Wo Strom im Spiel ist, gibt es unweigerlich elektromagnetische Impulse. Sie können sich ausgesprochen störend auswirken, zum Beispiel auf die allgegenwärtige Elektronik, die uns umgibt. Deshalb müssen unter anderem auch Autohersteller die elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) ihrer Produkte nachweisen. Die Fahrzeuge stecken zudem selbst voller empfindlicher Elektronik und werden in spezialisierten EMV-Labors getestet. Dort herrschen für Menschen ungemütliche Bedingungen.
Um bei den Tests dennoch alles im Blick zu behalten, werden Kamerasysteme eingesetzt. Die Firma mk-Messtechnik hat sich auf solche Systeme spezialisiert, in deren Schwenkköpfen Motoren von Faulhaber für die exakte Ausrichtung der ferngesteuerten Module sorgen.
Beobachtung von EMV-Tests per Kamera
"Angefangen hat es, als im Pkw nicht mehr nur ein Autoradio eingebaut wurde", erinnert sich Dr. Martin Kull, Gründer und Geschäftsführer von mk-Messtechnik. "Mit der Zeit kam immer mehr Elektronik hinzu – von ABS und Airbag bis Mobilfunk und Navigation." Die einzelnen Systeme dürfen sich weder gegenseitig stören, noch andere Systeme außerhalb des Fahrzeugs beeinträchtigen. Auch gegen Impulse von außen sollen sie möglichst unempfindlich sein.
Schon als Student an der Universität Stuttgart führte der Elektronik-Ingenieur Messungen im Prüflabor von Daimler durch. In solchen Labors werden zum Teil sehr starke elektromagnetische Wellen auch weit jenseits geltender Grenzwerte erzeugt. Die Laborkammern werden deshalb während der Tests hermetisch abgeriegelt. Was in ihrem Innern vorgeht, kann nur mit Hilfe von Kameras beobachtet werden. "Damals gab es die ersten Anfragen, Überwachungsgeräte für diesen Einsatz zu bauen. Der Bedarf lag aber bei weniger als 100 Kameras im Jahr, sodass sich die großen Firmen aus dem Nischenmarkt zurückzogen."
Dr. Kull sah seine Chance und gründete 2006 zusammen mit seiner Frau eine eigene Firma. Anfangs machte das Ehepaar alles eigenhändig, so als 2008 ein Automobilhersteller aus den USA ein System mit 20 Kameras bestellte. "Wir haben jedes Bauteil selbst gelötet und zusammengebaut und waren sehr stolz, einen Weltkonzern zu beliefern", erinnert sich der Gründer. Die Nachfrage wuchs, und mit ihr das Unternehmen. 2010 stellte man den ersten zusätzlichen Mitarbeiter ein, heute sind es mehr als 60, denn fast alle Autohersteller setzen bei EMV-Tests auf die Kamerasysteme des Herstellers aus Notzingen bei Stuttgart.
Montagemöglichkeiten der Kameras
Die Kameras können fest an der Wand montiert oder auf verschiedenen Stativen befestigt sein. Außerdem bietet mk-Messtechnik eine sogenannte Sitzkiste an, die auf dem Fahrersitz platziert wird und bis zu sechs Kameras aufnehmen kann. Mit ihnen kann man das komplette Armaturenbrett, sämtliche Displays, Anzeigen und Steuerungselemente des in der Kabine befindlichen Fahrzeugs überwachen.
Der Trend zu Elektromobilität kommt den Schwaben entgegen, da die elektromagnetische Verträglichkeit bei Elektrofahrzeugen eine noch wichtigere Rolle spielt als bei Autos mit Verbrennungsmotor. Zudem muss auch die Elektronik in Zügen, Flugzeugen und Schiffen EMV-Tests durchlaufen.
Dr. Kull entstammt einer Familie mit schwäbischer Tüftler-Tradition. "Mein Hobby ist der Modellbau, so beschäftige ich mich seit jeher mit allem was fährt, schwimmt oder fliegt. Mein Fachgebiet ist zwar die Elektrotechnik, aber ich habe mich immer auch sehr für die mechanischen Aspekte interessiert.“ mk-Messtechnik profitiert von diesem Doppeltalent auch in der Produktentwicklung: „Ab 2008 kamen vermehrt Anfragen nach wandmontierten Kameras mit Fernsteuerung. Damals entstand die Basis für die passende Lösung im Hinblick auf Größe, Gewicht und Steuerung."
Dr. Kull strebt nach einem Maximum an Funktion bei einem Minimum an Hard- und Software sowie Entwicklungsaufwand. Unter anderem setzt er auf marktübliche Standardteile wie die eloxierten Aluminiumrohre, die der Hersteller als Gehäuse verwendet. Was einfach scheint, wird im fein abgestimmten Zusammenspiel zur maßgeschneiderten Lösung: "Es kommt zum Beispiel darauf an, beim Aufbau der Platine auch das Gehäuse im Blick zu haben, um spätere Anpassungen zu vermeiden."
Drehort Ozean – harte Filmbedingungen für Mensch und Equipment
In der rauen Umgebung der Meere ist es nicht leicht, brillante Filmaufnahmen zu machen. Für die Dreharbeiten des Dokumentarfilms "Unsere Ozeane" der französischen Galatée Films musste deshalb die bestehende Kameratechnik weiterentwickelt werden. Insbesondere die notwendige Stabilisierung der Kamera, um bei permanent schwankendem Untergrund wackelfreie Bilder garantieren zu können, stellte die Entwickler vor eine große Herausforderung. Eine gyroskopische Montageplattform mit mehreren DC-Kleinstmotoren pro Achse brachte die gewünschte Lösung.
Man schreckt in Notzingen auch vor komplexer Montage nicht zurück und bestückt etwa die Platinen selbst. "Wir bauen manchmal mehr als hundert verschiedene Platinen pro Woche" erklärt Dr. Kull. "Da wird die Vorbereitungs- und Umrüstzeit zum entscheidenden Faktor. Die gängige Software konnte keine akzeptable Geschwindigkeit erreichen, also haben wir ein eigenes Datenaufbereitungsprogramm für die Bestückungsautomaten geschrieben. Wir konnten damit die Vorbereitungszeit pro Platine von mehreren Minuten auf etwa fünf Sekunden verkürzen."
Um die Abläufe beim EMV-Test zu vereinfachen, wurde das Portfolio um schwenkbare Kameras mit Fernsteuerung erweitert. Ursprünglich waren sie nur für die Wandmontage gedacht. Doch die Nachfrage nach der beweglichen Variante wuchs bald auch bei den mobilen Systemen. "So mussten wir uns mit dem Thema mechanische Stabilität unter ganz neuen Aspekten auseinandersetzen. Unsere Systeme sind zwar sehr robust, aber wenn ein Stativ mit einem 800 Gramm schweren Kameraaufsatz umfällt oder dieser Aufsatz von einer groben Hand gedreht wird, ist das eine Herausforderung für das Material. Wir haben das Problem mit einer Art Rutschkupplung gelöst."
Überwachung des Wärmeverlaufs per Infrarot
Kameras von mk-Messtechnik überwachen nicht nur die Fahrzeugelektronik, sondern auch den Wärmeverlauf. Dafür wurde die Infrarot-Kamera Opto-LWIR entwickelt. Die elektromagnetischen Felder, die bei den Tests aufgebaut werden, schaffen ein gewisses Brandrisiko. Durch sehr starke Felder kann es zu einer Überhitzung der Prüflinge oder von Teilen der Anlage kommen.
Bei der Prüfung von Elektrofahrzeugen kommt eine weitere Hitzequelle hinzu, wie Dr. Kull erläutert: "Elektroautos laden auf dem Prüfstand ihre Akkus durch Rekuperation wieder auf. Sind diese voll, werden die Bremsen des Autos aktiviert. Die Bremsen können überhitzen, schlimmstenfalls kann es sogar anfangen zu brennen. Einen Prüfstand einzurichten erfordert eine Summe im zweistelligen Millionenbereich. Die Prototypen, die getestet werden, haben einen unschätzbar hohen Wert. Die Überwachung mithilfe von Infrarotkameras erlaubt es, diese Investitionen durch rechtzeitiges Eingreifen zu schützen." Für die Entwicklung der Kamera wurde mk-Messtechnik für den Innovationspreis 2019 des Landkreises Esslingen nominiert.
Kleinstmotoren für präzise Ausrichtung
Um die Kameras exakt auszurichten, verwendet mk-Messtechnik Antriebe von Faulhaber. "Wir haben mit Servomotoren und Motoren aus dem Modellbau experimentiert, aber die waren nicht präzise oder robust genug. Bei Faulhaber haben wir die passenden Motoren gefunden."
In dem Schwenk-/Neigekopf, der die Kamera ausrichtet, arbeiten zwei DC-Kleinstmotoren der Serie 1516 … SR mit Edelmetallkommutierung, kombiniert mit einem Stirnradgetriebe der Serie 15/8 und der Übersetzung 900:1.
"Anfangs hatten wir ein 500:1-Getriebe ausprobiert, doch das war zu schnell. Mit der 900:1 Lösung dreht der Schwenkkopf zwar etwas langsamer, kann aber größere Gewichte bewegen und ist selbst elektrisch optimal abgeschirmt." Auch seine hohe Effizienz sprach für den Antrieb, denn der Strom fürs Schwenken stammt aus den Akkus der Kameras.
Bis auf das eigentliche Kameramodul und die Antriebe , die zugekauft werden, entwickelt und fertigt mk-Messtechnik das gesamte System selbst, zum Nutzen der Kunden, wie Dr. Kull betont: "Wenn die Aufgaben komplex werden oder individuelle Änderungen notwendig sind, können wir so sehr flexibel reagieren. ‚Geht nicht‘ gibt es bei uns nicht, jedenfalls nicht innerhalb der Grenzen der Physik."