Viele Unternehmen im Automobilbereich arbeiten gerade daran, agile Strukturen einzuführen. Sie wollen mit agilen Teams schneller Ergebnisse erzielen. Dafür brauchen sie eine Mischung aus IT-, Produktions-, Security- und Compliance-Fachleuten sowie Kommunikationsspezalisten und Manager. Ein großer Automobilhersteller nutzt derzeit Künstliche Intelligenz (KI), um für diese Zielsetzung eine möglichst optimale Teamzusammensetzung zu erreichen.
Daten darüber, wie die Teammitglieder einzuordnen sind und wie sie in ihrer Rolle agieren, bilden dabei die Grundlage. Das Unternehmen reichert diese Daten aufgrund von Erfahrungswissen an. Damit kann der Algorithmus lernen, was in der Vergangenheit gut funktioniert hat.
Diese Informationen erhalten die Fachleute über Feedback-Schleifen aus bestehenden Teamzusammensetzungen, die bewerten, wie gut die Zusammensetzung war und wie die Teamarbeit der Mitarbeiter funktionierte. Betrachtet wird die Zusammenarbeit dabei jeweils aus einer Innen- und einer Außenperspektive.
Die Künstliche Intelligenz unterbreitet schließlich Vorschläge, wie eine optimale Teamzusammensetzung aussehen könnte. Diese Vorschläge werden dann sukzessive immer besser durch die in den Prozess integrierte Feedbackschleife. Und weil diese agilen Teams bewusst eine relativ große Fluktuation haben, hat das Unternehmen die Möglichkeit, diese Teamzusammensetzung immer weiter zu verbessern.
KI kann zu ungewöhnlichen Teamzusammenstellungen führen
Die Künstliche Intelligenz bringt dabei Kombinationen und Aspekte in Teams, die der Mensch so nicht ausgewählt hätte. „Manager entscheiden sich meist für Mitarbeiter, von denen sie aus eigener Erfahrung wissen, dass sie gut arbeiten – und zwar auch mit ihnen“, sagte Volker Darius, Head of Corporate Excellence & Transformation bei Capgemini Consulting, gegenüber der Fachzeitung Produktion.
Sie suchten in der Regel nicht nach Personen mit stark unterschiedlichen Charakteren oder abweichenden Profilen, sondern setzen eher auf Bewährtes.
Mit KI lässt sich Neues ausprobieren
Das seien menschliche Reaktionen, die sich mit Künstlicher Intelligenz umgehen ließen. „Man kann Neues und für den Menschen vermeintlich Unlogisches ausprobieren“, so Darius. Das Projekt war seiner Einschätzung nach erfolgreich. „Diese Zusammensetzungen funktionieren tatsächlich besser als erwartet, sagte Darius. Es sei jedoch ein schmaler Grat. Man müsse aufpassen, dass die Vorschläge nicht zu drastisch sind, so dass kurzfristig Probleme auftreten oder der Glaube fehlt, dass Teams funktionieren können.
Der Automobilhersteller hatte dabei am Markt vorhandene Software-Elemente für das Lernen und die Zusammensetzung von Teams mit der Datenbasis aus dem HR-System kombiniert. Spezialisten bauten daraus ein prototypisches System für die Nutzung auf dem Computer.
Seit den 70er Jahren weiß man, was man für KI benötigt
„Die Software ist dabei mehr das Vehikel“, so Darius, „um das Ganze in die Praxis zu übertragen, bedarf es eines klaren Prozesses und einer eindeutigen Organisationsaufteilung.“ Arbeit steckt dabei vor allem in der Datenanbindung und richtigen Parametrisierung. Dabei lasse sich bei den Algorithmen etwa auf Open-Source-Software wie Googles TensorFlow oder kommerzielle Service-Plattformen wie IBM Watson zurückgreifen.
„KI an sich ist nicht mehr die Kunst, seit den 70er Jahren ist bekannt, was man dafür methodisch benötigt“, sagte Darius. „Heute jedoch sind Rechenleistung, Datenverfügbarkeit und auch der Wille, das Ganze umzusetzen, vorhanden.“ Was in den 70er Jahren kühne Theorie war, werde jetzt sukzessive Praxis.
Was unter Künstlicher Intelligenz verstanden wird, fasst die Unternehmensberatung Capgemini relativ weit: Dazu zählen auch Spracherkennung, maschinelle Verarbeitung natürlicher Sprache, Semantic Technologies, Biometrie, Machine und Deep Learning, Schwarmintelligenz sowie Chat Bots und Voice Bots. KI bedeutet nicht notwendigerweise der Einsatz von Robotern.
„Künstliche Intelligenz eignet sich zur Beherrschung von Fragen mit hoher Komplexität und auf Basis von großen Datenmengen“, weiß Marc Lakner, Partner bei der Unternehmensberatung A. T. Kearney. „Daher ist Künstliche Intelligenz natürlich auch ein Thema für das Management in der Industrie“, sagte Lakner gegenüber Produktion.
Aktuell könne KI eher für repetive, operative Management-Aufgaben genutzt werden. Das sei im Wesentlichen das Shop-Floor-, Instandhaltungs- und Transportmanagement. In diesen Bereichen könne Künstliche Intelligenz entweder schon heute Entscheidungen von operativen Führungskräften treffen wie das automatisierte Erstellen von Instandhaltungsaufträgen und die Entsendung von Instandhaltungspersonal auf Basis von Maschinen-Daten oder Management-Entscheidungen in der Industrie unterstützen.
Laut Lakner können Manager mithilfe von KI schneller Entscheidungen treffen und die Lösungsfindung von repetitiven Prozessen automatisieren. Das betrifft folgende Bereiche:
- die Produktionsplanung, zum Beispiel durch gesamtheitliche Optimierung von Problemen oder durch konkrete Vorschläge für Planer in kritischen Situationen,
- das Qualitätsmanagement, zum Beispiel durch Rückführung von Hinweisen aus dem Feld (beispielsweise Auswertung von Freitext-Beschwerden oder Technikerbeschreibungen) auf konkrete Probleme entlang der Wertschöpfungskette,
- das Instandhaltungsmanagement auf Basis von Pattern Recognition und Reasoning & Optimization (Fraud Detection, Cybersecurity, Threat Detection, Predictive Analytics),
- den Support bei der Produktivitätsverbesserung von Logistik-Prozessen,
das EHS Management (Umweltmanagement, Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit) im Bereich Gefährdungsbeurteilung, - den Management Support: Natural Language Processing, Scheduling Appointments, automatische Erkennung von E-Mail-Inhalten, Tracking, Reisen. Ein virtueller Personal-Assistant ist jedoch noch Zukunftsmusik.
Aktuell arbeitet der Turbinenhersteller Rolls-Royce in einem Projekt zur Künstlichen Intelligenz zusammen mit Singapore Airlines. Mit einer Reihe von Werkzeugen zur smarten Datenanalyse und mit Predictive Tools wie der Microsoft IoT-Suite Azure sowie mit der KI-Software Cortana Intelligence Suite sowie mit seiner Ingenieurskompetenz will Rolls-Royce neue Einsichten gewinnen.
Auf diese Weise will Rolly-Royce den Treibstoffverbrauch der Fluggesellschaft reduzieren, die Flugrouten wirtschaftlicher gestalten sowie sicherstellen, dass immer die richtigen Teams und die richtige Ausstattung für die Wartung der Turbinen zur Verfügung steht, sodass es eine höchstmögliche Verfügbarkeit der Maschinen gibt.
Welche Auswirkungen durch Künstliche Intelligenz und die Digitalisierung im Management zu erwarten sind, wird auch daran ersichtlich, wie sich große Unternehmensberatungen derzeit aufstellen. „Wir schätzen, dass 50 Prozent unserer derzeitigen traditionellen Tätigkeiten in fünf Jahren nicht mehr von Menschen ausgeführt werden“, meint Norbert Winkeljohann, Sprecher der Geschäftsführung von PwC Deutschland. „Unsere Arbeit wird sich in den nächsten Jahren umverteilen.“ Shared Services und Automatisierung würden einfache Tätigkeiten ersetzen. Prognosen der zukünftigen Entwicklung des Tätigkeit-Mixes zeigten signifikante Verschiebungen.
Die Experten von PwC werden sich nach Einschätzung von Winkeljohann zunehmend mit neuen Aufgaben außerhalb ihres bisherigen Leistungsspektrums auseinandersetzen – dazu gehörten KI, Cyber Security und Data Analytics. Deshalb will sich die Beratung nachhaltig verändern und investiert insbesondere im Bereich KI und in die Entwicklung intelligenter Systeme.
Den Mitarbeitern vermitteln, wie sich Aufgaben verändern
Wichtig bei der KI-Einführung ist es nach Einschätzung von Capgemini, auf die Ängste der Mitarbeiter bezüglich eines möglichen Jobverlustes (61 %) einzugehen. Führungskräfte sollten offen kommunizieren und die Mitarbeiter bei der Reise mitnehmen. Sie könnten zeigen, wie Künstliche Intelligenz die Aufgaben-Stellung der Mitarbeiter erweitert und wie Training die Sicherheit der Menschen im Umgang mit der neuen Technologie erhöhen.