Die Auftragsbücher sind prallvoll, aber es fehlt qualifiziertes Personal, um sie zügig abzuarbeiten. Dieses Problem kennen viele Unternehmen der produzierenden Industrie. Wenn die eigenen Fachkräfte am Rande der Belastungsgrenze sind, müssen Ressourcen von außen abrufbar sein, um die Produktion zu sichern. Das gilt besonders, wenn Fachleute rar sind, die defekte Maschinen reparieren können. Hier kann Fernwartung die Lücke schließen.
1. Lösung: Remote Support bringt mehr Effizienz
Schnell auf mögliche Störungen zu reagieren, ohne vor Ort zu sein: Das ist bei unvorhergesehenen Maschinendefekten heute möglich. Die Grob-Werke, ein Hersteller von Produktions- und Automatisierungssystemen mit Sitz im oberschwäbischen Mindelheim, hat mit Fernwartung jedenfalls gute Erfahrungen gemacht. „Unsere Mitarbeiter können per Ferndiagnose auf Bauteile und Steuerungen des Kunden zugreifen“, sagt Christian Müller, Geschäftsführung Vertrieb der Grob-Werke. Das spare nicht nur dem Kunden Zeit, sondern auch dem Hersteller. „In Anbetracht des Fachkräftemangels könnte man durchaus sagen, dass unsere Fernwartungslösungen hier unterstützen.“ Das Fachpersonal spare so einiges an Fahrzeit. Diese Zeit, die durch fehlende An- und Abfahrt gespart werde, könne dann direkt in den nächsten Auftrag einfließen. „Unser Personal kann so also in kurzer Zeit deutlich mehr Aufträge abarbeiten“, so Müller.
Auch der Werkzeugmaschinenhersteller Trumpf aus Ditzingen vertraut auf Fernwartung, um die Maschinen bei den Kunden auch in Zeiten des Fachkräftemangels produktiv zu halten. „Beim Trumpf Remote Support können sich die Experten von Trumpf auf die Maschine des Kunden aufschalten und die Ursache beheben oder über Visual Assistance remote anleiten, das Problem selbst zu beheben“, erklärt Alexander Kunz, Leiter der Smart Factory bei Trumpf. Ein Servicetechniker-Einsatz sei dann oft nicht erforderlich. So könnten die Mitarbeitenden an der Maschine ihre Arbeit schneller wieder aufnehmen.
Beispiel: So funktioniert Remote Support für Werkzeugmaschinen
2. Lösung: Vollautomatisierung kann Defizite ausgleichen
Auch mit Vollautomatisierung können Unternehmen dem Fachkräftemangel entgegentreten. Digitale Vernetzung und Automatisierung sind für Unternehmen Schlüsseltechnologien, um ein Defizit an Fachpersonal zumindest teilweise auszugleichen. „Rund 80 Prozent der Durchlaufzeit eines Auftrags entfallen auf unproduktive Nebenzeiten, beispielsweise Laufzettel suchen oder Transportwagen holen. Mit der Digitalisierung können Unternehmen hier Zeit sparen und die Arbeitskraft der Mitarbeiter für wertschöpfende Tätigkeiten nutzen“, erläutert Trumpf-Manager Kunz.
Automatisierung helfe, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, weil sie viele Tätigkeiten vereinfache und Zeit spare. Oftmals könnten schon kleine Automatisierungslösungen dazu beitragen, die Produktivität enorm zu steigern. „Generell beobachten wir, dass früher Automatisierung gekauft wurde, um Personal zu sparen. Heute wird sie gekauft, weil man kein Personal findet“, resümiert Kunz.
Der Trend hin zur vollautomatisierten Anlage wird früher oder später kommen. Davon ist man auch bei den Grob-Werken überzeugt. „Bereits heute ist der Automatisierungsgrad der Maschinen um ein Vielfaches höher als noch vor einigen Jahren“, sagt Grob-Manager Müller. Auch die Digitalisierung rücke in den vergangenen Jahren immer mehr in den Vordergrund und könne in einigen Bereichen bei Fachkräftemangel „positiv unterstützen und einige Aufgabenbereiche teilweise übernehmen“, so Müller.
Geballter Input zum Thema Werkzeugmaschinen
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Lösung 3: Software schont Kapazitäten der Beschäftigten
Für produzierende Unternehmen im Ausland, darunter in den USA oder China, ist der Zugang zu qualifizierten technischen Fachkräften oftmals besonders schwierig. Können Werkzeugmaschinenbauer ihren Kunden zur Linderung des Fachkräftemangels in den wichtigen Auslandsmärkten spezielle Lösungen anbieten? Große, international aufgestellte Anbieter wie Trumpf halten auch hierfür Ressourcen bereit. „Wir unterstützen Unternehmen auf der ganzen Welt, dem Fachkräftemangel zu begegnen“, sagt Kunz und präsentiert eine technische Lösung.
Beispielsweise könnten Anwender mit der Trumpf-Software Oseon ihre Fertigung digital planen und steuern. „Das schont die Kapazitäten der Mitarbeiter, da sie sich etwa um die Planung des Materialtransports keine Gedanken machen müssen“, so Kunz. „Mit der Nutzung eines Automatic Guided Vehicles besteht zudem die Chance, auch den Materialtransport selbst zu automatisieren“, erklärt er. Außerdem stelle die Software dem Personal in der Fertigung auf einem Tablet alle relevanten Informationen zum nächsten Arbeitsschritt in ihrem Arbeitsumfeld übersichtlich bereit. „Das reduziert Fehler und neue Mitarbeiter können schneller ihre Tätigkeit aufnehmen.“
Trotz technischer Lösungen bleibt der Mensch unverzichtbar
Bei aller Automation bleibt der Mensch unverzichtbar, um eine reibungslose Produktion zu gewährleisten. Um das Problem Fachkräftemangel langfristig anzugehen, ist deshalb Ausbildung das A und O. „Die Politik und das Bildungssystem sind gefordert, die schrumpfende Grundgesamtheit der überhaupt zur Verfügung stehenden qualifizierten Arbeitskräfte zu erhöhen“, sagt Prof. Jens Wulfsberg, Präsident der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Produktionstechnik (WGP), in der sich führende Professorinnen und Professoren der Produktionswissenschaft zusammengeschlossen haben.
Die Ingenieurswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der WGP hatten kürzlich auf ihrer Frühjahrstagung in Schwerin Alarm geschlagen, denn seit gut fünf Jahren sinkt in Deutschland die Zahl der Studienanfängerinnen und -anfänger in den Ingenieurswissenschaften deutlich. „Das betrifft natürlich auch unsere Industrie, die schon heute große Schwierigkeiten hat, gut ausgebildeten Nachwuchs zu finden. Und damit ist es letztendlich ein Problem für unsere Gesellschaft, deren Wohlstand bekanntermaßen auf dem produzierenden Gewerbe gegründet ist“, warnt Wulfsberg.
„Das Problem ist bei den Unternehmen schon angekommen, der Nachwuchsmangel ist für viele eine der größten Herausforderungen, größer als Energiekrise und Lieferkettenengpässe“, konstatiert der Wissenschaftler, der auch darauf verweist, dass die Unternehmen „mit einem echten, gelebten Wertesystem“ für junge Menschen attraktiv sein müssten.
Auch Andre Wilms, Mitglied der Geschäftsleitung der Nachwuchsstiftung Maschinenbau, zeigt sich davon überzeugt, dass technische Lösungen wie Fernwartung oder Vollautomation nicht ausreichen werden, um dem Fachkräftemangel zu begegnen. Die Stiftung des deutschen Maschinen- und Anlagenbaus mit Sitz in Frankfurt am Main hat sich deshalb die Förderung der Ausbildung von Fachkräften in ihrer Branche auf die Fahnen geschrieben.
„Qualifizierte Fachkräfte sind der Garant für unseren technologischen Fortschritt. Um die digitale Transformation auf hohem Niveau zu vollziehen, müssen Unternehmen ihre Aus- und Weiterbildungsaktivitäten deutlich verstärken“, erklärt Wilms. Der Mehrwert der Ausbildung liege in der Entdeckung und Entwicklung von Talenten und im starken Bezug zum Unternehmen. „Technische Lösungen, wie die Automation von Produktionsprozessen, können aber dabei helfen, das Fachkräftepotenzial im Unternehmen gezielter einzusetzen und den Fachkräftemangel zu einem gewissen Anteil zu kompensieren“, so Wilms.
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Quelle: VDW