Michael Vassiliadis

IG-BCE-Chef Michael Vassiliadis fordert eine "Frischzellenkur" für den Industriestandort Deutschland. - (Bild: IG BCE)

Eine neue Bundesregierung - "wann und in welcher Form auch immer sie ihre Arbeit aufnimmt" - solle eine klare Vision davon haben, wie sie die Industrie und deren Arbeitsplätze für die Zukunft rüsten wolle, betonte der Vorsitzende der IG Bergbau, Chemie, Energie in Hannover. "Derzeit ist eher das Gegenteil der Fall."

Trotz der starken Konjunktur gebe es in Deutschland einen großen Reformbedarf, mahnte Vassiliadis. Die Gewerkschaft starte daher mit einer Offensive für Innovation und Investitionen ins neue Jahr.

Es sei wichtig, 2018 die gute wirtschaftliche Lage zu nutzen: "Die schwarze Null reicht für Zukunftsvorsorge nicht aus." Deutschland müsse auf zentralen Technologiefeldern führend bleiben, dafür sei auch eine konsequentere staatliche Forschungsförderung nötig.

Auch Investitionen müsse die Politik "in großem Maßstab" fördern, forderte Vassiliadis. "Das gilt nicht nur für die öffentliche Infrastruktur, wo sich ein Stau von mehr als 150 Milliarden Euro gebildet hat, sondern auch für private Investitionen."

Dazu mahnte er eine "Koalition des großen Wurfs" an. Angesichts der Wirtschafts- und Arbeitsmarktlage könne der Zeitpunkt für ambitionierte Reformen nicht besser sein: "Wenn Union und SPD diesen Steilpass nicht nutzen, dann wird das für viele Jahre die letzte Zusammenarbeit dieser Art gewesen sein." Die große Koalition "hätte das Potenzial dazu, große Politik zu machen". Er verwies auf die US-Steuereform, die attraktiv für Unternehmen sei. Das bereite ihm Sorgen. Einige Beobachter fürchten etwa Produktionsverlagerungen.

Energiewende aus dem Ruder gelaufen

"Komplett aus dem Ruder gelaufen" sei die Energiewende. Den Verantwortlichen warf Vassiliadis politische Fehlsteuerung vor. Die Energiewende brauche einen Neustart, zunächst müssten Stromnetze und -speicher ausgebaut und modernisiert werden. An die Stelle der verbraucherfinanzierten EEG-Umlage müsse eine steuerfinanzierte Lösung treten, damit Menschen mit niedrigem Einkommen per Stromrechnung nicht weiter über Gebühr belastet würden.

Die Überlegungen von Union und SPD, die Klimaziele für 2020 aufzugeben, begrüßte der Gewerkschaftschef. Den CO2-Ausstoß bis dahin um 40 Prozent gegenüber 1990 zu senken, sei nicht mehr machbar. "Und es ist beileibe kein Beinbruch, dies einzuräumen", sagte Vassiliadis. Bis 2020 werde Deutschland mindestens 32 Prozent an CO2-Einsparung erreichen - "so viel wie kaum ein anderes Land".

In der Arbeitsmarktpolitik schlug er ein Rückkehrrecht in Vollzeit für die Beschäftigten vor, zudem gehöre die sogenannte sachgrundlose Befristung abgeschafft. Vassiliadis sprach sich für eine Rentenreform sowie für den Umbau der Kranken- und Pflegeversicherung zu einer Bürgerversicherung aus.

Die IG BCE zählte Ende 2017 fast 638 000 Mitglieder, gut 7300 weniger als ein Jahr zuvor. Ob die Arbeitszeit in der nächsten Tarifrunde ein Thema sein werde, ließ der IG-BCE-Tarifexperte Ralf Sikorski offen. Eine konkrete Forderungsempfehlung werde es erst im April geben.

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