Ein Mann in Arbeitskleidung wartet einen Maschine.

Corona-bedingt können viele Servicetechniker immer noch nicht die erforderlichen Wartungsarbeiten an den Produktionsanlagen deutscher Unternehmen durchführen. - (Bild: Kzenon - stock.adobe.com)

Viele Menschen werden jetzt sicher aufatmen: Seit dem 1. Juli gilt die Notbremse nicht mehr. Damit entfällt dann auch die Pflicht zum Homeoffice. Endlich können Arbeitnehmer ins Büro zurückkehren. Aber vor allem – von einigen Unternehmen wahrscheinlich dringend herbeigesehnt – Servicetechniker wieder zu Produktionsstätten im In- oder teilweise auch Ausland reisen, um an den Anlagen ihrer Kunden aktuell notwendige oder gar schon überfällige Wartungsarbeiten durchzuführen.

Doch ganz so positiv stellt sich die Situation auf den zweiten Blick dann doch nicht dar. Nein – nicht, dass Sie jetzt denken, ich finde es negativ, meine Mitarbeiter wieder jeden Tag zu sehen. Im Gegenteil. Aber noch ist die Lage nicht so, dass alles wieder beim Alten ist, denn die epidemische Notlage bleibt weiterhin in Kraft. Dies bedeutet, es besteht latent ein Risiko dahingehend, dass in einzelnen Landkreisen unvermittelt Beschränkungen verordnet werden können, und dann ist es dem Servicetechniker vielleicht doch nicht möglich termingemäß zu erscheinen.

Zukunftstechnologie Fernwartung

Wird hierdurch mittelfristig ein Problem auf die Unternehmen zukommen? Nein keinesfalls – wenn diese jetzt zielgerichtet handeln und auf Basis der aggregierten Erfahrungen aus den letzten Monaten eine Optimierung der Geschäftsprozesse anstreben. Denn ich bin davon überzeugt, dass es unter den gegebenen Aspekten für Unternehmen nicht nur ratsam ist ihre Strategie bezüglich globaler Lieferstrukturen zu überdenken, sondern gleichzeitig auch, wie sie die unmittelbaren Auswirkungen auf ihre Produktionsanlagen abfedern können.

Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung kann ich in diesem Kontext empfehlen, die Aufmerksamkeit auch auf das Thema Fernwartung zu lenken. Denn richtig aufgesetzt bringt dies – mit Sicherheit – nur Vorteile. Warum? Weil sich auf diesem Wege grundsätzlich die Effektivität der Anlage steigern lässt – Stichwort Overall Equipment Effectiveness (OEE). Denn die Nutzung einer einheitlichen Fernwartungslösung ermöglicht jedem Servicetechniker des jeweiligen Maschinenbauers im Bedarfsfall einen schnellen Zugriff von überall. Das bedeutet, wenn ein Störfall eintritt, kann unmittelbar Abhilfe geschaffen werden, wodurch sich generell Stillstandzeiten vermeiden lassen.

 

Instandhaltung per Videochat

Immer häufiger wird die reine Fernwartung ergänzt durch eine audiovisuelle Kommunikation – sprich Videochat – zwischen dem Servicetechniker und dem Mitarbeiter vor Ort der direkt an der Anlage steht. Dies hat sich als sehr zielführend erwiesen, sodass mittlerweile viele Maschinenbau-Unternehmen selbst die Inbetriebnahme komplett „Remote“ anbieten. Optimieren lässt sich dieser Vorgang durch den Einsatz von Augmented (AR) und Virtual (VR) Reality. Unter Einsatz von AR- oder VR-Brillen ist es dem Servicetechniker noch besser möglich, den Mitarbeiter bei der Behebung von Problemen zu betreuen. Aber es gibt noch einen zusätzlichen Pluspunkt: Mittels der – auf diesem Wege realisierbaren – maßgeschneiderten Betreuung lässt sich auch die Gefahr der momentan populären Supply Chain-Angriffe, die immer mit einem sehr hohen Schadenspotential einhergehen, einschränken. 

Selbstverständlich ergibt sich aus all diesen Nutzeffekten nur dann ein tatsächlicher Vorteil, wenn die Sicherheit nicht vernachlässigt wird. Hierfür gibt es fünf Grundsätze, die es zu beachten gilt.  

Die wichtigsten Tipps für eine sichere Fernwartung

  • Priorisierung: Nehmen Sie eine Priorisierung vor. Hierbei sollten Sie alle Anlagen und Maschinen verzeichnen, die für die Aufrechterhaltung Ihres Geschäftsbetriebs zwingend notwendig sind, also einen hohen Verfügbarkeitsanspruch haben, sowie auch jene mit einer hohen Fehleranfälligkeit.
  • Segmentierung: Planen Sie die Segmentierung Ihrer Netzwerke sorgfältig. Die Umsetzung eines sinnvollen Zonenkonzepts für Ihre Maschinen oder auch Maschinenteile stellt sowohl eine einfache als auch wirksame Methode zur Erhöhung des Sicherheitsniveaus dar, da sich so jeweils ab einer bestimmten Stufe ein Zugriff auf weitere Bereiche innerhalb Ihres Netzwerkes verhindern lässt.
  • VPN und Firewall: Nutzen Sie industrielle Fernwartungs-Router mit VPN-Tunneltechnologie und Firewall. Für den optimalen und vor allem sicheren Einsatz muss der eingesetzte Router bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dies bedeutet zum einen, dass jeweils die korrekten Schnittstellen sowohl zum Internet (WAN) als auch zum Maschinennetzwerk (LAN) betriebsbereit zur Verfügung stehen. Zum anderen ist es notwendig, dass der Router Funktionalitäten bereitstellt mittels derer sich gewährleisten lässt, dass die fallweise Freigabe zur Fernwartung nur lokal von Ihrer Produktionsstätte aus initiiert werden kann.
  • Zugriffsberechtigungen: Stellen Sie sicher, dass die Zugriffsberechtigungen streng geregelt sind und sich komfortabel verwalten lassen. Für die ideale Art der Administration empfiehlt sich ein Fernwartung-Rendezvous-Server.
  • Regelmäßige Updates: Bei einem Fernwartungs-Router gelten die gleichen Regeln wie bei jedem anderen Router auch. Stellen Sie durch regelmäßige Firmware-Updates sicher, dass Ihr Gerät immer auf dem aktuellen Stand (der Sicherheit) ist.

Mehr Sicherheit und weniger Stillstände

Mein Fazit lautet daher: Da Sicherheitsbedenken bezüglich der Fernwartung prinzipiell irrelevant geworden sind, war es in den letzten Monaten für viele Maschinenbau-Unternehmen möglich, ihren Maschinenservice und -support aufrechtzuerhalten. Dieser Schritt in die Digitalisierung hat während der Corona-Krise also seine Wirksamkeit unter Beweis stellen können. Ich bin davon überzeugt, dass die damit verbundenen positiven Effekte – wie beispielsweise die Möglichkeit zum schnellen Eingriff im Bedarfsfall, etwa um einen Stillstand zu vermeiden – künftig für zunehmend mehr Unternehmen von hoher Bedeutung sein werden.

Über den Autor

Kolumnist Siegfried Müller, CEO und Gründer der MB connect line GmbH.
Kolumnist Siegfried Müller, CEO und Gründer der MB connect line GmbH. - (Bild: Siegfried Müller)

Siegfried Müller ist geschäftsführender Gesellschafter der MB connect line GmbH. In seinen ersten Berufsjahren als Steuerungstechniker für den Maschinenbau hat er den Nutzen von Fernwartung erkannt. Im Alter von 25 Jahren gründete er MB connect line. Unter seiner Leitung entwickelte sich das Unternehmen zum Technologieführer in den Bereichen Fernwartung, Datenerfassung und Industrial Security.

Seit über 20 Jahren treibt Siegfried Müller mit viel Engagement und Leidenschaft die Entwicklung neuer Produkte und Lösungen für die sichere industrielle Kommunikation über Internet voran. Als Stratege und Experte zur Cybersicherheit im industriellen Umfeld bringt er sein Wissen auch in nationalen und internationalen Arbeitskreisen ein – beispielsweise beim Cluster Mechatronik & Automation Bayern e.V., beim TeleTrusT – Bundesverband IT-Sicherheit e.V. und in der European Cyber Security Organisation (ECSO). Die wichtigen wirtschaftlichen Themen adressiert er als Senator im internationalen Wirtschaftssenat (IWS).

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