Tunesien

Tunesien gilt vor allem deutschen Politikern als "Leuchtturm der Hoffnung" in Afrika. - (Bild: Pixabay)

Penibel fegt Hamzeh die Metallspäne unter der Fräse in der Ausbildungswerkstatt zusammen. Immer wieder, von links nach rechts. Kameras klicken. Es sind Bilder, die sich der deutsche Entwicklungsminister wünscht: Ein junger Tunesier in Arbeit, angestellt bei einem deutschen Automobilzulieferer.

"Wir investieren in die Zukunft der tunesischen Jugend", sagt CSU-Mann Müller, als er später sieben Kooperationsabkommen in der Hauptstadt Tunis unterschreibt. Deutsche Unternehmen sollen verstärkt ausbilden und dadurch neue Jobs schaffen. Auch Rückkehrer und abgelehnte Asylbewerber aus Deutschland sollen bei den deutschen Firmen unterkommen. Entwicklungspolitik ist inzwischen auch Flüchtlingspolitik.

Arbeitslosigkeit bedeute oft soziale Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit, die einen Nährboden für Radikalisierung und illegale Migration nach Europa bildeten, heißt es in einer der Absichtserklärungen, die Müllers Ministerium und deutsche Firmen unterschreiben. Und gerade bei jungen Menschen ist die Arbeitslosigkeit in Tunesien hoch: Fast jeder dritte Jugendliche findet dort keine passende Stelle.

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Fluchtursachenbekämpfung in Afrika

"Auch von meinen Freunden sind einige nach Europa gegangen", erzählt der 22-jährige Hamzeh, der bei der Firma Marquardt als Werkzeugmechaniker arbeitet. "Oder sie sitzen zuhause und wollen trotzdem Geld kriegen." Bei der deutschen Firma habe er gelernt, dass man mit Fleiß auch etwas erreichen könne.

Tunesien gilt vor allem deutschen Politikern als "Leuchtturm der Hoffnung", wie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das Land im vergangenen Jahr bei ihrem Staatsbesuch bezeichnete. Doch obwohl das nordafrikanische Land nach dem «Arabischen Frühling» als einziges der Region umfassende Reformen eingeleitet hat, kämpft es mit massiven wirtschaftlichen Problemen. Das Wachstum hinkt im Vergleich zu anderen afrikanischen Staaten weit hinterher. Immer wieder kommt es zu Streiks, Anfang des Jahres gab es tagelange Ausschreitungen im ganzen Land wegen der Reformpläne der Regierung.

Die deutsche Wirtschaft und die Entwicklungspolitik sollen sich an der sogenannten Fluchtursachenbekämpfung in Afrika beteiligen. Mit Ausbildungskooperationen und millionenschweren Programmen wollen Bundesinnen- und Entwicklungsministerium die Zukunftschancen junger Menschen in deren Heimat verbessern - oder sie zur freiwilligen Rückkehr bewegen, wenn sie in Deutschland keine Aussicht auf einen Aufenthalt haben.

"Das kann eine Win-win-Situation sein für die Unternehmen, die nach neuen Mitarbeitern suchen, und für die Rückkehrer, die Jobs in Tunesien suchen", sagt Martin Henkelmann, Geschäftsführer der Auslandshandelskammer in Tunesien. Der Entwicklungsminister will die deutsche Wirtschaft in die Pflicht nehmen.

"Tunesien kann ein Modellpartner für die deutsche Wirtschaft werden", meint Müller. Dabei machen sich die meisten illegalen Migranten nicht von Tunesien aus auf den Weg nach Europa, sondern aus Eritrea, Nigeria, Ghana und dem Senegal.

"Marshallplan mit Afrika"

Experten halten den Einfluss der deutschen Wirtschaft und Entwicklungszusammenarbeit auf die Migration ohnehin für gering. Die bundeseigene Gesellschaft für Außenwirtschaft (GTAI) listet die Probleme für deutsche Unternehmen in Afrika auf: mangelhafte Infrastruktur, restriktive Handels- und Zollvorschriften, langwieriger und teurer Transport.

Selbst die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung forderte kürzlich in einer Studie eine "grundlegende Umorientierung der deutschen und europäischen Entwicklungspolitik". Der "Marshallplan mit Afrika" von Minister Müller lasse viele Fragen offen.

Kritik von Migrationsforschern

"Ich denke nicht, dass die Verzahnung von Entwicklungshilfe und Migrationspolitik aus deutscher Perspektive effektiv ist", sagt Migrationsforscherin Katharina Natter von der Universität Amsterdam. Der Ansatz sei durchaus lobenswert, aber das Volumen und die Effekte seien minimal und reichten nicht aus.

"Es gibt außerdem viele Studien, die zeigen, dass mehr Entwicklung erstmal zu mehr Migration führt." Die Ansätze dazu gebe es bereits seit den 90er Jahren und sie hätten bis heute keine Früchte getragen, erklärt Natter.

Im Einzelfall könnten solche Projekte jedoch helfen. Und ein solcher Fall ist der 22-jährige Hamzeh aus Tunis. Obwohl sein Vater wollte, dass er Medizin studiert, hat er sich für die Technik und den deutschen Autozulieferer entschieden. "Ich liebe Autos", sagt er. "Und jetzt fahre ich auch eines, wo die Schalter verbaut sind, die wir herstellen. Das hat auch meinen Vater stolz gemacht."

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