Die deutsche Industrie hat einen Kurswechsel in der Europäischen Union gefordert. Die Europawahl und die Neubesetzung der EU-Kommission böten die Chance, die Politik der Europäischen Union neu auszurichten, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Tanja Gönner, am Dienstag in Berlin bei einer BDI-Veranstaltung zur Wettbewerbsfähigkeit in Europa.
Gönner sagte, die EU habe den „Doppelschlag" der Pandemie und des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine mit all seinen wirtschaftlichen Folgen insgesamt gut verkraftet. Die Herausforderungen für die kommenden Jahre könnten aber nicht größer sein. «Europas industrielle Wettbewerbsfähigkeit ist in vielerlei Hinsicht unter Druck geraten. Die Europäische Union fällt im Innovationswettbewerb zurück.» Die Versorgung mit grüner und bezahlbarer Energie bleibe eine Herkulesaufgabe. Der Umbau von Industrie und Mobilität erfordere enorme Investitionen in die Dekarbonisierung. "Die Europäische Union hat ein klimapolitisches Ziel, aber sie ist nicht auf Kurs."
Europa sei auch ökonomisch nicht resilient, geschweige denn strategisch souverän aufgestellt und gerate bei Krisen und Konflikten in Asien schnell wieder ins Schleudern, von Rohstoffen über Halbleiter bis hin zu Medikamenten. Die Vertiefung der Union stocke institutionell und wirtschaftspolitisch. Bei der Weiterentwicklung des Binnenmarktes herrsche seit Jahren Stillstand. "Neue regulatorische Belastungen, zahlreiche, oft doppelte Berichts- und Dokumentationspflichten sowie hohe Anforderungen an Genehmigungsverfahren erschweren das Wirtschaften."
Die Europäische Union brauche ein klares Programm zur Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz. Der Wirtschaft müssten Freiräume gelassen werden. Gönner plädierte für einen neuen europäischen Wachstumsplan. Nur mit einer politischen Agenda, die Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz in den Mittelpunkt stelle, könne Europa im globalen Wettbewerb bestehen.
dpa
Was ist der BDI?
Der Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (BDI) ist die Spitzenorganisation der deutschen Industrie und der industrienahen Dienstleister. Er spricht für diverse Branchenverbände und vertritt damit die Interessen von mehr als 100.000 Unternehmen mit Millionen Beschäftigten in Deutschland und weltweit. Der Verband setzt sich für optimale wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen ein, um die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie zu stärken. Dazu gehört die Interessenvertretung gegenüber der Politik in Deutschland, Europa und auf internationaler Ebene ebenso wie ein breites Dienstleistungs- und Beratungsangebot für seine Mitgliedsverbände und -unternehmen.