Für viele Menschen ist die Aussicht auf das jährliche Mitarbeiter- oder Entwicklungsgespräch zumindest mit ein wenig Nervosität verbunden. Aus Sicht von Kommunikationsexperten ist die wichtigste Zutat für einen guten Austausch aber schlicht Offenheit. „Ein Mitarbeitergespräch ist keine Einbahnstraße – wichtig ist, die Offenheit mitzubringen, gut nachzufragen, sich ein Feedback vom Vorgesetzten einzuholen und zugleich selbst eine Einschätzung der eigenen Leistung einzubringen“, sagt Katharina Heuer, Vorsitzende der Geschäftsführung der Deutschen Gesellschaft für Personalführung e.V.
„Der Rahmen muss stimmen, damit es gelingt. Mitarbeiter und Führungskräfte sollten ein solches Gespräch als Chance für bessere oder weiterhin gute Zusammenarbeit wahrnehmen“, sagt Business-Coach und Kommunikationspsychologin Friederike Fitzel. Ebenso wichtig wie das Feedback für den Mitarbeiter, ist aus ihrer Sicht die Möglichkeit, auf informeller Ebene mit der Führungskraft eine gute Atmosphäre aufzubauen.
Der Vorgesetzte hat Verantwortung für Gesprächsqualität
Grundsätzlich hängt beim Gespräch viel vom Chef ab. „Es ist wichtig, dass die Vorgesetzten rechtzeitig einladen, und auch Stichwörter geben, damit der Mitarbeiter sich vorbereiten kann. Nur im Kalender ein Personalgespräch einzutragen, schürt Ängste, die sich dann im Gespräch oft in Widerständen äußern“, erklärt Fitzel.
Für viele Vorgesetzte ist das jährliche Entwicklungsgespräch nur eine lästige Pflicht – obgleich gerade dieser Termin wesentlich zur Mitarbeiterbindung beitragen kann. Doch auch, wenn die Voraussetzungen nicht optimal sind oder der Chef das Gespräch eher unmotiviert führt, gibt es keinen Grund, die Flinte ins Korn zu werfen. Im Zweifel kann auch der Mitarbeiter das Gespräch in die Richtung lenken, die ihm wichtig ist. Meist kommt ein Leitfaden für das Jahresgespräch zum Einsatz, den die Personalabteilung zur Verfügung stellt.
Vorbereitung ist die halbe Miete
Sich vorher in Ruhe zumindest in Stichpunkten auf das Mitarbeitergespräch vorzubereiten, gehört aus Expertensicht zum Standard-Prozedere. „Im Vorfeld ist es sinnvoll, noch einmal das letzte Jahr Revue passieren zu lassen und aufzuschreiben, welche Erfolge und Misserfolge es gab. Der Fokus sollte dabei auf der Frage liegen, was man mit dem heutigen Erkenntnisstand anders machen würde“, ermuntert Heuer.
Positive Leistungen und Zahlen dürfen auch visualisiert oder schwarz auf weiß für den Vorgesetzten festgehalten werden. Für Probleme sollte man möglichst eine Lösungsstrategie im Gepäck haben. Auch eine ehrliche Bestandsaufnahme, wo man eigene Stärken erlebt und wo man vielleicht ausweicht, weil man etwas nicht so gern macht, gehört dazu.
Ebenfalls relevant für die Checkliste: Welche Aufgaben wünscht man sich, welche Qualifikation wäre interessant und möchte ich vielleicht in einem Jahr mal wieder etwas Neues machen?
Im Rollenspiel üben
Eine Liste zu schreiben, ist allerdings doch etwas anderes, als eine Situation „auszuprobieren“. Für eher unsichere Menschen, oder wenn es vorher schon Probleme mit dem Vorgesetzten gab, rät Kommunikationspsychologin Fitzel, vorab in einer Coaching-Situation in einem Rollenspiel zum Beispiel das Gespräch mit einem cholerischen Chef zu üben.
Auch ein Partner oder Freund kann beim Live-Check helfen. Bei größeren Schwierigkeiten könne auch jemand von der Personalabteilung hinzugezogen werden, empfiehlt Fitzel.
Was tun, wenn harte Kritik kommt?
Wie ein Gespräch läuft, kommt immer auf das Temperament, Kommunikationsvermögen und -verhalten der jeweils Teilnehmenden an. Doch gerade, wenn der Chef mit Vorwürfen kommt, lohnen sich zuvor erlernte Strategien. Wer da „auf Krawall gebürstet“ sei, habe in der Regel schlechtere Karten als jemand, der aktives Zuhören praktizieren kann, meint Fitzel: „Das bedeutet, dass man noch einmal mit eigenen Worten ruhig wiedergibt, was der andere gesagt hat, was man also verstanden hat. Das Gegenüber kann dann noch einmal hören, was beim anderen angekommen ist und ob es wirklich so gemeint war“.
Ganz wichtig: bei Vorwürfen stets nach Details fragen, vor allem, wenn sie aus der Rubrik „Sie machen immer ...“ stammen. Auch Katharina Heuer empfiehlt in einer solchen Situation, nach Beispielen zu fragen. Woran macht ein Vorgesetzter beispielsweise den Vorwurf mangelnder Teamfähigkeit fest? Kann er Situationen benennen?
Immer wieder nach weiteren Anhaltspunkten zu fragen, sei erlaubt. „Oft benutzen Menschen Wörter, deren Bedeutung unterschiedlich verstanden wird. Es ist wichtig herauszuarbeiten, was vielleicht hintergründig gemeint ist“, so Heuer. Generell gilt: Alle Probleme abzustreiten kommt ebenso schlecht an wie eine übertriebene „mea culpa“-Haltung.
Neuer Anlauf statt Pattsituation
„Wenn man merkt, dass es sehr konfrontativ wird, dann ist es auch legitim zu sagen, wir setzen das Gespräch zu einem anderem Zeitpunkt fort“, erklärt Personalexpertin Heuer. Wenn ein Gespräch nicht läuft wie geplant, ist das kein Grund zur Verzweiflung oder für persönliche Verletztheit.
Am Ende sei ein solches Feedback nur eine Momentaufnahme und der jeweilige Eindruck eines Vorgesetzten, keine Beurteilung von menschlichen Qualitäten, konstatiert Katharina Heuer: „Man sollte nicht zu hohe Erwartungen haben. Es gibt Momente, in denen einen diese Gespräche richtig voranbringen können. Meist ist es aber einfach nur wichtig, dass sie geführt wurden“.
Kritik am Vorgesetzten gut verpacken
Ein Chef, der Agilität und schlanke Hierarchien ernst nimmt, wird in der Regel von sich aus nach Feed-back zu seinem Führungsverhalten fragen. „Ein solches Gespräch ist ein Ort, an dem der Chef Rückkopplung über seine Führung bekommt – ein wichtiges Feedback“, meint Personalexpertin Heuer.
Kritik so zu formulieren, dass sie positiv aufgenommen werden kann, bedarf allerdings einigen Fingerspitzengefühls. Anstatt mit der sprichwörtlichen Tür ins Haus zu fallen, schlägt Fitzel vor, mit einer Aussage zu starten wie: „Ich respektiere Sie sehr als Chef, bin zufrieden und mache meine Arbeit gerne“. Danach könnte in einer Bemerkung wie „Gleichzeitig würde ich mir wünschen, dass ...“ positiv formuliert werden, was man sich vom Chef wünschen würde. „Es kommt immer drauf an, wie man es sagt: Man kann auch große Kritik gut verpacken“, ist sich Fitzel sicher.
Qualifizierung als Kernthema in der Digitalisierung
Dem Entwicklungsgespräch kommt gerade im Zuge der Digitalisierung noch mehr Bedeutung zu, wenn es um Qualifizierungswünsche geht. Als besonders wichtig sieht Fitzel, dass im Gespräch der Fortbildungsbedarf und die -wünsche nicht nur pro forma, sondern intensiv angesprochen werden sollte.
„Oft sucht ein Unternehmen jemand von außen, zum Beispiel einen Agility Coach, anstatt eigene, geeignete Leute zu identifizieren, die sich hier weiterentwickeln wollen und sich vielleicht sogar schon privat qualifiziert haben“, so Friederike Fitzel. Auch Katharina Heuer stellt fest, dass die Weiterbildung mit der Digitalisierung in den Vordergrund rückt.
„Ich erlebe, dass Mitarbeiter intensiver darauf schauen, was sie noch brauchen um den Job besser auszufüllen und sich weiterzuentwickeln“. Noch sei das kein breiter Trend, aber dort, wo die Digitalisierung angekommen sei, verändere sich etwas auf beiden Seiten, so die Personalexpertin.
Einmal im Jahr ist out
Das klassische Jahresgespräch könnte schon bald der Vergangenheit angehören. Im letzten Jahr befragte die von Management- und HR-Beratung metaBeratung branchenübergreifend 100 Führungskräfte von deutschen Unternehmen für die Umfrage „Human Resources in der digitalen Transformation”.
Demnach plädieren drei Viertel der Führungskräfte für eine neue Feedback-Kultur, weil sich die Führungsverantwortung im digitalen Zeitalter stärker in die Teams verlagern wird und Organisationsstrukturen flexibler werden. „Die Institution Mitarbeitergespräch wird immer häufiger von einer jährlichen auf die unterjährliche Basis gebracht, zum Beispiel, wenn ein wichtiges Projekt abgeschlossen ist. Die Welt ist kurzlebiger geworden und braucht schnellere Rückkopplungen – davon leben agile Methoden“, berichtet Heuer. Damit weiche nach und nach auch die klassische Führung auf und werde durch andere Formen, zum Beispiel das gemeinsame Streben nach Verbesserung, ersetzt.
Doch es gibt auch weitere Gründe für mehr Austausch. „Die Praxis zeigt: Wenn die Beziehungsebene stimmt und wertschätzend kommuniziert wird, lassen sich kleinere Probleme im Alltag leichter nehmen. Dort, wo Missklänge über ein Jahr mitgeschleppt werden bis zum nächsten Mitarbeitergespräch, wird aus einem unguten Gefühl schnell eine Abwehrhaltung, die im schlimmsten Fall zu einer inneren Kündigungen führen kann“, so Fitzel.
Ob sich Mitarbeiter trauen, Probleme zeitnah anzusprechen, hänge jedoch sehr von einer offenen Unternehmenskultur ab. Zwar gebe es mittlerweile viele Chefs, die eine offene Kommunikation begrüßen, doch es fänden sich immer noch Manager, die der Ansicht seien, das stünde den Mitarbeitern nicht zu. „Alle Seiten, auch die Personalabteilungen, müssen daran arbeiten, dass ein solcher Austausch in die Kultur Einzug hält“, meint Fitzel.