helm tragen. Wie ‚www.wired.de‘ mitteilt, befinden sich hinter dem Visier des Helmes zwei Bildschirme, die Anweisungen und Hinweise zu anstehenden Aufgaben geben. Außerdem lesen sie Messstände von Maschinen ab, die sie dann direkt analysieren und dem Träger passende Handlungsempfehlungen einblenden.
Damit der Helm sich selbst im Raum orientieren kann, ist er nach Angaben des Technik-Blogs mit einem Trägheitssensor, zwei Kameras vorne am Inneren des Helms, zwei hinten und einer 3D-Kamera ausgestattet. Dadurch soll er dem Träger beispielsweise in großen Anlagen den Weg weisen können. Daqri testet den smarten Helm derzeit in verschiedenen Pilotanwendungen. Er soll 2016 auf den Markt kommen.
Tool 5 - Einsatz von Wearables in der Fernwartung
Mit der Smart Business Plattform Simplifier von Itizzimo lassen sich Wearables in der Fernwartung einsetzen. Die Technologie ist ausgelegt, um Unternehmensdaten in integrierten Anwendungen auf mobilen Endgeräten, beispielsweise Smartphones, Tablets oder auch Smartglasses und -watches, so bereitzustellen, dass sie genau zum Kontext passen, in dem sie benutzt werden.
Über Rollen- und Rechtevergabe, Log-in Daten, Geräteprofile des verwendeten Endgerätes sowie Sensoren und Funktechnologien wie RFID wird der Kontext des Benutzers erfasst. Das bedeutet, dass nur die Daten angezeigt werden, die im derzeitigen Moment relevant sind. Soll zum Beispiel ein Triebwerk eines Flugzeugs gewartet werden, würden alle weiteren Inhalte zur Wartung von Tragflächen oder Motoren nur ablenken, beziehungsweise die Bedienoberfläche verkomplizieren.