Eine Prüfeinrichtung, entsprechende Messsoftware und eine Closed Loop-Schnittstelle genügen um mit prozessbegleitender Messtechnik zu automatisieren.

Ein Baustein für die Komplettbearbeitung ist die Messtechnik: Um mit prozessbegleitender Messtechnik zu automatisieren, genügen eine Prüfeinrichtung, entsprechende Messsoftware und eine Closed Loop-Schnittstelle. (Bild: Index-Werke GmbH)

Das Thema Nachhaltigkeit beschäftigt die Industrie aktuell ganz besonders. Sowohl Spezialistinnen und Spezialisten von Präzisionswerkzeugen als auch Hersteller von Schleifmaschinen und Bearbeitungszentren kennen sich bei der Optimierung von Prozessen oft bestens aus. Es geht darum, kundenspezifisch den produktivsten sowie wirtschaftlichsten – und immer mehr auch den nachhaltigsten Prozess – zu finden.

Gerade die Komplettbearbeitung von Bauteilen bringt dabei einige Vorteile. Hier einige Praxisbeispiele und -anwendungen von Ausstellern der EMO Hannover 2023:

Horn: Präzisionswerkzeuge bringen zusätzliche Effizienz in Prozesse ein

„Mit über 25.000 Standardwerkzeugen und mehr als 150.000 kundenspezifischen Sonderlösungen hat sich die Paul Horn GmbH breit aufgestellt“, sagt Geschäftsführer Markus Horn. „Das Thema Komplettbearbeitung lässt sich damit ideal abdecken, wie folgende Praxisbeispiele zeigen.“

Schlitzfräsen der dünnwandigen Klinge eines Zecksticks mit einem Zirkularfräser.
Schlitzfräsen der dünnwandigen Klinge eines Zecksticks mit einem Zirkularfräser von Horn. (Bild: Horn/Sauermann)

Zur Fertigung eines Zeckensticks auf einem Langdrehautomaten kamen unterschiedliche Horn-Werkzeuge zum Einsatz. Der erste Bearbeitungsschritt ist das Drehen des Außendurchmessers. Danach folgt das Fräsen der Kontur für die Klinge. Dabei fertigt das Werkzeug im Vollschnitt die obere Kontur sowie die untere Anspiegelung der Klinge. Zur Aufnahme der Zecke wird mit einem 3-Millimeter-Vollradiusfräser eine Absetzung an der Klinge gefräst. Anschließend erfolgt das Fräsen der Klinge.

Zum Verschrauben mit einer Hülse wird im nächsten Bearbeitungsschritt ein Außengewinde der Größe M7 x 0,5 gefertigt. Nach dem Gewinde erfolgt das Kopieren der restlichen Kontur. Anschließend fräst eine weitere Zirkularfräsplatte zwei gegenüberliegende Flächen an den Außendurchmesser. Die Flächen dienen zum einen als Griffe und zum anderen als Beschriftungsflächen. Der finale Arbeitsschritt ist der Abstich des Bauteils. Alle Fertigungsschritte erfolgen vollständig auf nur einer Maschine.

Drehen des Außengewindes einer Düse
Drehen des Außengewindes einer Düse. (Bild: Horn/Sauermann)

„Ein weiteres Beispiel ist die Komplettbearbeitung einer Düse. Diese besteht aus rostfreiem Stahl 1.4301“, führt Markus Horn weiter aus. „Das Bauteil beinhaltet mehrere Zerspanoperationen, die mit unterschiedlichen Horn-Werkzeugsystemen ausgeführt werden.“ Als Schmierstoff dient hierzu die Minimalmengenschmierung (MMS). Beim Längsdrehen der Düse geschieht die Schmierung über die Kühlmittelbohrungen am Werkzeughalter, ebenso wie bei der Herstellung des Außengewindes. Das Innenausdrehen der Düse wird mit einem Werkzeug aus dem Horn-Programm vorgenommen, das über eine Kühlmittelbohrung direkt in der Platte verfügt. Daher erfolgt die Schmierung durch die Platte gezielt an die Schneide bzw. in die Zerspanzone. „Bei den eingesetzten Werkzeugen handelt es sich ausschließlich um Standardwerkzeuge, die nachhaltig über MMS geschmiert werden“, betont der Geschäftsführer. „Alle Lösungen sind grundsätzlich auch auf MMS ausgelegt und benötigen daher keine weitere Anpassung.“

Adelbert Haas: Software hilft, den gesamten Fertigungsprozesses abzubilden und zu steuern

Komplexe Werkstücken, die digital geschliffen werden.
Digitales Vorschleifen von komplexen Werkstücken. (Bild: Adelbert Haas GmbH)

Die Komplettbearbeitung komplexer Werkstücke in einer Aufspannung ist mittlerweile zum Standard geworden. Dass die Anforderungen im Schleifen immer weiter steigen, zeigen die Entwicklungen der vergangenen Jahre deutlich. „Dies betrifft aber nicht einfach nur das Schleifen, sondern vor allem die vor- und nachgelagerten Prozesse der Herstellung“, sagt Heiko Zimmermann, Head of Sales Europe bei der Adelbert Haas GmbH in Trossingen. „Der Schlüssel zum Erfolg ist hier definitiv die Software.“

Dass die Software das zentrale Element ist und die Hersteller von komplexen Werkstücken einen entscheidenden Schritt weiterbringt, demonstrieren die Präzisionsspezialisten aus dem Schwarzwald seit Jahren eindrucksvoll: beispielsweise mit digitalem Vorschleifen sowie sichtbarem Bearbeitungsabsatz und mit allen Werkstückdetails, von Unebenheiten in den Übergaben und Restwelligkeiten in den Oberflächen bis hin zu genauesten Anpassungen und Korrekturen sowie von der Maschine entkoppelter Prozessoptimierung.

„Infolgedessen lassen sich konkret Rohlinge und Schleifmittel einsparen und Prozesszeiten erheblich verkürzen“, erläutert Zimmermann. „Damit basieren wettbewerbsfähige Taktzeiten nicht mehr ausschließlich auf Schleif-Knowhow und physischen Testbearbeitungen, sondern lassen sich bereits im Vorfeld ohne Aufwendungen von Maschinenstunden und Ressourcen erarbeiten. Das und vieles mehr zeigen wir auf der EMO Hannover 2023.“

Weil Materialien, Energie und Ressourcen noch effizienter eingesetzt werden müssen, leistet die Steuerung der Fertigung einen weiteren wesentlichen Beitrag. Im Fokus befindet sich dabei die Abbild- und Steuerbarkeit des gesamten Fertigungsprozesses. Alle Prozesskomponenten – wie manuelles Scannen, Automationslösung, Reinigungsanlage oder Beschriftungsmaschine usw. – können digital beliebig aus- und eingebaut werden. So wird maximale Transparenz in der Auftragsplanung geschaffen, trotz unterschiedlicher Aufträge, Prioritäten und Stationsbelegungen. Die Modifikation von Aufträgen kann während der Fertigung erfolgen. Das spart wertvolle Zeit und geht mit geringeren Stillstandzeiten einher. Parallel zum gefertigten Auftrag lässt sich bereits rüsten und somit Downtime sparen.

Index-Werke: In Prozessen denken und mit Closed Loop automatisieren

„Die Index-Werke GmbH & Co. KG, Hahn & Tessky aus Esslingen sind bekannt für leistungsfähige Werkzeugmaschinen zum Drehen und Fräsen“, erläutert der Leiter Global Marketing Rainer Gondek, „immer mehr aber auch für unsere Automationslösungen.“ Letztere eignen sich nicht nur zum Be- und Entladen der Maschinen, sondern bereiten außerdem den Weg zu einer automatisierten Prozessführung. Mit dem Closed Loop ist ein geschlossener Regelkreis gemeint. Dieser enthält in der von Index angebotenen Form die Elemente Produzieren, Handhaben, Messen/Prüfen und Kompensieren.

Ein Beispiel: Der Anwender fertigt eine Bauteilserie auf einem Produktionsdrehautomaten der Süddeutschen. In der angeschlossenen Index Roboterzelle erfolgt das Teilehandling: Ein Roboter legt das Rohteil aus der Palette in die Maschine ein, entnimmt es nach der Bearbeitung, gibt es an das in der Roboterzelle installierte Prüf-/Messystem weiter und legt anschließend das gemessene Teil wieder in der Palette ab.

Der geschlossene Regelkreis (Closed Loop) überzeugt, dass die Einhaltung von Toleranzen über einen geregelten Ablauf statt mit statischer Prozesskontrolle und manuellen Korrekturen erreicht wird.
Der geschlossene Regelkreis (Closed Loop) bei Index überzeugt vor allem dadurch, dass die Einhaltung von Toleranzen über einen geregelten Ablauf statt mit statischer Prozesskontrolle und manuellen Korrekturen erreicht wird. (Bild: Index-Werke GmbH & Co. KG, Hahn & Tessky)

„Das Prüfgerät erfasst dabei die für das Bauteil relevanten Maße, die in Echtzeit von der intelligenten Prozessregelung (IPC) gelesen werden. Diese kommuniziert über unsere Closed Loop-Schnittstelle mit der Maschinensteuerung. Die Schnittstelle erlaubt es, die übermittelten Messmerkmale auf die betroffenen Werkzeuge zurückzuführen und entsprechende Korrekturen anzuwenden“, erklärt Gondek.

Der Umgang mit der Messstrategie-Software ist einfach: Anwender können dort individuell für jedes Bauteil die erforderlichen Messvorgänge bis hin zur 100-Prozent-Messung vorgeben sowie Toleranzbänder und Korrekturkennwerte festlegen. Dementsprechend werden die Werkzeugkorrekturen aktualisiert, eine durchgängig automatisierte Prozesskontrolle ohne jeglichen Bedienereingriff ist umsetzbar. So lassen sich die üblichen Ursachen von Prozessinstabilität – wie Werkzeugverschleiß und thermische Einflüsse – ausgleichen und Nutzer haben zudem transparent jederzeit ein Bild vom Trendverlauf vor Augen. „Wir freuen uns auf die EMO Hannover, um Interessenten unsere innovativen Lösungen gerne bis ins Detail zu präsentieren“, kündigt Rainer Gondek an.

Aktuelles aus der Industrie

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ISF: Hochdynamisches Drehen und Laserbearbeitung machen Produktion effizienter

Einsatz eines hochdynamisches Drehverfahrens auf einem Drehfräszentrum.
Einsatz eines hochdynamisches Drehverfahrens auf einem Drehfräszentrum. (Bild: Technische Universität Dortmund – Institut für Spanende Fertigung ISF)

Entwicklungen neuer Werkzeug- und Bearbeitungskonzepte sowie Prozesskombinationen gelten häufig als Grundlage für die effiziente Produktion komplexer Bauteile. Neuartige Werkzeuge und Strategien zum Drehen, die derzeit am Institut für Spanende Fertigung (ISF) der Technischen Universität Dortmund untersucht werden, zielen auf hochdynamische Drehverfahren (High Dynamic Turning) ab, die sich auf Bearbeitungszentren zur Komplettbearbeitung einsetzen lassen.

Neben der erhöhten Steifigkeit durch die vorteilhafte Krafteinleitung ersetzt das Werkzeug mehrere Standard-Tools durch optimale Ausnutzung der Y-, Z- und C-Achse des Drehfräszentrums. Die Flexibilität des Verfahrens erlaubt es, komplexe Merkmale ohne Werkzeugwechsel deutlich produktiver und effizienter herzustellen und gleichzeitig den Werkzeugverschleiß entlang der Schneidkanten gleichmäßiger zu verteilen, sodass auch die Werkzeugnutzung nachhaltiger wird.

Verfahrenskombination von Laser- und Einlippentiefbohren für komplexe Bauteilgeometrien.
Laser- und Einlippentiefbohren als Verfahrenskombination für komplexe Bauteilgeometrien. (Bild: Technische Universität Dortmund – Institut für Spanende Fertigung ISF)

Neben der spanenden Fertigung bieten auch Laserverfahren zunehmend universelle Möglichkeiten zur Materialbearbeitung und speziell die Kombination bietet weitere Vorteile. Das Einbringen von Pilotbohrungen mittels Laserbearbeitung in Kombination mit einem Tiefbohrprozess in einer Maschine erhöht z.B. deutlich die Flexibilität. Durch Laserbohren können Pilotbohrungen auf schrägen, gekrümmten oder randschichtgehärteten Bauteilen ohne Werkzeugabdrängung und ohne Werkzeugverschleiß eingebracht werden. Mit dem in der erzeugten Pilotbohrung geführten Einlippenbohrer ist im Anschluss die Erzeugung hochqualitativer tiefer Bohrungen prozesssicher realisierbar.

„Da neue Möglichkeiten der Komplettbearbeitung von den Entwicklungen der Maschinen, Werkzeuge und Prozesse abhängen, bietet die EMO Hannover als Weltleitmesse für die Produktionstechnologie eine ideale Plattform, sich einen umfassenden Überblick zu verschaffen, um die richtigen Lösungen für konkrete Anwendungen zu identifizieren“, finalisiert Institutsleiter Prof. Dirk Biermann vom ISF.

Quelle: VDW/VDMA Fachverbände

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