Werksarbeitern wird Fieber gemessen, im Hintergrund sind viele Container zu sehen.

Die deutsche Industrie hat sich laut Volkswirt Jörg Krämer auf die Corona-Situation eingestellt. - (Bild: Adobe Stock/chokniti)

Deutschland wird noch einige Wochen im Teil-Lockdown bleiben. Doch während einige Branchen extrem darunter leiden, hat sich das Geschäftsklima laut dem Ifo-Geschäftsklimaindex im November im verarbeitenden Gewerbe verbessert. Dort schätzen die Unternehmen ihre momentane Situation deutlich besser ein, als zum Beispiel der Dienstleistungssektor und das Bauhauptgewerbe. Das zeigt sich auch an den Auftragseingängen, die gestiegen sind – allerdings langsamer als in den Vormonaten.

Der zweite Lockdown sei bei weitem nicht so schlimm wie das, was man im zweiten Quartal gesehen habe, sagt auch Jörg Krämer, Chefvolkswirt bei der Commerzbank. Und das liege an der Industrie.

Für Krämer hat das vor allem zwei Gründe:

  • Die wirtschaftliche Erholung ist besonders in China sehr schnell. Davon profitieren auch viele Mittelständler. In China werde mehr produziert als vor Corona, sagte Krämer heute auf einer Pressekonferenz.
  • Die Industrieunternehmen haben gelernt, mit Corona und der Situation umzugehen, sagt er.

Dennoch würde sich der Ökonom mehr alternative Bekämpfungsstrategien vom Staat wünschen – zum Beispiel die Pflicht, einen positiven Coronatest in der App zu melden und mehr Tests in Seniorenheimen. Denn dann müsse man nicht auf den Lockdown als einziges Mittel setzen, um die Infektionszahlen in den Griff zu bekommen. Der Staat müsse alle innovativen Möglichkeiten bei der Pandemiebekämpfung nutzen. Auch, um die finanzielle Belastung möglichst gering zu halten.

Anfang 2021 werden die Unternehmenspleiten zunehmen

Zu den fiskalpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung sagte er, das vereinfachte Kurzarbeitergeld sei unbürokratisch und wirke. Es verhindere, dass Menschen „aus dem Arbeitsmarkt gespült werden, die dann später wieder Probleme haben, wieder reinzukommen“. Die Unterstützungshilfen für November und Dezember hätte man auch anders ausrichten können. Derzeit wird der Umsatz für die Höhe der Hilfe betrachtet. Eine andere Möglichkeit wären laut Krämer Betriebsüberschüsse gewesen.

Eine weitere mögliche Folge von Covid-19: Unternehmenspleiten. Krämer sagte, dass die Firmeninsolvenzen im dritten Quartal um mehr als 30 Prozent gesunken seien. Das liege daran, dass einige Unternehmen die Ausnahmegenehmigungen, die es zwischenzeitlich bei Insolvenzanträgen gab, missbraucht hätten. Nachdem nun auch bei Zahlungsunfähigkeit wieder Insolvenz beantragt werden müsse, werde dies nun nachgeholt, so der Experte.

Er rechnet deshalb ab dem ersten Quartal 2021 mit einer Insolvenzwelle. Der Grund: Wenn Unternehmen jetzt Insolvenz melden, taucht das erst in der Statistik auf, wenn ein Gericht das Verfahren eröffnet. Und das könne zwei bis drei Monate dauern.

Optimistischer Ausblick auf das kommende Jahr

Insgesamt geht Krämer davon aus, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt im Winterhalbjahr fallen wird. „Für Deutschland rechnen wir mit einer technischen Rezession, auch wenn sich die Industrie gut hält“, sagt er. Im Frühjahr dürfte dann eine kräftige Erholung einsetzen. Gründe dafür seien das abklingende Infektionsgeschehen aufgrund der wärmeren Temperaturen und Impfungen. Zudem werden Konsumenten einen Teil der hohen Ersparnisse, die sie insbesondere im Frühjahr gebildet hatten, ausgeben, so der Chefvolkswirt.

Spätestens Ende des kommenden Jahres werde die deutsche Wirtschaft – wie auch die meisten Länder des Euroraums – wieder ihr Vorkrisenniveau erreichen. Für 2021 erwarten die Commerzbank-Volkswirte für Deutschland ein Wachstum von 4,5 Prozent und für den Euroraum von fünf Prozent. Damit sind sie optimistischer als der Durchschnitt der Volkswirte.

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